Leitsatz
Zahlungen einer französischen Universität für einen von einem deutschen Steuerpflichtigen versehenen Lehrauftrag sind im Inland gem. § 3 Nr. 26 EStG steuerfrei (Anschluss an das EuGH-Urteil vom 18.12.2007, Rs. C-281/06"Jundt", BFH/NV 2008, Beilage 2, 93).
Normenkette
§ 3 Nr. 26 EStG, Art. 49 EG
Sachverhalt
Die Kläger wurden im Streitjahr 1991 als Eheleute zusammen zur ESt veranlagt. Der Kläger wohnt und arbeitet in seinem Hauptberuf als Rechtsanwalt in Deutschland. Im Streitjahr 1991 nahm er einen 16 Stunden umfassenden Lehrauftrag an der Universität Straßburg wahr, für den er in 1991 5 760 französische Francs brutto erhielt. Die Universität zahlte dem Kläger nach Abzug französischer Sozialabgaben 4 814,79 FF aus.
Das beklagte FA unterwarf im ESt-Bescheid 1991 die Bruttozahlungen i.H.v. – umgerechnet – 1 612 DM der ESt. Den mit Einspruch geltend gemachten Freibetrag für die Zahlung der Universität Straßburg nach § 3 Nr. 26 EStG gewährte das FA nicht. Auch die Klage hatte keinen Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.01.1999, 14 K 151/96, Haufe-Index 788859, EFG 2002, 1308).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und gab der Klage hinsichtlich des Freibetrags nach § 3 Nr. 26 EStG statt. Entsprechend der Entscheidung des EuGH und aufgrund des Anwendungsvorrangs gemeinschaftsrechtlichen Primärrechts sei das Merkmal "inländische" in § 3 Nr. 26 EStG bei der Rechtsanwendung nicht zu beachten. Dies widerspreche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn der Regierungsentwurf des Jahressteuergesetzes 2009 erstrecke den Tatbestand des § 3 Nr. 26 EStG rückwirkend auf solche Tätigkeiten, die für in den EU-Mitgliedstaaten belegene juristische Personen des öffentlichen Rechts erbracht worden seien (vgl. Nacke, DB 2008, 1396).
Indes begehrten die Kläger zu Unrecht aus verfassungsrechtlichen Gründen den Ansatz höherer Kinderfreibeträge. Ein weiterer Abzug für das Streitjahr vom Einkommen wäre nur dann vorzunehmen, wenn das zu versteuernde Einkommen der Kläger den Betrag von 182 952 DM erreicht hätte, was aber nicht der Fall sei.
Hinweis
1. Gem. § 3 Nr. 26 EStG in der noch geltenden Fassung sind u.a. Aufwandsentschädigungen für nebenberufliche Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher oder für eine vergleichbare nebenberufliche Tätigkeit im Dienst oder Auftrag einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts steuerfrei. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift gilt die Steuerbefreiung somit nicht für einen im Auftrag einer ausländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts ausgeübten Auftrag eines inländischen Steuerpflichtigen.
2. Der BFH hatte die Frage zur Vereinbarkeit dieser steuerlichen Regelung mit der gemeinschaftsrechtlich als sogenannte Grundfreiheit in Art. 49 EG verankerten Dienstleistungsfreiheit dem EuGHzur Vorabentscheidung vorgelegt (BFH, Beschluss vom 01.03.2006, XI R 43/02, BFH/NV 2006, 1548, BFH/PR 2006, 378).
3. Die 3. Kammer des EuGH hatte mit Urteil vom 18.12.2007, BFH/PR 2008, 102 entschieden, dass auch eine derartige nebenberufliche, in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübte Tätigkeit in den Anwendungsbereich von Art. 49 EG fällt und eine nationale Regelung, die die ESt-Befreiung für derartige Aufwandsentschädigungen auf inländische Institutionen beschränkt, nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei. Auch die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Gestaltung ihres Bildungssystems sei nicht geeignet, eine derartige nationale Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang zu bringen.
4. Der BFH hat mehrfach, allerdings ohne nähere Begründung, erkannt, dass aufgrund des – ungeschriebenen – Anwendungsvorrangs des gemeinschaftsrechtlichen Primärrechts (und damit der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten) inländische steuerliche Regelung in normerhaltender Weise zu reduzieren seien, die einschlägigen Regelungen indes als solche weiterhin anzuwenden seien.
5. Indes ist der knapp gehaltenen Begründung der Besprechungsentscheidung der Hinweis zu entnehmen, dass diese Auffassung der bisherigen Rechtsprechung des BFH entspreche, und verweist in diesem Zusammenhang auf einen kritischen Beitrag von Gosch in DStR 2007, 1895 zu den Schulgeld-Urteilen des EuGH.
6. Die über die durch den EG-Vertrag (EG) auf der Grundlage des Systems der Einzelermächtigung und des Subsidiaritätsprinzips eingeräumten Kompetenzen hinausgreifende Rechtsauslegung und -anwendung des EuGH stößt zunehmend auf Kritik (vgl. u.a. Mitschke, NWB F. 2 [2008], S. 9805, m.w.N.; ferner Dobler in Roth/Hilpold, Der EuGH und die Souveränität der Mitgliedstaaten, Wien 2008, S. 509 ff.).
7. Die entscheidende Frage wird letztlich durch das BVerfG zu klären sein, ob mit Hilfe der lediglich generell formulierten Grundfreiheiten und der Diskriminierungsverbote die eindeutige Begrenzung des Harmonisierungsgebots in Art. 93 EG, wonach die direkten Steuern in das Harmonisierungsgebot ausdrücklich nicht einzubeziehen sind, überwunden werden darf oder es sich insoweit um sog. "ausb...