Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung eines verrechenbaren Ausgleichsanspruchs bei der sog. „Günstigerprüfung“ nach § 31 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Ein Elternteil, dem Kindergeld nicht ausgezahlt wird, hat auch dann einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch, wenn sich die Eltern Betreuungs- und Barunterhaltsleistungen teilen. Auch in diesem Fall ist der Ausgleichsanspruch nach § 31 S. 5 EStG zu verrechnen.
Normenkette
EStG § 31 S. 4, § 31 Abs. 5; BGB § 1612
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Durchführung der sog. "Günstigerprüfung" nach § 31 EStG wenn ein verrechenbarer Ausgleichsanspruch für Kindergeld besteht.
Der Kläger, der mit seiner zweiten Ehefrau zusammenveranlagt wird, bezog als Lehrer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Von seiner ersten Ehefrau war er im Jahr 1999 geschieden worden. Aus dieser Ehe ist die im Jahr 1992 geborene Tochter A hervorgegangen. Im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren wurde das Sorgerecht beiden Elternteilen gemeinsam übertragen. Hinsichtlich der Betreuung des Kindes haben sie eine Vereinbarung dahingehend getroffen, dass das Kind tageweise abwechselnd bei dem Kläger oder seiner Mutter wohnt und die Urlaubszeit weitgehend mit dem Kläger verbringt. Gegenüber seiner ersten Ehefrau ist der Kläger nicht unterhaltsverpflichtet. Den Unterhalt der Tochter teilen sie sich in der Weise, dass jeder Elternteil die während der Anwesenheit des Kindes anfallenden Ausgaben tätigt, genauere Absprachen wurden insoweit nicht getroffen. Der finanzielle Aufwand des Klägers überwiegt jedoch, da er ein höheres Einkommen als seine erste Ehefrau hat und deshalb weitgehend Kosten für die Freizeitaktivitäten des Kindes begleicht und die Urlaube finanziert. Das Kindergeld für die Tochter wurde auch im Streitjahr allein der Mutter ausgezahlt, die dafür in früheren Jahren die Kosten des Kinderhortes zu tragen hatte.
Mit Bescheid vom 01.06.2001 veranlagte der Beklagte den Kläger mit dessen zweiter Ehefrau zur Einkommensteuer 2000, indem er bei einem zu versteuernden Einkommen von ... DM die Einkommensteuer nach der Splittingtabelle auf ... DM festsetzte. Hierbei setzte er keinen Kinderfreibetrag an mit der Begründung, die Günstigerprüfung habe ergeben, dass die gebotene Steuerfreistellung des Existenzminimums seines Kindes durch das ausgezahlte Kindergeld bzw. vergleichbare Leistungen bewirkt worden sei.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 09.06./12.06.2001 Einspruch ein mit der Begründung, dass der Kinderfreibetrag zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei, da er tatsächlich kein Kindergeld erhalten habe. Nachdem der Beklagte den Kläger darauf hingewiesen hatte, dass es nicht von Bedeutung sei, ob der Kläger das Kindergeld tatsächlich erhalten habe oder ihm dies lediglich im Wege eines zivilrechtlichen Ausgleichs zugestanden hätte, wies er mit Einspruchsentscheidung vom 04.07.2001 den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung bezog er sich auf das mit der Einspruchsentscheidung übersandte BMF-Schreiben vom 09.03.1998 zu Regelungen des Familienlastenausgleichs (IV B 5 - S-2280-45/98) und den Gesetzestext des §1612b BGB.
Mit seiner am 06.08.2001 erhobenen Klage begehrt der Kläger weiterhin die Berücksichtigung des Kinderfreibetrages. Dass seine minderjährige Tochter von ihm unterstützt werde, fände bei alleinerziehenden Frauen Berücksichtigung, nicht aber bei ihm als Mann. Das verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz und das europarechtliche Diskriminierungsverbot.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 1.6.2001 unter Aufhebung der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 4.7.2001 dahingehend zu ändern, dass bei der Veranlagung der Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigt wird.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er wendet ein, dass nach § 31 EStG die Freistellung des Existenzminimums eines Kindes durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch das Kindergeld bewirkt werde. Dabei sei nach § 31 S. 5 EStG auch das Kindergeld zu berücksichtigen, das zwar nicht ausbezahlt werde, das dem Steuerpflichtigen aber im Rahmen eines zivilrechtlichen Ausgleichs zustehe. In dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid sei zu Recht ein dem Kläger zustehender zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch hinsichtlich des Kindergeldes in Höhe von 1.620 DM im Rahmen der Günstigerprüfung nach § 31 EStG berücksichtigt worden. Die Voraussetzungen für eine Übertragung des Kinderfreibetrages nach § 32b Abs. 6 S. 7 EStG lägen im Streitfall nicht vor. Die angewandten Bestimmungen seien im Übrigen auf Eltern, die die Voraussetzungen der Zusammenveranlagung nicht erfüllten, unabhängig von deren Geschlecht anwendbar, so dass ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz oder das Diskriminierungsverbot nicht zu erkennen sei.
Dem Gericht haben die Rechtsbehelfsakten nebst Einkommensteuerunterlagen für das Jahr 2000 (St.-Nr.: 54/020/61504) vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet mit ...