Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerb wirtschaftlichen Eigentums bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen
Leitsatz (redaktionell)
- Wirtschaftliches Eigentum (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) an veräußerten Anteile einer Kapitalgesellschaft liegt vor, wenn der Käufer aufgrund des (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts eine rechtlich geschützte Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie das Risiko der Wertminderung bzw. die Chance der Wertsteigerung übergegangen sind.
- Mit dem Abschluss des schuldrechtlichen Kauf- und Übertragungsvertrages über Anteile an Kapitalgesellschaften erwirbt der Erwerber bereits vor Übertragung der Anteile auf das benannte Depot wirtschaftliches Eigentum, wenn eine konkret auf die Eigentumsübertragung gerichtete vertragliche Bindung vorliegt, deren Vollzug nicht von weiteren erst noch zu vereinbarenden Bedingungen abhängt.
- Die Abhängigkeit der dinglichen Übertragung von bereits vereinbarten Bedingungen hinderte den Erwerb wirtschaftlichen Eigentums nicht, wenn der Bedingungseintritt allein im Einflussbereich des Käufers liegt (z.B. Zahlung des Kaufpreises) bzw. wenn nach den typischen und normalen Umständen der Bedingungseintritt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (z. B. Genehmigung der Kartellbehörde).
- Ein möglicher gutgläubiger Erwerb eines 3. oder die Verpfändung der Anteile an einen gutgläubigen Dritten ändert nichts an dem Vorliegen der gesicherten Rechtsposition.
- Für die Bemessung des Fünfjahreszeitraums im Sinne des § 17 Abs. 1 S. 1, 4 EStG ist der Zeitraum der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums maßgebend.
Normenkette
AO § 39 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 17 Abs. 1 Sätze 1, 4
Streitjahr(e)
2003
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin durch Veräußerung von Anteilen an der…AG auf Grund Vertrages vom … im Jahr 2003 Einkünfte im Sinne des § 17 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) erzielt hat. Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Klägerin erhielt aus dem Nachlass der am … verstorbenen … Stammaktien an der AG. Dies entsprach einem Anteil von … % ( … ) am Grundkapital der AG. … war im Zeitpunkt ihres Todes Inhaberin von … Stammaktien der AG. Dies entsprach einem Anteil von ca. … % am Grundkapital.
Am … schloss die Klägerin als eine von mehreren Parteien auf Verkäuferseite mit der … Company und der…Management GmbH einen notariellen Kauf- und Übertragungsvertrag über ihre Aktien an der AG ab. Die Parteien der Verkäuferseite, die sich aus verschiedenen Familienstämmen zusammensetzten, hielten im Zeitpunkt des Verkaufs insgesamt Anteile am Grundkapital der AG von ca. 50,71 % und ca. 77,57 % der Stammaktien sowie weitere Vorzugaktien. Die Klägerin verkaufte mit Vertrag vom … ihre Anteile an der AG an die … Management GmbH mit allen Nebenrechten, einschließlich der Gewinnbezugsrechte für Geschäftsjahre vom 01.01.2003 an. Bezugsrechte im Zusammenhang mit der Erhöhung des Grundkapitals an der AG oder Wandelschuldverschreibungen und Optionsschuldverschreibungen verkaufte sie ab Vertragsunterzeichnung, § 2 Abs. 1 des Vertrages. Der Kaufpreis betrug … EUR je Aktie und in Bezug auf die Klägerin insgesamt … EUR, § 3 Abs. 1 Satz 1 (i) des Vertrages. Für den Fall, dass die Hauptversammlung der AG im Rahmen der Verwendung des Bilanzgewinns des am 31.12.2002 endenden Geschäftsjahres eine Ausschüttung von mehr als … EUR pro Stammaktie beschließen sollte, sollte sich der Kaufpreis je Stammaktie um den übersteigenden Betrag vermindern, § 3 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages. Im Fall eines öffentlichen Angebots zur Zahlung eines höheren Kaufpreises pro Stammaktie und des Vollzugs dieses Angebots sollte die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen dem aufgrund des öffentlichen Gebots zu zahlenden Kaufpreis und des Betrages von … EUR haben, § 3 Abs. 2 des Vertrages. Dies sollte auch gelten, wenn die … Management GmbH innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung des öffentlichen Angebots von Dritten außerhalb der Börse die Stammaktien der AG erwirbt, § 3 Abs. 2 des Vertrages.
Das Verwahrdepot, auf dem die Aktien verbucht waren, sollte zugunsten der … Management GmbH bis zum Eigentumsübergang aller verkauften Aktien gesperrt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten die Rechte aus den Aktien der Klägerin verbleiben, § 2 Abs. 2 des Vertrages.
Die Vertragsparteien vereinbarten ferner, dass die dingliche Übertragung der verkauften Anteile unter der aufschiebenden Bedingung erfolgen sollte, dass die notwendigen Genehmigungen der zuständigen Kartellbehörden in den USA, Kanada, der EU sowie in Mexiko und Japan endgültig und rechtsverbindlich erteilt oder einschlägige Untersagungsfristen abgelaufen seien, ohne dass die betreffende Behörde das Zusammenschlussvorhaben untersagt, § 2 Abs. 4 a) (i) i.V.m. § 21 Abs. 2 des Vertrages. Die Management GmbH verpfl...