Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerfreiheit eines Ballettstudios. Umsatzsteuer 1995, 1996, 1997, 1998
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Ballettstudio ist keine allgemeinbildende Schule oder Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG. Es handelt sich auch nicht um eine berufsbildende Schule oder Einrichtung, selbst wenn sich Schüler durch die angebotenen Kurse auf eine bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (staatliche Musikhochschule) abzulegende Aufnahmeprüfung vorbereiten.
2. Das Verständnis, dass ein privates Ballettstudio nicht der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG unterfällt, verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht.
Normenkette
UStG 1993 § 4 Nr. 21 Buchst. b; EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 5, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Umsätze der Klägerin steuerfrei sind.
Die Klägerin betreibt ein Ballett- und Tanzstudio (folgend Ballettstudio), für das sie in den Umsatzsteuererklärungen 1995 bis 1997 zunächst steuerbare und steuerpflichtige Umsätze erklärte. Das Finanzamt (FA) setzte darauf hin die Umsatzsteuer erklärungsgemäß mit den Bescheiden vom 12. Dezember 1996 (1995) und 23. Juni 1998 (1996) fest. Für 1995 hob das FA im Änderungsbescheid vom 13. Januar 1999 den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Mit Schreiben vom 19. Oktober 1999 legte die Klägerin eine Bescheinigung der Regierung von Niederbayern vom 6. Oktober 1999 vor, worin bescheinigt wird, dass die Klägerin ordnungsgemäß Kenntnisse und Fertigkeiten für einen späteren Beruf vermittelt bzw. auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet.
Gleichzeitig beantragte die Klägerin, ihre in den Streitjahren 1995 bis 1998 erklärten Umsätze als steuerfrei zu behandeln. Hierzu legte sie am 10. Dezember 1999 berichtigte bzw. erstmalige (für 1998) Steuererklärungen vor (Bl. 21 ff USt-A 1997), in denen die Umsätze als steuerfrei ausgewiesen wurden.
Aufgrund einer bei der Klägerin vom 24. Januar bis 25. Februar 2000 durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung kam das FA zu dem Ergebnis, dass bei durchschnittlich zwei von hundert 2 Ballettschülern die Aufnahmeprüfung an der staatlichen Musikhochschule abgelegt und eine weitere Berufsausbildung angestrebt werde. Das FA ging daher von einem berufsausbildenden Anteil der Ballettschüler von 2% aus und behandelte 2% der Gesamtumsätze als steuerfrei und erließ am 7. April 2000 für die Streitjahre geänderte Umsatzsteuerbescheide.
Hiergegen legte die Klägerin am 9. Mai 2000 Einspruch ein, den sie u.a. damit begründete, dass sie Ballettunterricht gebe und nicht allgemeine Standardtänze unterrichte, die zur bloßen Freizeitgestaltung ausgeübt würden. Im Laufe des Einspruchsverfahrens legte die Klägerin berichtigte Umsatzsteuerjahreserklärungen und eine Bescheinigung der Regierung von Niederbayern vom 8. Februar 2001 vor, wonach bestätigt wird, dass die der Klägerin am 6. Oktober 1999 erteilte Bescheinigung ab dem Zeitpunkt der Aufnahme ihrer Tätigkeit im März 1990 gültig sei.
Der Einspruch der Klägerin war zum Teil erfolgreich. Mit der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2001 setzte das FA die Umsatzsteuer für 1998 auf … herab.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin nunmehr im Wesentlichen folgendes geltend:
Zunächst sei festzustellen, dass ihr die hier erforderliche Bescheinigung, dass die Einrichtung nach ihrer Organisation und ihrem Lehrziel auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereite, unstreitig erteilt worden sei.
Darüber hinaus sei ihr Ballettstudio als allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtung im Sinne von § 4 Nr. 21 Buchst. b) des Umsatzsteuergesetzes zu beurteilen. Nach allgemeinem Verständnis sei unter Bildung die bewußte und planmäßige Entwicklung der natürlich vorhandenen geistigen und körperlichen Anlagen des Menschen zu verstehen. Sie verfüge über eine abgeschlossene Ausbildung und unterrichte als Mitglied des Deutschen Berufsverbandes für Tanzpädagogik nach anerkannten Lehrplänen, die zum Ziel hätten, die Ausbildung zum klassischen Ballett zu fördern, und durch die besondere pädagogische Qualifikation die Qualität in der künstlerischen Tanzerziehung zu gewährleisten.
Da unter den Begriff der Bildung und Ausbildung nicht nur die Entwicklung von geistigen, sondern auch von körperlichen Anlagen falle, stelle die Ballettschule eine allgemeinbildende Einrichtung dar.
Zudem sei zu berücksichtigen, dass das Ballettstudio mit der Unterrichtung und Förderung der Kinder und Jugendlichen den Bildungs- und Erziehungsauftrag der öffentlichen Schule unterstütze und in diesem Sinne die Allgemeinbildung fördere.
Die von ihr erbrachten Leistungen seien insbesondere auch im Hinblick auf den Tänzerberuf ausgerichtet, so dass sie eine berufsbildende Einrichtung betreibe.
Auch ...