rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anwendung von § 8b Abs. 5 KStG 2003 auf Beteiligungen an Kapitalgesellschaften mit Sitz außerhalb der EU bzw. des EWR. subsidiärer Rückgriff auf § 3c EStG. Begriff des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs i. S. v. § 3c Abs.1 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Anwendung der Schachtelstrafe nach § 8b Abs. 5 KStG setzt keine Mindestbeteiligung voraus, so dass die Kapitalverkehrsfreiheit Anwendung findet, ohne dass es auf die tatsächliche Beteiligungshöhe ankommt.
2. Die Anwendung der Schachtelstrafe verstößt gegen primäres Gemeinschaftsrecht, und zwar nicht nur, soweit Dividendenerträge von Tochtergesellschaften in EU-Ländern, sondern auch, soweit solche von Tochtergesellschaften in Drittländern betroffen sind.
3. Bei Nichtanwendbarkeit des § 8b Abs. 5 KStG kann subsidiär auf § 3c EStG zurückgegriffen werden.
4. Für einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen steuerfreien Einnahmen und Aufwendungen i. S. d. § 3c EStG ist zu fordern, dass die Einnahmen und die Aufwendungen durch dasselbe Ereignis veranlasst sind. Dies erfordert eine klar abgrenzbare Beziehung zwischen diesen Tatbestandsmerkmalen im Sinne einer unlösbaren wirtschaftlichen Verbindung, somit eine Verknüpfung ohne das Dazwischentreten anderer, die zudem konkret feststellbar sein muss. Ein für die Anwendung des § 3c EStG nicht ausreichender, lediglich mittelbarer Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen besteht daher u.a., wenn Ausgaben auch und nicht aufteilbar im Zusammenhang mit nicht steuerfreien Einnahmen stehen.
Normenkette
EStG § 3c; KStG § 8b Abs. 5; AEUV Art. 63
Tenor
1. Der Körperschaftsteuerbescheid 2003 und der Gewerbesteuermessbescheid 2003, jeweils vom 12.11.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.12.2013 sind dahin zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen und der der Berechnung des Gewerbesteuermessbetrags zugrunde zu legende Gewinn um 1.417.547 EUR vermindert werden. Die Berechnung der steuerlichen Auswirkungen im Einzelnen wird nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Finanzamt übertragen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 17 % und der Beklagte zu 83 %.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft (AG) mit Sitz in …. Im Streitjahr 2003 erzielte sie Erträge aus Beteiligungen i.H.v. 42.848.986 EUR, welche aus Dividendenerträgen ausländischer Tochtergesellschaften stammten. Im Rahmen des Körperschaftsteuerbescheids 2003 und Gewerbesteuermessbescheid 2003 vom 02.11.2004 wurden diese Dividendenerträge gemäß § 8b Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) nach Abzug von 5 % nicht abziehbarer Ausgaben (§ 8b Abs. 5 KStG), somit i.H.v. 40.706.537 EUR, vom Steuerbilanzgewinn i.H.v. 47.789.448 EUR neben anderen nicht abziehbaren Aufwendungen abgezogen. Der Beteiligungsertrag i.H.v. 42.848.986 EUR setzt sich i.H.v. 10.750.032 EUR aus Beteiligungserträgen aus EU/EWR-Mitgliedsländern und i.H.v. 32.098.954,73 EUR aus Beteiligungserträgen aus Drittstaaten zusammen. Sämtliche Beteiligungserträge stammen aus 100 %-igen Tochtergesellschaften der Klägerin. Am 12.11.2008 ergingen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderte Steuerbescheide 2003. Dabei blieb der nach § 8b Abs. 5 KStG berücksichtigte Betrag von 40.706.537 EUR unverändert.
Gegen die Bescheide erhob die Klägerin Einspruch und wandte sich gegen die Hinzurechnung der pauschalierten Betriebsausgaben i.H.v. 5 % der Beteiligungserträge nach § 8b Abs. 5 KStG. Der Einspruch hatte insoweit Erfolg, als das Finanzamt die Hinzurechnung nach § 8b Abs. 5 KStG auf die Beteiligungserträge von Gesellschaften mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung außerhalb der EU/EWR beschränkte. Bei den Beteiligungserträgen aus EU/EWR-Staaten nahm das Finanzamt statt einer Hinzurechnung von pauschalen Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG die Hinzurechnung der tatsächlich auf diese Beteiligungserträge entfallenden Aufwendungen nach § 3c Einkommensteuergesetz (EStG) vor, welche nach Auskunft der Klägerin (Schreiben vom 16.10.2013) 103.850,02 EUR betrugen. Im Übrigen blieb der Einspruch ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 04.12.2013).
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, die Hinzurechnung von pauschalen Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG dürfe auch für Dividenden aus in Drittstaaten ansässigen Gesellschaften nicht angewendet werden, da insoweit ein Verstoß gegen die – auch im Verhältnis zu in Drittstaaten ansässigen Gesellschaften anwendbare – Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) – vorliege. Dies habe der Bundesfinanzhof (BFH) bereits in den Urteilen vom 09.08.2006 I R 95/05, Bundessteuerblatt BStBl – II 2007, 279 und vom 26.11.2008 I R 7/08, BFH/NV 2009, 849 entschieden. Der europäische Gerichtshof (EuGH) habe zuletzt im Urteil vom 11.09.2014 C-47/12 IStR 2014, 724 in der Rechtssache „Kronos International” bestätigt, dass die Berufung auf Art. 63 AEUV unabhängig...