Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Behandlung von sog. Dividendenstrippinggeschäften
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei dem Ankauf von Aktien eines Unternehmens „cum Dividende” und der Veräußerung dieser Aktien „ex Dividende” in engem zeitlichen Zusammenhang über ein Kreditinstitut, das das Geschäft über die Börse ausführt, handelt es sich um zwei voneinander unabhängige Geschäfte, die den Tatbestand des Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) nicht erfüllen.
2. § 50c EStG stellt eine sondergesetzliche Konkretisierung des § 42 AO dar, neben der dem allgemeinen abgabenrechtlichen Missbrauchstatbestand (§ 42 AO) keine eigenständige Bedeutung mehr zukommt.
Normenkette
EStG §§ 50c, 20 Abs. 1; AO § 39 Abs. 2 Nr. 1, § 42; FGO § 40 Abs. 2
Streitjahr(e)
1988
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der X-GmbH. Die X-GmbH wurde mit notariellem Vertrag vom 21. März 1988 durch Umwandlung des Einzelunternehmens A, Börsenmakler, mit Wirkung zu 1. Januar 1988 errichtet und zunächst als A Börsenmakler GmbH (A-GmbH) am 26. Mai 1988 im Handelsregister bei dem Amtsgericht M eingetragen. Laut Eintragung im Handelsregister vom 24. Oktober 1994 wurde durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 11. Oktober 1994 die Firma in „X-GmbH” geändert. Gegenstand des Unternehmens war der Handel mit Wertpapieren für eigene Rechnung und die Tätigkeit als Börsenmakler. Alleiniger Gesellschafter war mit einer Beteiligung i.H.v. 1 Mio. DM Herr A.
Nach den (im Rahmen einer Außenprüfung) getroffenen Feststellungen des Finanzamtes hatte die A-GmbH im Jahre 1988 in zeitlicher Nähe vor dem jeweiligen Dividendenstichtag in sechs Fällen dividendenberechtigte Aktien von einem inländischen Kreditinstitut erworben und dann Aktien desselben Unternehmens ex Dividende an dem jeweiligen Ex-Tag in einem Fall an dasselbe inländische Kreditinstitut und in den übrigen Fällen an ein anderes inländisches Kreditinstitut zurückveräußert (die in der Anlage 1 des Teilprüfungsberichts vom 22. Oktober 1994 aufgeführten Geschäfte Nr. 1, 4, 5, 16, 18 und 37). Außerdem hatte sie nach den Feststellungen des Prüfers vor dem jeweiligen Dividendenstichtag in größerem Umfang dividendenberechtigte sog. Altaktien gekauft und - mit Ausnahme des Geschäfts Nr. 14 - am gleichen Tag nicht dividendenberechtigte sog. junge Aktien oder neue Aktien bzw. neueste Aktien zurückveräußert (alle übrigen in der Anlage 1 des Teilprüfungsberichts vom 22. Juli 1994 genannten Geschäfte, nachfolgend: „Geschäfte Alt gegen Jung”). In 35 Fällen verkaufte sie die jungen Aktien an den jeweiligen Verkäufer der Altaktien, in den übrigen Fällen (Nr. 8, 27, 42, 43, 49 - diese Geschäfts-Nr. umfasst zwei Geschäfte - und 60) an andere inländische Kreditinstitute. In allen insgesamt 48 Aktiengeschäften waren die jeweils gehandelten Stückzahlen (bis zu 180.000 Aktien pro Geschäft) bei An- und Verkauf dieselben. In allen Fällen ergaben sich für die A-GmbH bei Gegenüberstellung der jeweiligen Geschäfte Vermögensminderungen, gleichzeitig fielen Courtagen an (hinsichtlich der jeweiligen Termine, zu denen die Aktien gehandelt wurden, der ggf. gesondert vereinbarten Wertstellungen, der Anzahl und der Art der gehandelten Aktien, der Geschäftspartner, der Höhe der Veräußerungsverluste und der erzielten Courtagen wird auf die Angaben zu den einzelnen Geschäften in Anlage 1 des Teilprüfungsberichts 1988 vom 22. Juli 1988 verwiesen) . Auf entsprechende Auskunftsersuchen des Prüfers teilten die jeweiligen Vertragspartner hinsichtlich der aufgegriffenen Aktiengeschäfte mit, sie seien von im Ausland ansässigen Kunden (Banken und sonstige Kunden) mit der Durchführung dieser Geschäfte beauftragt worden (zu den zahlreichen Auskunftsersuchen und dazu ergangenen Auskünften der Vertragspartner vgl. die in dem Band I des Fallhefts enthaltenen Unterlagen, markiert als „Auskunftsersuchen Antworten Banken”). Die ausländischen Kunden wurden nur in einem Fall namentlich bezeichnet.
Die A-GmbH berücksichtigte in ihren Jahresabschlüssen neben den erlittenen Veräußerungsverlusten und erzielten Courtagen die jeweilige Bruttodividende der im Eigenbestand gehaltenen Aktien einschließlich Körperschaftsteuer-Guthaben und Kapitalertragsteuer (insgesamt 38.767.842,80 DM), wobei die Erfolgswirksamkeit der Körperschaftsteuer-Anrechnungsguthaben auf deren Aktivierung als sonstiger Vermögensgegenstand in der (Handels- und) Steuerbilanz unter der Bezeichnung „Steuergutschrift 88” beruhte. Mit diesem Aktivposten wurde zugleich auch der vermögensmindernd wirkende Abfluss der Kapitalertragsteuer kompensiert. Mit ihren - bei dem Finanzamt am 14. Februar 1989 eingegangenen - Steuererklärungen für das Jahr 1988 beantragte die A-GmbH unter Vorlage entsprechender Steuerbescheinigungen ihrer Hausbanken eine Anrechnung der Körperschaftsteuer-(KSt) Guthaben i.H.v. 13.956.423,-- DM und der einbehaltenen Kapitalertragsteuer (Kap...