Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Vortrag von Wiedereinsetzungsgründen bei einem nicht angekommenen Einspruchsschreiben
Leitsatz (amtlich)
Sämtliche entscheidungserheblichen Tatsachen zur Begründung mangelnden Verschuldens für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind dem Grunde nach in Form einer substantiierten, schlüssigen und widerspruchsfreien Darstellung innerhalb der Frist des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO und aus eigener Initiative vorzutragen.
Die Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Absendung eines beim Finanzamt nicht angekommenen Einspruchsschreibens hat bereits im Antrag, und damit ebenfalls innerhalb der Antragsfrist, durch Vorlage präsenter objektiver Beweismittel, hilfsweise durch eidesstattliche Versicherung der versendenden Person in der dargestellten substantiierten Form zu erfolgen.
Die zum Ausschluss eines Organisationsverschuldens gebotene umfassende Darstellung der allgemeinen Fristenkontrolle und Überwachung eines geschäftsmäßigen Vertreters ist nicht schon durch Vorlage einer Büroanweisung, nach welcher fristwahrende Schriftstücke generell vorab per Fax an den Empfänger zu versenden sind, erbracht.
Eine Glaubhaftmachung behaupteter Geschehensabläufe durch erstmals im Klageverfahren angebotenen Zeugenbeweis ist nicht mehr möglich. Dies gilt insbesondere, wenn erst dadurch der erforderliche Vortrag nachgeschoben würde.
Normenkette
AO § 110 Abs. 1, 2 Sätze 1-2
Tatbestand
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin (-Kl-) nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich eines Einspruchs gegen einen Lohnsteuernachforderungsbescheid die Änderung desselben durch Herabsetzung des Nachforderungsbetrages.
Die Kl. betreibt einen gastronomischen Betrieb, in dem sie u.a. Aushilfskräfte als Arbeitnehmer beschäftigt. Die steuerliche Beratung erfolgte in dem hier relevanten Zeitraum durch die A Treuhandgesellschaft. Zuständig für die Betreuung der Kl. waren der Steuerberater B und die Steuerfachangestellte M. Das Mandat wurde nach Mitteilung der jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 31.01.2005, die nach eigenen Angaben aus der genannten Gesellschaft hervorgegangen ist, übernommen. Sowohl der Steuerberater B als auch die Mitarbeiterin M sind weiterhin bei der jetzigen Prozessbevollmächtigten tätig.
Anlässlich einer für den Zeitraum 01.04.2000 bis 31.03.2002 durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung ergab sich, dass die Kl. im Prüfungszeitraum 2001 und 2002 für einige Arbeitnehmer die gezahlten Aushilfslöhne steuerfrei belassen hatte, obwohl für diese keine Freistellungsbescheinigungen vorlagen. Eine pauschale Nachversteuerung gemäß § 40a Einkommensteuergesetz (-EStG-) wurde angekündigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 12.11.2002 verwiesen. Am 06.12.2002 gab der Bekl. einen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer zur Post, mit dem ein Gesamtnachforderungsbetrag in Höhe von EUR 1.689,92 festgesetzt wurde. Der Bescheid wurde den seinerzeitigen Bevollmächtigten bekannt gegeben.
Mit am selben Tag bei dem Bekl. eingegangenem Schreiben vom 24.06.2003 reichte die Bevollmächtigte der Kl. "zur Begründung unseres Einspruchs vom 06.01.2003" Freistellungsbescheinigungen und Lohnsteuerkarten für den überwiegenden Teil der im Bericht genannten Aushilfen ein und begehrte Erstattung der durch die Prüfung zu viel festgesetzten Lohnsteuer in Höhe von EUR 1.494,95.
Die Lohnsteuerstelle des Bekl. wies das Büro der Bevollmächtigten (Frau M) durch Telefonat vom 04.07.2003 darauf hin, dass der Einspruch vom 06.01.2003 weder dort, noch in der anderen in Betracht kommenden Veranlagungsdienststelle vorliege. Zugleich wurde auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit entsprechender Begründung, Nachweisen und Glaubhaftmachung hingewiesen.
Mit am selben Tag eingegangenem Schreiben vom 14.07.2003 beantragte die Bevollmächtigte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trug sie vor : "Wir hatten für unsere Mandantin fristgerecht am 06 Januar 2003 Einspruch auf dem Postweg eingereicht. ... Es ist für uns nicht erklärlich, aus welchen Gründen der Einspruch Sie nicht erreicht hat." Auf eine als Anlage übersandte Kopie des genannten Einspruchsschreibens wurde verwiesen. Die Kopie lag indes nicht bei. Sie wurde mit Telefax vom 16.07.2003 nachgesandt. Weiter übersandte die Bevollmächtigte - ebenfalls per Fax - am 30.07.2003 die Kopie eines nach Datum, Empfänger, Betreff und Porto unterteilten Blattes, in dem sich u.a. eine Zeile mit den Eintragungen "06.01.03 - FA ..., Hamburg - Antrag Gew.-St.-VZ ab I.Qu. 2003 auf 0 festsetzen ... (K)" befand. Mit der Bezeichnung "... (K)" ist die Kl. gemeint.
Ausweislich eines Aktenvermerks des zuständigen Mitarbeiters der Bekl. erklärte eine Sachbearbeiterin der Bevollmächtigten hierzu - offenbar telefonisch - ergänzend, der Einspruch vom 06.01.2003 sei in den Umschlag mit dem 2. Schreiben, betreffend die Gewerbesteuervorauszahlungen, gelegt und abge...