Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Berücksichtigung des Zählkindervorteils bei nichtehelichen/nichteingetragenen Lebenspartnern – Beschränkung auf leibliche oder Adoptiv-, Pflege- und Stiefkinder
Leitsatz (redaktionell)
- Voraussetzung der Berücksichtigung des Zählkindervorteils ist die grundsätzliche Berücksichtigungsfähigkeit weiterer Kinder des Berechtigten als leibliche Kinder oder Adoptiv-, Pflege- und Stiefkinder.
- Daran fehlt es bei einem lediglich in einer Haushaltsgemeinschaft mit der leiblichen Mutter mehrerer Kinder zusammenlebenden nichtehelichen/nichteingetragenen Lebenspartner, der Vater eines der Kinder ist.
- Der Zählkindervorteil kann in diesem Fall nur dadurch realisiert werden, das die leibliche Mutter für alle Kinder das Kindergeld beantragt.
- Die Ungleichbehandlung von Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartnern einerseits und lediglich in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenlebenden Personen andererseits bei der Frage der steuerlichen und kindergeldrechtlichen Berücksichtigung von Kindern des anderen Partners ist verfassungsgemäß.
Normenkette
EStG § 63 Abs. 1 S. 1 S. 1 Nr. 1, S. 1 Nr. 2, § 66 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger beantragte im Einverständnis mit der Kindesmutter im Juni 2016 bei der Beklagten (der Familienkasse) Kindergeld für seine Tochter M (geboren im März 2016). Er legte die Geburtsurkunde vor und erläuterte, dass er mit der Mutter seiner Tochter in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebe, allerdings nicht mit ihr verheiratet sei. Außerdem lebten in diesem Haushalt auch die beiden ehelichen Kinder seiner Lebensgefährtin, nämlich der Sohn D (geboren 2009) und die Tochter N (geboren 2012), für die die Lebensgefährtin das Kindergeld beziehe. Die Familienkasse setzte zu Gunsten des Klägers Kindergeld für die Tochter M ab März 2016 fest, und zwar in Höhe von monatlich 190 € (Bescheid vom 17.06.2016).
Hiergegen erhob der Kläger zur Niederschrift Einspruch. Er beanstandete, dass die beiden Kinder seiner Lebensgefährtin nicht bei ihm als Zählkinder betragserhöhend berücksichtigt worden seien. Für M (als drittes Kind) stehe ihm Kindergeld in Höhe von monatlich 196 € zu. Die Familienkasse wies den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 6.07.2016). Sie erläuterte, das Kindergeld sei gemäß § 66 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in zutreffender Höhe festgesetzt worden. Die beiden Kinder seiner Lebensgefährtin könnten nicht als Zählkinder bei dem Kläger berücksichtigt werden, weil diese weder seine leiblichen Kinder noch seine Stiefkinder seien. Dagegen könnte die Lebensgefährtin für M ohne weiteres Kindergeld in Höhe von 196 € erhalten, weil sie die leibliche Mutter aller drei Kinder sei.
Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger meint, die gesetzliche Regelung des § 63 Abs. 1 EStG sei nicht mehr zeitgemäß und nicht verfassungsgemäß. Vielmehr sei es unter sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten geboten, eheliche und nichteheliche Lebensgemeinschaften gleichzustellen. Deshalb müsse bei einem „gefestigten Zusammenleben” der Kindeseltern der Zählkindvorteil auch Partnern nichtehelicher Gemeinschaften gewährt werden. Eine andere Betrachtungsweise verstoße gegen das Diskriminierungsverbot.
Der Kläger beantragt,
die Kindergeldfestsetzung vom 17.06.2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.07.2016 in der Weise zu ändern, dass das Kindergeld für die Tochter M in monatlicher Höhe von 196 € festgesetzt wird.
Die Familienkasse beantragt unter Hinweis auf die bestehende gesetzliche Regelung,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die dem Gericht übersandte Kindergeldakte der Familienkasse Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Familienkasse hat zu Recht Kindergeld gegenüber dem Kläger für seine Tochter M (nur) in gesetzlicher Höhe von 190 € monatlich festgesetzt. Denn M ist sein erstes Kind, nicht sein drittes.
1. Die Gesetzeslage ist klar. Bei der Kindergeldgewährung berücksichtigt werden Kinder als „Zahlkinder”, wenn der Betroffene vorrangig Berechtigter i. S. d. § 64 EStG ist, oder (ggf. betragserhöhend) als „Zählkinder”, wenn der Betroffene nur nachrangig Berechtigter ist oder gemäß § 65 Abs. 1 EStG für sie kein Kindergeld erhält (vgl. näher Felix in Kirchhof/ Söhn/ Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 66 Rn. A 3).
Voraussetzung ist dabei stets die grundsätzliche Berücksichtigungsfähigkeit des Kindes nach § 63 Abs. 1 Satz 1. Die Vorschrift beinhaltet Kinder im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, nämlich leibliche Kinder bzw. Adoptivkinder (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG) oder Pflegekinder (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG), und Stiefkinder im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (zum Begriff des Stiefkinds vgl. ausführlich Felix, a. a. O., § 66 Rn. B 4).
Im Streitfall sind die beiden Kinder der Lebensgefährtin des Klägers bei ihm offensichtli...