Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnerzielungsabsicht bei Rechtsanwaltskanzlei
Leitsatz (redaktionell)
1) Bei einer Anwaltskanzlei entfällt ein für die Gewinnerzielungsabsicht sprechender Anscheinsbeweis, wenn nicht das Streben nach Totalgewinn, sondern persönliche Beweggründe für die Fortführung des verlustbringenden Unternehmens bestimmend sind.
2) Indizien für persönliche Gründe können entweder hohe andere Einkünfte sein, mit denen der Stpfl. die Verluste verrechnet, oder das Unterlassen von Maßnahmen zur Herstellung und Steigerung der Rentabilität trotz ständiger und nachhaltiger Verluste.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger seine freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt in den Streitjahren 2003 bis 2010 mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt hat.
Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger ist seit dem Jahr 1994 Inhaber einer Rechtsanwaltskanzlei in C. Seit 1996 beschäftigt er eine halbtags tätige Rechtsanwältin, Frau S, als Angestellte und seit dem Jahr 2000 zusätzlich Herrn E als Rechtsanwalt in Vollzeit. Die Klägerin ist bei dem Kläger in Teilzeit als Bürokraft tätig (400,– EUR-Basis). Durch die Rechtsanwaltskanzlei erzielt der Kläger Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Darüber hinaus erzielte er in den Streitjahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung betrugen zusammen jährlich zwischen 95.798,– EUR (2006) und 193.395,– EUR (2008).
Bereits seit dem Jahr 1995 verzeichnete der Kläger aus dem Betrieb der Rechtsanwaltskanzlei Verluste (mit Ausnahme eines für das Jahr 1998 vom Beklagten geschätzten Gewinns von 30.000,– DM). Die Verluste summierten sich in den Jahren 1995 bis 2001 auf 376.967,– DM, im Jahr 2002 betrug der Verlust 85.192,– EUR.
Für die Streitjahre gaben die Kläger Einkommensteuererklärungen ab. Hierin erklärten sie folgende Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit, die sich wie folgt zusammensetzten (gerundet auf volle Euro):
Jahr |
2003 |
2004 |
2005 |
2006 |
2007 |
2008 |
2009 |
2010 |
Summe |
Einnahmen |
83.208 |
103.279 |
105.045 |
94.589 |
82.188 |
86.396 |
101.180 |
88.499 |
744.384 |
Ausgaben |
135.716 |
157.114 |
171.461 |
138.971 |
130.921 |
132.349 |
137.167 |
110.472 |
1.114.171 |
davon Personal |
64.585 |
75.551 |
73.513 |
68.166 |
65.776 |
65.419 |
69.009 |
62.127 |
544.146 |
Gewinn |
-52.508 |
-53.835 |
-66.416 |
-44.382 |
-48.733 |
-45.953 |
-35.987 |
-21.973 |
-369.787 |
Der Beklagte erließ für die Jahre 2003 bis 2007 zunächst im Wesentlichen erklärungsgemäße Einkommensteuerbescheide, die mit einem Vorläufigkeitsvermerk gem. § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung – AO – hinsichtlich der Einkünfte der Rechtsanwaltskanzlei ergingen, da – wie der Beklagte in den Bescheiden erläuterte – die Einkünfteerzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden könne (Liebhaberei).
Aufgrund einer bei dem Kläger im Jahr 2007 durchgeführten Betriebsprüfung führte der Prüfer in seinem Prüfungsbericht vom 17.04.2007 aus, er habe die Frage der Gewinnerzielungsabsicht nicht endgültig klären können. Für die ersten Jahre der Selbständigkeit seien die Anlaufverluste allerdings u.a. durch Abschreibungen erklärbar. In den Jahren 2000 bis 2002 seien krankheitsbedingt weniger Einnahmen und höhere Ausgaben angefallen. Für die Jahre ab 2003 sei noch eine nähere Prüfung erforderlich.
Diese Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht nahm der Beklagte im Jahr 2010 auf. Nach entsprechender Anhörung erließ er am 20.04.2010 Änderungsbescheide zur Einkommensteuer gem. § 165 Abs. 2 Satz 1 AO, mit denen er die geltend gemachten Verluste des Klägers aus selbständiger Arbeit nicht mehr anerkannte. Dementsprechend setzte er die Einkommensteuer auf 63.208,– EUR (2003), 55.740,– EUR (2004), 54.910,– EUR (2005), 22.552,– EUR (2006) und 73.377,– EUR (2007) fest. Für das Jahr 2008 setzte er mit Bescheid vom 29.04.2010 die Einkommensteuer erstmals auf 52.592,– EUR fest, ohne Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit zu berücksichtigen. Darüber hinaus ergingen an demselben Tag Vorauszahlungsbescheide für die Jahre 2009 und 2010, in denen der Beklagte ebenfalls keine Verluste aus der Rechtsanwaltskanzlei berücksichtigte. Die Bescheide waren an den Kläger und an „Frau Z G-G” gerichtet.
Gegen diese Bescheide legten die Kläger am 18.05.2010 Einspruch ein. Im Laufe des Einspruchsverfahrens erging mehrfach, zuletzt am 11.06.2010 ein Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2008.
Nach Auffassung der Kläger sind die angefochtenen Bescheide nichtig, da der Name der Klägerin falsch angegeben worden sei. Anders als in den Bescheiden genannt heiße die Klägerin nicht „Z G-G”, sondern Z G.
In der Sache habe der Kläger seine anwaltliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes – BFH – seien bei Tätigkeiten, die nicht typischerweise dem Hobbybereich z...