Leitsatz
Eine Ausschüttung bei einer prüfungspflichtigen GmbH beruht nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr (§ 27 Abs. 3 Satz 1 KStG 1991), wenn der geprüfte Jahresabschluss durch die Gesellschafterversammlung geändert wird und der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers über die Nachtragsprüfung (§ 316 Abs. 3 HGB) erst nach Ablauf der in § 173 Abs. 3 Satz 2 AktG angeführten Frist erteilt wird.
Normenkette
§ 27 Abs. 1, § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG 1991, § 29 GmbHG, § 173 Abs. 3, § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG, § 316 Abs. 3 HGB
Sachverhalt
Bei der Klägerin, einer GmbH, handelte es sich im Streitjahr um eine "große Kapitalgesellschaft" i.S.d. § 316 Abs. 1 Satz 1 (i.V.m. § 267) HGB. Ihre Geschäftsführer haben den Jahresabschluss zum 31.12.1993 unter dem 9.5.1994 aufgestellt; der Abschlussprüfer hat am 30.8.1994 einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt.
Nach dem im Jahresabschluss abgebildeten Gewinnverwendungsvorschlag sollte der Jahresüberschuss von 5.469.458,57 DM mit einem Teilbetrag i.H.v. 10 % den satzungsmäßigen Rücklagen und ein Restbetrag den anderen Gewinnrücklagen zugeführt werden. In der Gesellschafterversammlung vom 15.12.1994 wurde dann zwar der Jahresabschluss genehmigt, zugleich jedoch – abweichend vom Gewinnverwendungsvorschlag der Geschäftsführung – die Gewinnrücklage teilweise aufgelöst. Aus dem Rücklagenauflösungsbetrag und dem Bilanzgewinn wurde unter Berücksichtigung der KSt-Minderung eine Dividende von insgesamt 81.008.000 DM ausgeschüttet und zugleich (Stichwort "Schütt-aus-Hol-zurück") zum Zweck der Erhöhung des Stammkapitals wieder eingelegt; das eingeschlossene KSt-Guthaben sollte folglich realisiert werden.
Die Erhöhung des Stammkapitals erfolgte mit Vertrag vom 19.12.1995 und wurde am 5.1.1996 in das Handelsregister eingetragen. Die aufgrund des Gesellschafterbeschlusses vom 15.12.1994 aufgestellte Bilanz zum 31.12.1993 wurde am 9.3.1995 geprüft und am 13.3.1995 mit einem entsprechenden Bestätigungsvermerk durch den Abschlussprüfer versehen.
Mit ihrer KSt-Erklärung 1993 machte die Klägerin einen KSt-Minderungsbetrag auf der Grundlage einer offenen Ausschüttung i.H.v. 81.008.000 DM aus dem sog. EK 56 geltend. Das FA lehnte dies ab.
Der Klage gegen die hiernach ergangene KSt-Festsetzung insoweit stattgegeben (EFG 2005, 1380).
Entscheidung
Der BFH sah das anders als das FG.
Weil die Gesellschafterversammlung mit der "eigenmächtigen" Änderung des Jahresabschlusses und des Gewinnverwendungsvorschlags ohne alsbaldige Nachtragsprüfung durch denselben in die Kompetenzen des Geschäftsführers eingegriffen habe, seien die Feststellung und damit auch die beschlossene Gewinnverwendung nichtig, was wiederum die Mobilisierung des KSt-Guthabens verhindere.
Hinweis
Streitig war im Besprechungsurteil, ob ein Gewinnverteilungsbeschluss den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entspricht und damit, ob nach Maßgabe des "alten" KSt-Rechts die Ausschüttungsbelastung (§§ 27 ff. KStG a.F.) herzustellen ist.
Der BFH hat dazu eine recht rigide, ja "harsche" Entscheidung gefällt, die sich strikt an den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben orientiert. Der Gewinnverwendungsbeschluss muss eben ein "ordnungsgemäßer" sein, der allen Erfordernissen des Gesellschaftsrechts Rechnung trägt. Dazu gehört:
Zur gesellschaftsrechtlichen Abschlussfeststellung und Gewinnverwendung bedarf es insbesondere des Gewinnverwendungsvorschlags durch den Geschäftsführer auf der Basis des geprüften und durch die Gesellschafterversammlung festgestellten Jahresabschlusses und des anschließenden Gewinnverwendungsbeschlusses durch die Versammlung. An diese Abläufe muss man sich strikt halten. Sie sind gesetzlich für die AG vorgegeben, dienen nach ganz einhelliger Rechtsprechung und Auffassung aber auch als Richtschnur für die prüfungspflichtige GmbH.
So gesehen ist es schädlich, wenn die Gesellschafterversammlung den Jahresabschluss "in einem Zug" ändert und sodann diesen geänderten Abschluss der Gewinnverwendung zugrunde legt. Denn dann wurde der "dazwischen liegende" Prüfungsvorgang übergangen. Und für diese ergänzende Nachtragsprüfung nach § 316 Abs. 3 HGB gibt § 173 Abs. 3 Satz 2 AktG eine kurze Zwei-Wochen-Frist vor.
Wird diese nicht eingehalten, droht eine unliebsame Konsequenzenverkettung: Die Feststellung des Jahresabschlusses bis zu der ergänzenden Prüfung ist unwirksam, was wiederum auf die "Ordentlichkeit" des Gewinnverwendungsbeschlusses durchschlägt und aus steuerlicher Sicht die Herstellung der Ausschüttungsbelastung verhindert.
Für die steuerliche Jetztzeit unter der Ägide des Halbeinkünfteverfahrens ist das alles nicht mehr von Bedeutung.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.8.2006, I R 40/05