rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Stromableserin ist Arbeitnehmerin

 

Leitsatz (redaktionell)

Vergütungen einer Ortsbevollmächtigten eines Stromversorgungsunternehmens (E-Werk), die aufgrund eines Werkvertrags zum Jahresende die Zähler aller Kunden des E-Werks und während des Jahres die Zähler nur in Sonderfällen (z.B. bei Umzügen) abliest, ansonsten während des Jahres die Rechnungen, die sonstigen Briefe, Werbe- und Informationszeitungen an die Kunden des E-Werks verteilt, stellen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar. Eine Vertragsklausel, dass die Stromableserin nicht persönlich tätig werden muss, spricht zwar für eine selbständige Tätigkeit. Dieser Klausel ist indes keine gewichtige Bedeutung beizumessen, wenn aufgrund der niederen Vergütung durch das E-Werk die Beschäftigung von dritten Personen gegen Entgelt durch die Ortsbevollmächtigte kaum denkbar ist.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1; LStDV § 1

 

Tenor

1. Unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids 1999 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom wird die Einkommensteuer auf X EUR herabgesetzt.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger sind Ehegatten, die im Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die ansonsten nicht beruflich tätige Klägerin erhielt Vergütungen für eine Tätigkeit als „Ortsbevollmächtigte” eines Stromversorgungsunternehmens (nachfolgend E-Werk genannt). Den Vergütungen lag ein am geschlossener Vertrag zugrunde. Nach dem Vertragstext wurde ein Werkvertrag geschlossen. Die Klägerin war verpflichtet, in der Ortschaft K die Zählerablesungen vorzunehmen, die Zählerabstände in die überlassenen Ableselisten einzutragen und das E-Werk weiterzuleiten. Außerdem verpflichtete sich die Klägerin, Nebenarbeiten (Verteilung von Rechnungen; Verteilung von Informationsschreiben) zu übernehmen. Die E-Werke hatten das Recht, die Zeiträume, innerhalb derer die Leistungen zu erbringen waren, zu benennen. Innerhalb dieser Zeiträume war die Klägerin in ihrer Zeiteinteilung völlig frei. Ihr war es ferner ausdrücklich gestattet, Dritte mit der Erbringung der Leistung zu beauftragen.

Im Streitjahr las die Klägerin zum Jahresende die Zähler aller Kunden des E-Werks ab. Ansonsten bestand die Tätigkeit der Klägerin während des Jahres im Wesentlichen in der Verteilung der Rechnungen am Jahresanfang und danach in der Verteilung sonstiger Briefe an die Kunden des E-Werks. Ferner verteilte die Klägerin Werbe- oder Informationszeitungen. Stromzähler mussten während des Jahres nur in Sonderfällen, z.B. bei Umzügen, abgelesen werden (79 Zählerablesungen). Gemäß sechs Abrechnungen erhielt die Klägerin folgende Vergütung in Höhe von insgesamt 2.535,60 DM:

Abrechnungsdatum

Grundvergütung

Rechnungen Briefe

Zeitungen

Zählerablesungen

Porto

01.02.1999

135,00 DM

232,20 DM

45,50 DM

0,00 DM

9,00 DM

01.04.1999

134,40 DM

0,00 DM

0,00 DM

49,60 DM

4,10 DM

01.06.1999

135,30 DM

132,60 DM

45,50 DM

32,00 DM

5,00 DM

01.08.1999

135,30 DM

0,00 DM

45,50 DM

28,80 DM

5,20 DM

01.10.1999

135,30 DM

214,80 DM

45,50 DM

16,00 DM

3,00 DM

01.12.1999

135,90 DM

0,00 DM

45,50 DM

761,60 DM

3,00 DM

Summe

811,20 DM

579,60 DM

227,50 DM

888,00 DM

29,30 DM

Summe

807,10 DM

Die Klägerin erklärte die Vergütungen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Beklagte, das Finanzamt (FA), folgte dieser Rechtsansicht nicht und erfasste die Vergütung im Einkommensteuerbescheid 1999 vom als Einkünfte aus Leistungen nach § 22 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom).

Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kläger machen weiter geltend, dass Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorliegen und deshalb der Werbungskostenpauschbetrag von 2.000 DM abzuziehen sei.

Die Kläger beantragen,

die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung 1999 dahin gehend abzuändern, dass von der Vergütung als „Ortsbevollmächtigte” der Werbungskostenpauschbetrag von 2.000 DM abgezogen wird.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist begründet.

1. Nach § 22 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie nicht zu Einkünften aus einer anderen Einkunftsart gehören. Im Streitfall hat die Klägerin aber keine sonstigen Einkünfte bezogen, da sie als Arbeitnehmerin nichtselbständig tätig war (§ 19 EStG).

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH; umfassende Rechtsprechungsnachweise s. Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 19 EStG, Anm. 53) beschreibt § 1 Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV) zutreffend die Merkmale, die für die Entscheidung maßgeblich sind, ob Arbeit nichtselbständig, also von einem Arbeitneh...

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