Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VI B 4/23)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer: Erste Tätigkeitsstätte bei fliegendem Personal
Leitsatz (amtlich)
1. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören.
2. Werden die nach den OM-A geregelten Briefinggespräche im Regelfall im Gebäude des Arbeitgebers am Flughafen durchgeführt, zu dem der Steuerpflichtige durch seinen Arbeitsvertrag zugewiesen wurde, ist dies ausreichend, um am Flughafen eine erste Tätigkeitsstätte zu begründen, denn bei diesen Briefinggesprächen müssen bereits die wesentlichen Entscheidungen getroffen werden, z.B. über die Betankung des Flugzeugs und die Flugroute.
Normenkette
FGO §§ 74, 155; EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nrn. 4, 4a, 5a, Abs. 4, 4a
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen aus Fahrten von der Wohnung zum Flughafen A und Verpflegungsmehraufwand sowie Übernachtungskosten im Zusammenhang mit diesen Fahrten im Rahmen des Werbungskostenabzugs nach Dienstreisegrundsätzen zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind Ehegatten und wurden für die Streitjahre zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als angestellter Pilot bei der B. Die Ehefrau erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als angestellte Flugbegleiterin (in der ersten Klasse) bei der B. Beide Kläger sind ganz überwiegend auf Langstrecken tätig.
Die Kläger sind in C in Österreich wohnhaft. Nach dem Arbeitsvertrag des Klägers vom ... 2008 ist der Kläger in A beschäftigt und zunächst der Flotte ... zugeordnet. Die B kann den Kläger auf einem anderen Flugzeugmuster oder an einem anderen Ort beschäftigen. Nach dem Arbeitsvertrag der Klägerin vom ... 1986 war diese zunächst dem Beschäftigungsort D zugewiesen. Auf einen Antrag der Klägerin wurde sie im Rahmen einer Partnerzusammenführung mit Schreiben vom 24. Juni 2008 mit Wirkung zum 1. November 2008 zur "... in die Gruppe ..." versetzt.
Für das Jahr 2014 reichten die Kläger Dienstplanauswertungen ein. Danach fuhr der Kläger in 2014 an 98 Tagen zur Homebase und hatte 166 Arbeitstage. Die Klägerin fuhr an 73 Tagen zur Homebase, sie hatte 126 Arbeitstage. Für die anderen Jahre wurden keine Dienstplanauswertungen vorgelegt. Die Kläger fuhren überwiegend mit ihren eigenen Pkw zu ihren Diensteinsätzen.
Im Einkommensteuerbescheid 2014 vom 31. August 2015 berücksichtigte der Beklagte die Fahrten von der Wohnung zum Flughafen A lediglich mit der Entfernungspauschale.
Am 24. September 2015 legten die Kläger Einspruch ein. In ihrer Einspruchsbegründung vertraten sie die Rechtsauffassung, dass, sie, die Kläger, keine erste Tätigkeitsstätte im Sinne von§ 9 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) besäßen. Sie argumentierten sinngemäß, dass die erste Tätigkeitsstätte eine ortsfeste betriebliche Einrichtung darstellen müsse. Flugzeuge wären nicht ortsfest, sodass sie nicht unter diesen Begriff fallen würden. Ferner habe auch der Personaldienst der B keine erste Tätigkeitsstätte definiert. Darüber hinaus erfolge der Einsatz stets in unterschiedlichen Fluggeräten. Die Zuordnung durch den Arbeitgeber sei unerheblich. Weiter sei ein Einsatz - entweder typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit - am Ort der ersten Tätigkeitsstätte erforderlich. Ein solcher Einsatz sei nicht gegeben. Hieraus folgerten die Kläger, dass sie außerhalb ihrer Wohnung stets auswärts tätig seien.
Unter Verweis auf ein beim Finanzgericht Hamburg unter dem Aktenzeichen 6 K 20/16 anhängiges Klageverfahren stellte der Beklagte mit Schreiben vom 24. Februar 2016 das Einspruchsverfahren gemäߧ 363 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens ruhend.
Mit E-Mail vom 22. März 2017 legten die Kläger Einspruch gegen ihren Einkommensteuerbescheid 2015 vom 24. Februar 2017 ein, mit E-Mail vom 3. Mai 2018 gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 4. April 2018, am 30. April 2019 gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 vom 3. April 2019. Über ELSTER legten die Kläger sodann am 15. Juni 2020 Einspruch gegen ihren Einkommensteuerbescheid 2018 vom 7. Mai 2020 ein.
Der Beklagte wendete sich mit Schreiben vom 22. Mai 2020 an die Kläger und teilte ihnen mit, dass die anhängigen Klageverfahren vor dem BFH unter den Aktenzeichen VI R 40/16 und VI R 17/17, welche zum Ruhen des Einspruchsverfahrens der Kläger führten, nunmehr rechtskräftig seien. Die strittige Rechtsfrage sei dahingehend geklärt worden, dass der Ansatz der Aufwendungen für Fahrten von Flugpersonal von und zu ihrem Heimatflughafen nach Maßgabe der Entfernungspauschale als Werbungskosten zu erfolgen habe.
Mit E-Mail vom 21. Dezember 2020 legten die Kläger Einspruch gegen den Einkommensteuerbesche...