Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirkungen des Insolvenzverfahrens gegen den Ehegatten des Haftungsschuldners auf einen Pfändungs- und Einziehungsbescheid gegen den Haftungsschuldner
Leitsatz (redaktionell)
1) Ein Antrag beim Finanzgericht auf Aussetzung der Vollziehung eines Duldungsbescheids gegen den Ehegatten eines Insolvenzschuldners wird mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens unzulässig, da das Finanzamt sein Einzelgläubigeranfechtungsrecht verliert und es wegen der Verfahrensunterbrechung aus dem Duldungsbescheid bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht mehr vorgehen kann (§§ 16 Abs. 1 Satz 1, 18 Abs. 1 AnfG).
2) Eine aufgrund des Duldungsbescheids erlassene Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist aufzuheben (§ 257 Abs. 1 Nr. 3 AO analog), da ein Recht des Finanzamts, als Einzelgläubiger gegen den Ehegatten vorzugehen, bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht mehr besteht (§ 18 Abs. 1 AnfG).
Normenkette
AO § 257 Abs. 1 Nr. 3; AnfG § 17 Abs. 1 S. 1, § 16 Abs. 1 S. 1, § 18 Abs. 1; AO § 191 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
I.
Zu entscheiden ist, ob ein gegen die Antragstellerin erlassener Duldungsbescheid von der Vollziehung auszusetzen ist und die wegen des Duldungsbescheides bereits durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben sind.
Der Ehemann der Antragstellerin betrieb als Einzelunternehmer seit 1992 die Pizzeria X. in angemieteten Räumen in M.. Für die Jahre 2007 bis 2009 fand in dem Unternehmen des Ehemannes der Antragstellerin eine Außenprüfung statt, die im Januar 2011 mit einer tatsächlichen Verständigung abgeschlossen wurde. Auf Grundlage der tatsächlichen Verständigung erließ der Antragsgegner am 12.04.2011 geänderte Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide, wobei die hieraus resultierenden Steuernachzahlungen am 16.05.2011 fällig wurden. Die offenen Einkommensteuerbeträge wurden in der Folge zwischen der Antragstellerin und ihrem Ehemann dahingehend aufgeteilt, dass sie in vollem Umfang auf den Ehemann der Antragstellerin entfielen. Mit Wirkung zum 31.05.2011 meldete der Ehemann der Antragstellerin sein Gewerbe ab, nachdem er am 23.04.2012 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt hatte.
Bereits mit Gesellschaftsvertrag vom 11.04.2011 hatte die Antragstellerin die Fa. X. GmbH gegründet, deren Unternehmensgegenstand ebenfalls der Betrieb einer Pizzeria ist und deren Alleingesellschafterin und -geschäftsführerin die Antragstellerin ist. Die GmbH nahm ihre Tätigkeit am 01.06.2011 in denselben Räumen auf, in denen zuvor der Ehemann der Antragstellerin sein Einzelunternehmen betrieben hatte. Die Handelsregistereintragung erfolge am 02.05.2011, nachdem zuvor – wie im Gesellschaftsvertrag vorgesehen – das Stammkapital in Höhe von 25.000 EUR in bar erbracht worden war. Wegen der Leistung der Stammeinlage wird auf den Kontoauszug der X. GmbH vom 02.05.2011 verwiesen.
Der Ehemann der Antragstellerin gab in dem Fragebogen zur Gewerbeabmeldung an, er habe sein Unternehmen für 10.000 EUR an die X. GmbH veräußert. Der Veräußerungspreis sei am 01.06.2011 fällig gewesen.
Der Ehemann der Antragstellerin war zudem Inhaber eines Lebensversicherungsvertrages bei der Z. Versicherung AG, den er zum 01.05.2011 gekündigt hatte. Der Rückkaufswert in Höhe von 36.310,71 EUR wurde – seinen Weisungen entsprechend – am 29.04.2011 dem Konto der Antragstellerin Nr. 000 000 001 bei der Sparkasse M. gutgeschrieben. Am 02.05.2011 wurden auf dem Konto der Antragstellerin – ausweislich des vorliegenden Kontoauszugs – zwei Barauszahlungen in Höhe von 10.000 EUR bzw. 25.000 EUR verbucht.
Im Rahmen der Prüfung, ob die Antragstellerin als Betriebsübernehmerin nach § 75 AO oder § 25 Handelsgesetzbuch (HGB) wegen der Steuerschulden ihres Ehemannes als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen werden kann, teilte das Steuerbüro N. mit Schreiben vom 24.11.2011, das am 29.11.2011 beim Antragsgegner einging, mit, die Stammeinlage in Höhe von 25.000 EUR sei durch eine Einzahlung auf dem Konto der X. GmbH erbracht worden. Ferner seien 10.000 EUR für den Geschäftsbetrieb der Pizzeria an den Ehemann der Antragstellerin geleistet worden. Am 10.01.2012 ging ein weiteres Schreiben des Steuerbüros N. beim Antragsgegner ein, das ebenfalls das Datum des 24.11.2011 trägt. In letztgenanntem Schreiben erläutert das Steuerbüro, die ausgezahlte Versicherungssumme von 36.310,71 EUR sei in Höhe von 10.000 EUR unmittelbar in bar an den Ehemann der Antragstellerin zurückgezahlt worden. Weitere 25.000 EUR seien nach den Angaben der Antragstellerin in den Folgemonaten in mehreren Teilbeträgen ebenfalls wieder zurückgezahlt worden. Der Ehemann der Antragstellerin habe mit diesem Geld die aus seinem Einzelunternehmen noch bestehenden Verbindlichkeiten getilgt. Der verbleibende Restbetrag von 1.310,71 EUR stehe noch zur Rückzahlung aus. Nach Auskunft des Steuerbüros N. müsste das zweite Schreiben vom 24.11.20...