Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer. Einheitliches Vertragswerk. Nachträgliches Bekanntwerden des Sanierungsvertrags. Anlaufhemmung der Festetzungsfrist bei Nichterfüllung der Anzeigepflichten
Leitsatz (redaktionell)
Schließen Erwerber und Veräußerer eines Grundstücks neben dem Grundstückskaufvertrag auch einen Sanierungsvertrag, der mit dem Kaufvertrag ein einheitliches Vertragswerk bildet, und zeigen weder die Beteiligten, noch der beurkundende Notar den Bauvertrag gegenüber dem Finanzamt an, so ist das Finanzamt zur Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides berechtigt, wenn es nachträglich von dem Bauvertrag Kenntnis erhält. Der Beginn der Festsetzungsfrist ist wegen des pflichtwidrigen Unterlassens der Anzeige nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt.
Normenkette
AO 1977 § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 173 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG 1997 § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 2 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert beträgt 28.632,35 EUR.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich dagegen, dass der Beklagte durch einen Änderungsbescheid die Grunderwerbsteuer erhöht hat.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 22. Juli 1997 (Urkundenrolle-Nr.) erwarb der Kläger von der GmbH i. G., vertreten durch seinen Bruder, das bebaute Grundstück. Der Kaufpreis betrug 300.000,00 DM.
Am selben Tage schlossen die GmbH und der Kläger einen weiteren notariellen Vertrag (Urkundenrolle-Nr. des genannten Notars). In dem Vertrag heißt es
§ 1 Vorbemerkung
Der Auftraggeber hat mit Kaufvertrag vom heutigen Tage die im Wohnungsgrundbuch des bezeichnete Immobilie erworben.
§ 2 Renovierung
Der Auftragnehmer verpflichtet sich, das aufstehende Gebäude entsprechend der anliegenden Baubeschreibung durch Beauftragung von geeigneten Handwerksunternehmen zu renovieren.
Der Auftraggeber verpflichtet sich, dem Auftragnehmer für Renovierung und deren Beaufsichtigung einen Betrag i. H. v. 1.600.000,00 DM zu zahlen. …
Der Notar zeigte am 30. Juli 1997 dem Beklagten nur den Kaufvertrag an.
Mit Bescheid vom 10. September 1997 setzte der Beklagte die Grunderwerbsteuer aus einer Bemessungsgrundlage von 300.000,00 DM auf 10.500,00 DM fest.
Durch eine Kontrollmitteilung vom 10. Dezember 2002 wurde dem Beklagten der Werkvertrag bekannt.
Nunmehr setzte er mit Bescheid vom 23. Dezember 2002 die Grunderwerbsteuer aus einer Bemessungsgrundlage von 1.900.000,00 DM auf 66.500,00 DM fest.
Der Kläger erhob dagegen am 16. Januar 2003 Einspruch. Er machte Festsetzungsverjährung geltend.
Der Beklagte wies den Rechtsbehelf durch Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 2003, einem Mittwoch, zurück.
Der Kläger hat am 01. Juli 2003 Klage erhoben. Er macht weiterhin geltend, die 4-jährige Festsetzungsfrist sei mit dem 31. Dezember 2001 abgelaufen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erstmals vorgetragen, die beiden Verträge vom 22. Juli 1997 bildeten keine Einheit.
Der Kläger beantragt,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 23. Dezember 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 2003 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.
Die Grunderwerbsteuerakte liegt dem Senat vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –.
Der Beklagte war gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung – AO – befugt, die Festsetzung zu ändern, nachdem ihm nachträglich der Werkvertrag vom 22. Juli 1997 bekannt geworden war.
Der Kläger beruft sich darauf, dass nach § 169 AO die Änderung einer Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig ist, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Er ist der Ansicht, die 4jährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO habe nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres der Steuerentstehung, also des Jahres 1997, begonnen. Das ist unrichtig.
Denn hiervon abweichend beginnt gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO die Festsetzungsfrist, wenn eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach dem Kalenderjahr der Steuerentstehung. Diese Vorschrift ist hier einschlägig.
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz – GrEStG – hatte der Notar dem Beklagten auch den Werkvertrag anzuzeigen. Denn er hatte einen Rechtsvorgang beurkundet, der ein Grundstück im Geltungsbereich des Gesetzes betraf.
Gemäß § 13 Nr. 1 GrEStG wurden die GmbH als Veräußerer und der Kläger als Erwerber Steuerschuldner der Grunderwerbsteuer. Als solche waren sie aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG verpflichtet, jede Erhöhung der Gegenleistung des Erwerbers durch Gewährung von zusätzlichen Leistungen neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung anzuzeigen.
Keine der dazu verpflichteten Personen hat den Werkvertrag angezeigt. Somit begann nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO die 4...