Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der Steuerbefreiung von durch privaten Schwimmunterricht erzielten Umsätze
Leitsatz (redaktionell)
1. Gem. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der RL 2006/112/EG sind die durch den von Privatlehrern erteilten Schulunterricht erzielten Umsätze steuerbefreit. Soweit Befreiungen nicht hinreichend in innerstaatliches Recht umgesetzt worden sind, kann sich der Steuerpflichtige unmittelbar auf die gemeinschaftsrechtliche Steuerbefreiung beziehen.
2. Für die Annahme eines "Schul- oder Hochschulunterrichts" i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j der RL 77/388/EWG ist entscheidend, ob vergleichbare Leistungen in Schulen erbracht werden.
Normenkette
RL 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i, j; UStG § 4 Nr. 22; RL 2006/112/EG Art. 132 Abs. 1 Buchst. j
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Umsätze des Antragstellers steuerfrei sind.
Der Antragsteller betreibt eine Schwimmschule im „K” in R. Über die Nutzung des „K” hat er mit der Stadt R einen Vertrag abgeschlossen. Er bietet Schwimmunterricht durch folgende „Kurse”, die er auf eigene Rechnung und Verantwortung erteilt, an:
- Babyschwimmen
- Schwimmkurse für Kinder ab 4 Jahren
- Intensiv-Schwimmkurse für Kinder ab 5 Jahren
- Schwimmkurse (Fortgeschrittene) für Kinder
- Schwimmclub (Fortgeschrittene) für Kinder und Jugendliche
- Schwimmkurse für Erwachsene
- Aqua Fitness (Wassergymnastik)
Die Vergütung für seine Tätigkeit erhält der Antragsteller von den Kursteilnehmern. Mit diesen bestehen entsprechende Vertragsverhältnisse. Der Antragsteller hatte im Streitjahr keine Angestellten (vgl. die dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 19.01.2010 in dem Verfahren 4 K 4190/09 als Anlage beigefügte Gewinnermittlung). Mit Ausnahme der Kurse für Aqua Fitness erbrachte der Antragsteller alle Leistungen in eigener Person (keine Fremdleistungen).
In der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 1. Quartal 2008 erklärte der Antragsteller umsatzsteuerpflichtige Umsätze von 3.003,00 EUR, steuerfreie Umsätze von 25.099,00 EUR sowie abzugsfähige Vorsteuer i. H. v. 54,10 EUR.
Im Rahmen einer bei dem Antragsteller für die Jahre 2006 und 2007 sowie für das 1. Quartal 2008 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat das Finanzamt (FA) die Ansicht, dass alle vom Antragsteller erzielten Erlöse abweichend von seinen Erklärungen als steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz anzusehen seien.
Unter Auswertung dieses Berichts wurde die Umsatzsteuer-Vorauszahlung I/2008 mit Bescheid vom 03.09.2008 auf 3.060,66 EUR festgesetzt.
Im Rahmen des hiergegen gerichteten Einspruchs vertrat der Antragsteller die Ansicht, die Erlöse aus den Schwimmkursen seien nach § 4 Nr. 21a Buchst. bb UStG i. V. m. Art. 132 Abs. 1, Buchst. h, i und j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Richtlinie 2006/112/EG) als steuerfreie Umsätze zu behandeln. Diese Kurse, die in Unterrichtsform und damit in belehrender Art erbracht würden, seien auch als Erziehung und Betreuung von Kindern anzusehen. Sie seien vergleichbar mit dem Schwimmunterricht in öffentlichen Schulen. Es handele sich nicht um bloße Freizeitgestaltung. Bei der Bezirksregierung in H sei die Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 UStG beantragt worden.
Da der Antragsteller die von ihm angekündigte Bescheinigung nicht vorlegte, fragte der zuständige Sachbearbeiter des FA bei der Bezirksregierung (Dezernat …) in H an, ob eine derartige Anfrage des Antragstellers vorliege. Dies wurde von Seiten der Bezirksregierung verneint.
Das FA wies daraufhin den Einspruch als unbegründet zurück.
Zur Begründung führte es in der Einspruchsentscheidung u. a. aus, die Erlöse des Antragstellers unterlägen dem Regelsteuersatz. Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG könne nicht gewährt werden.
Die freiberuflich betriebene Schwimmschule des Antragstellers gehöre weder zu den Ersatzschulen i. S. d. § 4 Nr. 21a UStG noch zu den anderen allgemein bildenden oder berufsbildenden Einrichtungen i. S. d. § 4 Nr. 21b UStG. Der Antragsteller habe eine von der zuständigen Landesbehörde (Bezirksregierung in H) ausgestellte Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 UStG, nach der seine Schwimmschule auf einen Beruf oder eine von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereite, nicht vorgelegt.
Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller Klage erhoben, welche bei Gericht unter dem Az. 4 K 4190/09 anhängig ist.
Gleichzeitig mit Erhebung der Klage hat der Antragsteller mit Schreiben vom 23.12.2009 beim Antragsgegner beantragt, die Vollziehung des Bescheides über die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 1. Quartal 2008 auszusetzen. Diesen Antrag hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 14.01.2010 abgelehnt und den Antragsteller aufgefordert, den rückständigen Betrag von 2.544,02 EUR bis zum 05.02.2010 zu entrichten.
Am 23.12.2009 hat das FA den Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2008 erlassen. In diesem berücksichtigte es Umsätze zum allgemeinen Steuersatz i. H. v. 100.941,00 EUR, wovon auf Lieferungen und Leistungen 95.54...