Leitsatz
Eine unzutreffende, jedoch bestandskräftig gewordene Lohnsteueranmeldung muss sich der als Haftungsschuldner in Anspruch genommene Geschäftsführer einer GmbH dann nicht nach § 166 AO entgegenhalten lassen, wenn er nicht während der gesamten Dauer der Rechtsbehelfsfrist Vertretungsmacht und damit das Recht gehabt hat, namens der GmbH zu handeln.
Normenkette
§ 166 AO , § 34 AO , § 69 AO , § 41a Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Der Geschäftsführer einer KG, für deren Vermögen am 5. November nach § 12 i.V.m. § 9 VerglO ein allgemeines Veräußerungsverbot erlassen und ein Vergleichsverwalter bestellt worden war, hatte die von der KG für September geschuldeten Löhne erst im Oktober ausgezahlt, jedoch fälschlich bereits in der Lohnsteuer-Anmeldung September erfasst.
Als die so angemeldete Lohnsteuer nicht gezahlt wurde, nahm ihn das FA mit Haftungsbescheid in Anspruch. Es hielt ihm die bestandskräftig gewordene Lohnsteueranmeldung nach § 166 AO entgegen.
Entscheidung
Der BFH hat den Haftungsbescheid aufgehoben. § 166 AO greift zulasten des Geschäftsführers nicht ein, weil dieser vor Ende der Einspruchsfrist für die unrichtige Lohnsteueranmeldung seine Vertretungsmacht verloren habe. Er muss die Anmeldung also nicht gegen sich gelten lassen, welche der BFH wegen der nicht periodengerechten Erfassung der Lohnsteuer nicht als fälligkeitsbegründend ansieht, sondern kann sich auf die materielle Rechtslage berufen. Als die Lohnsteuer im November entsprechend fällig wurde, sei er angesichts des Vergleichsverfahrens nicht mehr zu deren Abführung verpflichtet gewesen.
Hinweis
1. Bis zum zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums ist dem FA die Summe der in diesem Zeitraum einzubehaltenden Lohnsteuer in einer Steuererklärung anzugeben und die im Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum insgesamt einbehaltene Lohnsteuer an das FA abzuführen (§ 41a Abs. 1 EStG). Ist eine Lohnsteueranmeldung bestandskräftig geworden, richtet sich die Fälligkeit der Lohnsteuerschuld nach den in der Lohnsteueranmeldung gemachten Angaben, auch wenn sie unrichtig sind. Denn eine solche gesetzlich vorgeschriebene Steueranmeldung hat die Wirkung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung (vgl. § 168 Satz 1 AO und BFH, Urteil vom 20.1.1998, VII R 80/97, BFH/NV 1998, 814).
2.Bestandskraft entfaltet ein Bescheid auch gegenüber demjenigen, der in der Lage gewesen wäre, denselben als Vertreter oder Bevollmächtigter des Steuerpflichtigen oder kraft eigenen Rechts anzufechten (§ 166 AO). Das betrifft insbesondere die Geschäftsführer. § 166 AO schließt jedoch Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung nur dann aus, wenn der Vertreter während der gesamten Dauer der Rechtsbehelfsfrist Vertretungsmacht hat (BFH, Urteil vom 21.1.1986, VII R 196/83, BFH/NV 1986, 512).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.8.2004, VII R 50/03