Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung von Rechtshandlungen; Duldungsbescheid. Duldungsbescheid gemäß § 191 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (AnfG)
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Frage der Unentgeltlichkeit einer Zuwendung ist die objektive Wertrelation zwischen der Leistung des Schuldners und einer Gegenleistung des Empfängers maßgebend. Es muss mithin auf Grund oder wegen der Verfügung des Schuldners ein objektiver Gegenwert als Gegenleistung in dessen Vermögen gelangt sein.
2. Sogenannte unbenannte Zuwendungen - ehebedingte und ehebezogene Zuwendungen unter Ehegatten - werden im Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht als unentgeltliche Zuwendung behandelt.
3. Im Rahmen einer Prüfung des sog. Entschließungsermessens ist das Gericht gem. § 102 FGO nur befugt zu überprüfen, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil das beklagte Finanzamt entschieden hat die steuerpflichtige Klägerin überhaupt in Anspruch zu nehmen.
Normenkette
FGO § 102; AnfG § 4; AO § 191 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Duldungsbescheides.
Die Klägerin (Klin.) war vom 07.03.1969 bis zu ihrer Scheidung am 22.11.2001 mit Herrn (H.) verheiratet. Sie war bis 1971 als Arbeitnehmerin berufstätig. Am 13.03.1979 schlossen die Klin. und H. einen notariellen Ehevertrag, in dem sie die Gütertrennung gemäß § 1414 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vereinbarten. Auf den Vertrag wird Bezug genommen. Seit 1985 betreibt die Klin. ein Reformhaus. Nach den Anlaufjahren betrugen die veranlagten Gewinne der Klin. 1989 – 1994 ca. 30.000,00 DM. Danach stiegen sie tendentiell bis auf über 60.000,00 DM. H. erzielte nach Aktenlage Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, die im Durchschnitt das Doppelte bis Dreifache der klägerischen Einkünfte ausmachten. Ab 1997 betrugen die Einkünfte 471.491,00 DM bzw. 447.877,00 DM.
Im Jahre 1976 erhielt H. von seinen Eltern das unbebaute Grundstück Gemarkung B Blatt 754 a, Hof- und Gebäudefläche, Flur 3 Flurstücke 715 und 716 (62 m² und 541 m² groß) – im folgenden Grundstück Nr. 1 – unentgeltlich. Das Grundstück wurde mit einem Fertighaus bebaut, das zwei Wohnungen enthielt. Die vom Beklagten (Bekl.) berücksichtigte AfA nach § 7 Abs. 4, 5 Einkommensteuergesetz (EStG) betrug 4.619,00 DM. Bis 1998 wurden für das Hausgrundstück negative Überschüsse steuerlich berücksichtigt.
Im Jahre 1992 erhielt H. von seinem Vater das bebaute Grundstück Gemarkung B Blatt 304, Flur 3 Flurstück 714 (676 m² groß) – im Folgenden Grundstück Nr. 2 – unentgeltlich.
Am 23.11.2000 schlossen die Klin. und H. vor dem Notar d (Urkundenrolle-Nr. 76/2000) einen notariellen Vertrag, in dem H. der Klin. die Grundstücke Nr. 1 und 2 übertrug.
Nach § 2 des Vertrages war das Grundstück Nr. 1 in Abteilung III mit 562.400,00 DM belastet. Das Grundstück Nr. 2 war mit nominell 200.000,00 DM belastet. Die Grundstücke sollten am 01.12.2000 übergeben werden. Die Grundbucheintragung erfolgte am 18.12.2000. Abschnitt A des Vertrages bestimmte: „Die bisher entstandenen Zugewinnansprüche und die weiteren Ausgleichsansprüche während der Zeit des Lebens im Güterstand der Gütertrennung haben sie nicht vorgenommen. Dies soll hiermit nachgeholt werden. Zur Klarstellung wird ausgeführt, dass die Geschäftsbetriebe des Ersterschienenen – H. – bei ihm verbleiben sollen, als Ausgleich der Grundbesitz auf die Zweiterschienene – die Klin. – übertragen werden soll. Beim Wertausgleich ist die Belastung der vorhandenen Grundbesitzungen berücksichtigt.”
Am 09.04.2003 waren bei H. Steuerschulden (Einkommensteuer und Umsatzsteuer ab 1998 sowie Nebenabgaben in Höhe von insgesamt 106.384,62 EUR) fällig. Wegen dieser Steuerschulden erließ der Bekl. am 09.04.2003 gegenüber der Klin. einen auf § 3 Abs. 1 Anfechtungsgesetz (AnfG) i. V. m. § 191 Abgabenordnung (AO) gestützten Duldungsbescheid. Auf den Inhalt des Bescheides nebst Anlagen wird Bezug genommen. Im Einspruchsverfahren trug die Klin. vor, sie habe die Grundstücke zur Abgeltung ehebedingter Ausgleichsansprüche erhalten. Da H. an einer schnellen Wiederverheiratung interessiert gewesen sei, sei sie mit der Scheidung nur deshalb einverstanden gewesen, weil sie die Grundstücke erhalten sollte. Der Duldungsbescheid sei im Übrigen rechtswidrig, weil die Steueransprüche erst nach dem Übertragungsvorgang entstanden seien. Deshalb habe H. auch keinen Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung gehabt. Dementsprechend habe sie auch keine Kenntnis von einem entsprechenden Vorsatz von H. gehabt.
Im Einspruchsverfahren wurden folgende Feststellungen getroffen:
Am 09.02.2001 war die Parzelle Blatt 754a mit nominell 410.000,00 DM belastet. Nach einer Zweckerklärung der Klin. und der Sparkasse n vom gleichen Tage dienten diese Belastungen zur Absicherung im Einzelnen aufgeführter Darlehen, die zu diesem Zeitpunkt eine Gesa...