Leitsatz
1. Auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts kann Organträger sein, wenn und soweit sie unternehmerisch tätig ist.
2. Die Eigenschaft als Unternehmer kann sie durch eine bloße Beteiligung durch eine unentgeltliche Tätigkeit und durch die Tätigkeit der mit ihr verbundenen Gesellschaften nicht erlangen.
3. Die die Unternehmereigenschaft begründenden entgeltlichen Leistungen der juristischen Person des öffentlichen Rechts können auch an eine Gesellschaft erbracht werden, mit der als Folge dieser Leistungstätigkeit eine enge finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche (organschaftliche) Verbindung besteht.
Normenkette
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG , § 2 Abs. 3 UStG , Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Sachverhalt, der bis ins Jahr 1904 zurückreicht, ist umfangreich und komplex und vor allem sehr speziell und kann nur pippetiert wiedergegeben werden: Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (FlussG), die 1904 zur Regelung der Vorflut und zur Abwasserreinigung eines Flusses gegründet worden war, hatte 1985 die industrielle Führung der Klägerin – einer GmbH, die Brennstoffe aus kohlehaltigem Schlamm herstellte – und die Betriebsführung der von der Klägerin gepachteten Trocknungsanlage (ABC-GmbH) für kohlehaltigen Klärschlamm übernommen. Die FlussG stellte der Klägerin den bereits mit Kohle angereicherte Schlamm zur Verfügung. Unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtete sich die FlussG zur Übernahme eines Verlustes der Klägerin. Diese hatte sich gleichzeitig wiederum verpflichtet, zusätzlich neben der ABC-GmbH deren Pflicht zur Abwasserbeseitigung zu übernehmen.
Die Klägerin behandelte die von der FlussG zum Verlustausgleich erhaltenen Zahlungen als nicht umsatzsteuerbare Einnahmen. Das FA beurteilte die Zahlungen als umsatzsteuerpflichtig. Das FG meinte, eine Organschaft scheide aus, weil die FlussG hoheitlich – zur Abwasserbeseitigung – tätig geworden sei; die Klägerin sei im Interesse der FlussG tätig gewesen und habe den "Verlustausgleich" für die Bearbeitung des Schlamms bekommen.
Entscheidung
Der BFH wies die Sache an das FG zurück. Mangels eindeutiger Feststellungen war es nicht möglich, abschließend zu entscheiden, weil u.a. die Möglichkeit bestand, dass die Klägerin bei dieser Tätigkeit nichtsteuerbare Innenleistungen als Organgesellschaft an die FlussG als Organträger ausgeführt hatte, weil sie in deren Unternehmen wirtschaftlich eingegliedert war.
Hinweis
Es geht um die umsatzsteuerliche Behandlung von Zahlungen eines Gesellschafters zum Ausgleich des von der Gesellschaft erwirtschafteten Verlustes: Leistung gegen Entgelt oder Leistung auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage.
Eine juristische Person des privaten Rechts (z.B. GmbH) kann als Organgesellschaft mit einem anderen Unternehmer als Organträger organschaftlich verbunden sein, wenn sie finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich in das Unternehmen eines anderen Unternehmers (Organträger) eingegliedert ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG). Die Eigenschaft als Organträger kann jeder Unternehmer ausfüllen.
Auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts (JPöR) kann Organträger sein, wenn und soweit sie unternehmerisch tätig ist, das bedeutet also: nur im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art (§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG). Eine JPöR kann auch neben der Ausübung öffentlicher Gewalt eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, die in den Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts fällt. Beachten Sie: Es kommt stets auf die Art der Tätigkeit an:
Eine wirtschaftliche Tätigkeit führt eine JPöR aus, wenn sie im eigenen Namen gegen Entgelt Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringt. Entscheidend ist aber, ob sie dabei auf privatrechtlicher Grundlage und nicht (!) im Rahmen der eigens für sie geltenden öffentlich-rechtlichen Regelungen tätig ist (Art. 4 Abs. 5 Unterabschnitt 1 der 6. EG-RL). Das bedeutet: Die Modalitäten ihrer Tätigkeit dürfen nicht durch ihr Sonderrecht bestimmt sein.
- Auch wenn die JPöR im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig wird, kann sie als Unternehmer behandelt werden, wenn anderenfalls größere Wettbewerbsverzerrungen oder
- in Bezug auf die in Anhang D der 6. EG-RL aufgeführten Tätigkeiten,
- sofern deren Umfang nicht unbedeutend ist (Art. 4 Abs. 5 Unterabschnitt 3 der 6. EG-RL).
- Schließlich können auch bestimmte nach Art. 13 und 28 der 6. EG-RL steuerfreie Tätigkeiten so behandelt werden, als oblägen sie den öffentlichen Einrichtungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt (Art. 4 Abs. 5 Unterabschnitt 4 der 6. EG-RL).
Ist eine juristische Person nach den erwähnten Grundsätzen wirtschaftlich tätig, ist damit auch zugleich der Rahmen ihres Unternehmens festgelegt. In diesem Bereich kann sie mit einer anderen juristischen Person (Organgesellschaft), die sie durch die Mehrheit der Stimmrechte finanziell und durch die Art und Weise der Geschäftsführung auch organisatorisch beherrscht, organschaftlich verbunden sein, wenn und soweit die Organgesellschaft auch wirtschaftlich in ihr Unternehmen eingegliedert ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz ...