Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
Die vom Leasingnehmer an den Leasinggeber gezahlten Entgelte für die Freistellung von der Haftung für die unverschuldete oder fahrlässige Beschädigung oder Zerstörung des Leasingguts sind kein Versicherungsentgelt i.S.d. § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 VersStG.
Normenkette
§ 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 S. 1 VersStG, §§ 74ff. VVG, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB
Sachverhalt
Die Klägerin ist ein Leasingunternehmen. Sie verleast Kfz an Unternehmen auf der Grundlage eines Rahmenvertrags sowie vom Kunden separat zu unterzeichnender Anlagen in Form allgemeiner Geschäftsbedingungen. Die im Rahmenvertrag und seinen Anlagen getroffenen Vereinbarungen gelten für jeden auf der Basis des Rahmenvertrags zustande gekommenen Einzelvertrag.
Nach § 8 der Anlage 1 zum Rahmenvertrag bzw. den entsprechenden Einzelverträgen haftet der Leasingnehmer für Untergang, Verlust, Beschädigung und Wertminderung des Fahrzeugs und seiner Ausstattung auch ohne Verschulden, jedoch nicht bei Verschulden der Klägerin. Der Leasingnehmer ist verpflichtet, das Haftungsrisiko durch Abschluss eines Versicherungsvertrags abzusichern.
Seit dem 01.01.2007 besteht für die Leasingnehmer sowohl für Neuabschlüsse als auch für bestehende Leasingverträge die Möglichkeit des Abschlusses einer "Dienstleistungsvereinbarung Haftungsbefreiung mit Eigenanteil" (DVHB), welche "abweichend von § 8, § 10 der Anlage 1 des Rahmenvertrags" die entgeltliche Freistellung des Leasingnehmers von der nach dem Rahmenvertrag bzw. den Einzelverträgen bestehenden Haftung regelt. Die Leasingnehmer können insoweit zwischen einer "teilweisen Haftungsbefreiung" und einer auch Unfallschäden umfassenden "vollständigen Haftungsbefreiung" wählen. Ein vom Leasingnehmer selbst zu tragender Eigenanteil wird jeweils individuell vereinbart. Die Haftungsbefreiung gilt nicht, wenn der Leasingnehmer oder seine Erfüllungsgehilfen den Schadensfall durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt haben.
Die Klägerin beantragte beim seinerzeit zuständigen FA eine verbindliche Auskunft, dass die Vereinbarung einer Haftungsbefreiung mit Eigenanteil im Rahmen des Abschlusses von Leasingverträgen keinen Versicherungsvertrag i.S.d. Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) begründe und für die Haftungsbefreiung vom Leasingnehmer gezahlte Entgelte keine Versicherungsprämien i.S.d. § 3 Abs. 1 VersStG seien.
Das FA teilte diese Auffassung nicht, sondern erließ wegen der von der Klägerin erzielten Freistellungsentgelte für Neu- und Altverträge einen Versicherungsteuerbescheid für Januar 2008 über 17 083,14 EUR.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin gegen die Festsetzung der Versicherungsteuer Klage vor dem FG, das der Klage stattgab (FG Hamburg, Urteil vom 10.02.2009, 2 K 14/09, Haufe-Index 2147910, EFG 2009, 1074).
Entscheidung
Nach dem Beitritt des BMF zum Verfahren hat jetzt der BFH das FG-Urteil aus den unter Praxis-Hinweise genannten Gründen bestätigt und die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Der vom BFH entschiedene Fall wirft eine Grundsatzfrage auf, die zumindest für die Kfz-Leasingbranche eminent wichtig ist. Diese Frage könnte man vereinfacht wie folgt formulieren: Unterfallen vom Leasingnehmer an den Leasinggeber gezahlte Entgelte für die Freistellung von bestimmten Haftungsrisiken als "Quasi-Kaskoversicherung"der Versicherungsteuer oder handelt es sich um eine in die Vertragsautonomie der Parteien fallende Haftungsmodifikation nach Art eines "besonderen Leasingvertrags"?
2. Um das Ergebnis vorwegzunehmen, hat der BFH seine Lösung streng zivilrechtlich aufgezogen und sich auf die Frage konzentriert, ob (als wesentliches Merkmal eines "Versicherungsverhältnisses" i.S.d. § 1 Abs. 1 VersStG)vom potenziellen Versicherer ein Wagnis gegen Entgelt übernommen wurde. Dies verneint der BFH für den Streitfall, weil die Klägerin keine ansonsten die Leasingnehmer treffenden Wagnisse übernommen hat.
3. Aus Sicht des BFH steht es – woran niemand ernsthaft zweifeln wird – einem Leasinggeber grundsätzlich frei, einerseits das Risiko des zufälligen Untergangs des überlassenen Fahrzeugs und seiner fest eingebauten, mit dem Fahrzeug fest verbundenen Teile und andererseits dasjenige der Beschädigung, der Zerstörung oder des Verlusts des jeweils überlassenen Fahrzeugs und seiner fest eingebauten Teile aufgrund fahrlässigen Verhaltens des Leasingnehmers selbst zu tragen und sich dies durch ein vom Leasingnehmer (zusätzlich) zu entrichtendes Leasingentgelt wirtschaftlich ausgleichen zu lassen. Diese Freiheit entspricht der Vertragsautonomie der Parteien des Leasingvertrags. Geht man von dieser Prämisse aus, so stellt sich in entsprechenden Fällen eigentlich nur noch die Frage, ob die Parteien ihre Vertragsautonomie ausgeübt haben.
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Soweit beim Leasinggeber das Risiko der Beschädigung, der Zerstörung oder des Verlusts des jeweils überlassenen Fahrzeugs und seiner fest eingebauten, mit dem Fahrzeug fest verbundenen Teile ohne Verschulden des Leasingnehmers verbleibt, trägt er lediglich das ihn als Eigent... |