Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung wesentlicher Beteiligung im Rahmen vorweggenommener Erbfolge mit nachfolgendem Nießbrauchsverzicht gegen Einmalzahlung
Leitsatz (redaktionell)
1. Überträgt ein Stpfl. unentgeltlich im Wege vorweggenommener Erbfolge GmbH-Anteile an seine Kinder unter Vorbehalt des Nießbrauchs an den übertragenen Anteilen, so führt die nachfolgende Ablösung des Nießbrauchs gegen eine Einmalzahlung nicht dazu, dass – im Zeitpunkt der Ablösung oder mit steuerlicher Rückwirkung – der Veräußerungstatbestand des § 17 EStG erfüllt ist.
2. Die im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge erfolgte Übertragung der GmbH-Anteile ist keine Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung nach § 17 EStG, sondern eine unentgeltliche Vermögensübertragung, bei der der vorbehaltene Nießbrauch das übertragene Vermögen von vornherein vermindert.
3. Bei dem Verzicht auf den Nießbrauch gegen Einmalzahlung handelt es sich um ein eigenständiges Rechtsgeschäft.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1, 4; AO § 175 Abs. 1 S. 1
Streitjahr(e)
1995
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Ablösung eines bei einer unentgeltlichen Übertragung von Anteilen an einer GmbH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vorbehaltenen Nießbrauchs gegen Einmalzahlung zu Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 17 EStG (Anteilsveräußerung bei wesentlicher Beteiligung) führt.
Der Kläger war zu 30 v.H., nämlich mit einer Stammeinlage von 60.000 DM von 200.000 DM, an der Kleinwohnungsgesellschaft H mbH (nachfolgend KWGHmbH) beteiligt.
Mit notariellem Vertrag vom 15.12.1995 (UR ... des Notars ....) übertrug er im Wege vorweggenommener Erbfolge je 1/4 seiner Anteile auf seine 4 Kinder unter Vorbehalt des lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauchs hieran und im Falle seines Ablebens einer dinglichen Last in Form wiederkehrender Zahlungen für die Klägerin.
Mit notariellem Vertrag vom 27.12.1997 (UR ... des Notars ....) veräußerten bis auf einen (dieser nur einen Teil) alle Anteilseigner ihre Anteile; von dem Gesamtkaufpreis in Höhe von 12.250.000 DM entfielen auf die Anteile der Kinder des Klägers jeweils 1.087.500 DM. In dem Vertrag verzichteten der Kläger und die Klägerin auf ihre Rechte an den veräußerten Anteilen mit sofortiger Wirkung, wobei sich die Verzichtserklärungen ausdrücklich nicht auf die Ansprüche gegen die Kinder bezogen; diese waren einer besonderen Regelung mit diesen vorbehalten. Die Kinder zahlten den Klägern für deren Verzicht je 145.000 DM. Ein schriftlicher Vertrag hierüber existiert nicht.
Bei Erlass des Einkommensteuerbescheids 1995 vom 18.09.1996 war dieser Vorgang dem Beklagten (dem beklagten Finanzamt – FA - ) noch nicht bekannt.
Nachdem das FA von den Ausgleichszahlungen der Kinder für die Ablösung des Nießbrauchs erfahren hatte, änderte es den Bescheid nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO), wobei es nunmehr aus der Übertragung der Anteile an die Kinder einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 570.324 DM erfasste (Einkommensteueränderungsbescheid 1995 vom 03.04.2000).
Dabei ging das FA davon aus, dass die Anteile im Verhältnis der Abstandszahlungen zu ihrem Verkehrswert in Höhe des Veräußerungspreises im Jahr 1987 (580.000 DM / 4.350.000 DM = 13.33 v.H.) entgeltlich und im Übrigen unentgeltlich auf die Kinder übertragen worden waren.
Der angesetzte Veräußerungsgewinn ergab sie hieraus wie folgt:
Veräußerungserlös |
580.000 DM |
anteilige Anschaffungskosten 13,22 v. H. des eingezahlten Kapitals von 60.000 DM |
- 8.000 DM |
13,22 v. H. der Veräußerungskosten lt. vorliegender Kostenrechnungen |
- 1.676 DM |
Veräußerungsgewinn |
570.324 DM |
Der Einspruch der Kläger, mit dem diese die Auffassung vertraten, bei der Ablösung des Nießbrauchs handele es sich um einen nicht steuerbaren Vorgang auf der privaten Vermögensebene, hatte keinen Erfolg.
Hiergegen richtet sich die Klage, mit der sich die Kläger weiterhin gegen die Erfassung eines Veräußerungsgewinns aus der Übertragung der Anteile auf ihre Kinder wenden.
Die Ablösung des Nießbrauch sei ein selbständiges Rechtsgeschäft, beruhe auf einem eigenständigen Rechtsvorgang. Das Entgelt hierfür stelle kein nachträgliches Entgelt für die frühere Übertragung der Geschäftsanteile an der GmbH dar. Durch die Ablösezahlungen erhalte der Nießbraucher lediglich ein Entgelt für die Aufgabe der mit dem Nießbrauch verbundenen Rechtsposition. Da das Nießbrauchsrecht zum Privatvermögen gehöre, vollziehe sich die hierin liegende Vermögensumschichtung im privaten Bereich. Die Ablösungszahlungen stellten kein Entgelt für die (frühere) Übertragung der Anteile dar, sondern Entgelt für die Aufgabe eines Rechts, nämlich der Nutzungsbefugnis. Sie würden deshalb nicht vom Tatbestand des § 17 EStG erfasst, der lediglich die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft berühre (Hinweis auf BFH-Urteile vom 25.11.1992, BStBl II 1996, 663; vom 21.07.1992, BStBl II 1993, 486; Wacker in Schmidt, § 16 EStG Rdnr. 73; Korn, Nießbrauchgestaltungen auf dem Prüfstand, DStR 1999, ...