OFD Karlsruhe, Verfügung v. 4.11.2010, S 2365/24 - St 144
Für das Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren 2011 wird insbesondere auf die Folgerungen aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6.7.2010, 2 BvL 13/09 (DStR 2010 S. 1563) zur Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer und auf das ELStAM-Verfahren im Übergangszeitraum 2011 hingewiesen.
Die erforderlichen statistischen Anschreibungen für das Jahr 2011 ergeben sich aus Tz 4 dieser Verfügung.
1. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer
Mit dem Steueränderungsgesetz 2007 wurde die Abzugsmöglichkeit für ein häusliches Arbeitszimmer weiter eingeschränkt. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG erlaubt einen Abzug der Aufwendungen nur noch, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
Der Zweite Senat des BVerfG hat jedoch mit Beschluss vom 6.7.2010, 2 BvL 13/09 (DStR 2010 S. 1563) entschieden, dass die ab 2007 geltende Neuregelung mit Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar ist, soweit das Abzugsverbot Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann umfasst, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.
Der Gesetzgeber ist verpflichtet, den verfassungswidrigen Zustand rückwirkend auf den 1.1.2007 zu beseitigen. Die Verwaltungsbehörden dürfen § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nach der Entscheidung des BVerfG im Umfang der von ihm festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden.
Der Bundestag hat den Gesetzentwurf zum Jahressteuergesetz 2010 am 28.10.2010 verabschiedet (BT-Drucksache 17/3449). Danach können Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer bis zum Höchstbetrag von 1.250 Euro als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet.
Bei einem Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung wegen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ist wie folgt zu verfahren:
1.1 Das Arbeitszimmer bildet den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit
Gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG i.V. mit § 9 Abs. 5 Satz 2 EStG können Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer dann unbegrenzt als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Die Entscheidung des BVerfG hat auf diese Fälle keine Auswirkungen.
1.2 Für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit steht kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung
Die Bearbeitung von Anträgen auf Lohnsteuer-Ermäßigung, in denen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG) geltend gemacht werden, weil für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, wäre aufgrund der Entscheidung des BVerfG grundsätzlich bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung zurückzustellen.
Nach dem BMF-Schreiben vom 12.8.2010, BStBl 2010 I S. 642, können in diesen Fällen nachgewiesene oder glaubhaft gemachte Aufwendungen bis zu einem Betrag von 1.250 Euro als Werbungskosten berücksichtigt werden. Bei Steuerbezirksnummern ab 500 ist der Pflichtmerker (Kz 523) zu setzen.
1.3 Das Arbeitszimmer wird zu mehr als 50 % beruflich oder betrieblich genutzt
Das Abzugsverbot bzgl. des häuslichen Arbeitszimmers bei mehr als 50 % beruflicher oder betrieblicher Nutzung hält das BVerfG in seiner Entscheidung nicht für verfassungswidrig. An der gesetzlichen Neuregelung ab Veranlagungszeitraum 2007 ist grundsätzlich weiter festzuhalten.
Entsprechende Anträge auf Lohnsteuer-Ermäßigung können jedoch aus formellen Gründen bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010 (Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt) gemäß dem BMF-Schreiben vom 6.10.2009, BStBl 2009 I S. 1148 weiter im Wege der Aussetzung der Vollziehung berücksichtigt werden. Bei Steuerbezirksnummern ab 500 ist der Pflichtmerker (Kz 523) zu setzen.
Die Ausführungen im ZIA-Aktuell vom 1.10.2009 sind insoweit weiter anzuwenden.
Das Arbeitszimmer bildet den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit |
Für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit steht kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung |
Das Arbeitszimmer wird zu mehr als 50 % beruflich oder betrieblich genutzt |
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Freibetrag i.H. der geltend gemachten Aufwendungen; keine Begrenzung auf 1.250 Euro |
Freibetrag i.H. der geltend gemachten Aufwendungen; jedoch höchstens 1.250 Euro |
Berücksichtigung bis höchstens 1.250 Euro im Wege der AdV bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung |
2. Lohnsteuerfibel 2011 – „Kleiner Ratgeber für Lohnsteuerzahler”
Die ausführliche Broschüre „Lohnsteuer 2011, Kleiner Ratgeber für Lohnsteuerzahler” wird wie in den vergangenen Jahren auf der Internetseite des Finanzministeriums Baden-Württemberg unter dem Stichwort „Lohnsteuerfibel 2011” bereitgestellt...