Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Gleichartig i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG ist ein Bezug, der nach seinem Zuwendungsgrund mit einem Ruhegehalt, Witwen- und Waisengeld oder Unterhaltsbeitrag vergleichbar ist. Maßstab ist die öffentlich-rechtliche Einordnung durch das insoweit vorgreifliche Dienstrecht.
2. Ein dem Ruhegehalt gleichartiger Bezug setzt voraus, dass er einem Versorgungszweck dient, dem Bezug also die Funktion eines (vorgezogenen) Ruhegehalts zukommt.
3. Einkünfte, die in der Freistellungsphase im Rahmen der Altersteilzeit nach dem sog. Blockmodell erzielt werden, sind regelmäßig keine Versorgungsbezüge.
Normenkette
§ 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG
Sachverhalt
Beamter K, 1948 geboren, war von 1.8.2004 bis 30.11.2013 in Altersteilzeit in Form des Blockmodells tätig, indem er bis zum 31.3.2009 den Dienst mit der regelmäßigen Arbeitszeit verrichtete und ab 1.4.2009 freigestellt war. K erklärte die vom 1.4. bis 31.12.2009 erhaltenen Bezüge als Versorgungsbezüge. Dem folgte das FA nicht und gewährte daher auch keinen Versorgungsfreibetrag. Ks Klage blieb erfolglos (Niedersächsisches FG, Urteil vom 26.7.2011, 8 K 81/11, Haufe-Index 2802506).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorinstanz und wies Ks Revision aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen zurück.
Hinweis
Das Besprechungsurteil befasst sich mit dem interpretationsbedürftigen Tatbestandsmerkmal "gleichartiger Bezug" i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG. Insbesondere bei neuen Formen der Altersteilzeit, des Vorruhestandes oder des gleitenden Übergangs in den Ruhestand stellt sich die einkommensteuerrechtliche Frage, ob die in diesen Phasen gezahlten Bezüge als "gleichartige" die Begünstigungen der Versorgungsbezüge erfahren.
1.§ 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG definiert Versorgungsbezüge als Ruhegehalt, Witwen- oder Waisengeld, Unterhaltsbeitrag oder ein gleichartiger Bezug aufgrund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften. Für die Gleichartigkeit stellt der BFH auf den Rechtsgrund der jeweiligen Zahlung ab, auf den Zuwendungsgrund, der mit dem des Ruhegehalts, Witwen- und Waisengelds oder Unterhaltsbeitrags vergleichbar sein muss. Deshalb ist auch die öffentlich-rechtliche Einordnung der Zuwendung durch das Dienstrecht insoweit vorgreiflich. So ist entscheidend, ob dem Bezug die Funktion eines vorgezogenen Ruhegehalts zukommt.
2. Die während der Altersteilzeit im Wege des Blockmodells in der Freistellungsphase gezahlten Bezüge haben diese Funktion nicht; sie sind nicht gleichartig. Sie dienen keinem Versorgungszweck, sondern sind Entlohnung für die aktive Tätigkeit des Teilzeitbeschäftigten, also laufende Dienstbezüge. Der BFH nimmt dazu vergleichend auf das andere Modell der Altersteilzeit Bezug, nämlich auf das der Teilzeitbeschäftigung. Hier ist der Beamte bei ebenfalls insgesamt verringerten Dienstbezügen über die gesamte Altersteilzeitphase hinweg tätig. Auch da sind diese Bezüge Dienstbezüge und keine Versorgungsbezüge; nichts anderes gilt für die Altersteilzeit im Blockmodell. Die vom Dienstherrn im Blockmodell erbrachten Bezüge sind Dienstbezüge in der Dienst‐ wie in der Freistellungsphase. Dienst- und Freistellungsphase betreffen die jeweiligen Leistungszeitpunkte, nicht aber die Qualifikation der Leistungen.
3. Beachten Sie: Bezüge sind nicht stets schon dann "gleichartig", wenn der Beamte keine Dienstverpflichtung mehr hat und vollständig und unwiderruflich von der Dienstleistung entbunden wird. Schon in älteren Entscheidungen (emeritierter Professor) findet sich als entscheidendes Merkmal der Rechtsgrund der Entbindung, nämlich beim Ruhegehalt eine Entbindung wegen Erreichens der Altersgrenze. Und ausdrücklich nennt der BFH die Entscheidung zur "58er-Regelung" (BFH, Urteil vom 12.2.2009, VI R 50/07 BFH/NV 2009, 829, BFH/PR 2009, 208) einen Sonderfall. Aber auch dort kam es entscheidend darauf an, dass die Bezüge die Funktion eines vorgezogenen Ruhegehalts hatten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.3.2013 – VI R 5/12