Leitsatz (amtlich)
Wenn einem Minderheitsaktionär durch rechtswidrige Nichtzulassung zur Hauptversammlung die Möglichkeit genommen wird, sein Auskunfts-, Frage- und Stimmrecht auszuüben, ist der Aktiengesellschaft unabhängig von den gegebenen Mehrheitsverhältnissen der Nachweis abgeschnitten, die Teilnahme des Minderheitsaktionärs hätte die ohne seine Mitwirkung getroffenen Beschlüsse nicht beeinflussen können.
Orientierungssatz
1. Wenn Anmeldungen nach der Satzung vorgeschrieben sind, haben diese den Zweck, der Verwaltung vor der Hauptversammlung Anhaltspunkte über die Teilnehmerzahl zu geben. Wenn jedoch eine Satzungsbestimmung zur vorherigen Anmeldung fehlt, brauchen sich die Aktionäre überhaupt nicht anzumelden, sondern es genügt, daß sie sich in der Hauptversammlung als Aktionäre legitimieren.
2. AktG 3 134 Abs 3 bestimmt nur, daß die schriftliche Stimmrechtsvollmacht der Gesellschaft vorzulegen ist, ohne zu regeln, zu welchem Zeitpunkt dies zu geschehen hat. Danach ist es sogar ausreichend, daß sie erst nach der Hauptversammlung vorgelegt wird, wenn der Aktionär zur Abstimmung zugelassen worden war. Allerdings kann ein Vertreter, der die schriftliche Stimmrechtsvollmacht nicht in der Versammlung beibringt, von der Hauptversammlung zurückgewiesen werden.
3. Gemäß Aktiengesetz § 23 Abs 5 kann die Satzung von den Vorschriften des Aktiengesetzes nur abweichen, wenn es ausdrücklich zugelassen ist. Daraus folgt, daß das gemäß Aktiengesetz § 134 Abs 3 verbriefte Recht des Aktionärs, sich in der Hauptversammlung vertreten zu lassen, nicht eingeschränkt werden darf.
4. Die beklagte Aktiengesellschaft hat zu beweisen, daß die Verletzung des Auskunftsrechts ohne Einfluß auf den angefochtenen Hauptversammlungsbeschluß gewesen ist, woran strenge Anforderungen zu stellen sind. Diese Frage kann nur nach einem objektiven Maßstab, nämlich danach beurteilt werden, wie ein objektiv urteilender Aktionär abstimmt haben würde. Nicht jeder Hauptversammlungsbeschluß beruht auf der Auskunftsverweigerung. Vielmehr gibt es Fälle, in denen gar kein Zweifel darüber bestehen kann, daß das Ergebnis der Abstimmung durch eine unberechtigte Auskunftsverweigerung nicht beeinflußt worden ist. Dies ist dann der Fall, wenn ein objektiver Beurteiler auch bei ordnungsgemäß erteilter Auskunft nicht anders abgestimmt haben würde, als nach der Auskunftsverweigerung abgestimmt worden ist (so auch BGH, 1989-05-22, II ZR 206/88, WM IV 1989, 1128).
5. Solange dem Minderheitsaktionär nicht einmal Gelegenheit gegeben wird, sein Auskunfts- und Fragerecht auszuüben, kann sich die Aktiengesellschaft nicht darauf berufen, er habe sein Auskunftsrecht mißbräuchlich ausüben wollen und der Vorstand sei deshalb berechtigt gewesen, die beabsichtigten Auskünfte zu verweigern.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 31. Januar 1991 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 12.500 DM abzuwenden, falls nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaften einer deutschen Großbank oder öffentlichrechtlichen Sparkasse erbracht werden.
Die Beschwer der Beklagten beträgt 100.000 DM.
Tatbestand
Der Kläger hat sich mit der am 29.08.1990 eingereichten und am 11.10.1990 zugestellten Anfechtungsklage gegen die in der Hauptversammlung der Beklagten vom 31.08.1990 gefaßten Beschlüsse gewandt, durch welche dem Vorstand und dem Aufsichtsrat der Beklagten für das Geschäftsjahr 1989 Entlastung erteilt worden ist.
Der Kläger ist seit 1989 mit einer Aktie im Nennwert von 50 DM Minderheitsaktionär der Beklagten.
Ende 1989 übersandte Rechtsanwalt Dr. H. namens und im Auftrage des Klägers dessen Aktie im Nennwert von 50 DM der Beklagten zum Zwecke der Hinterlegung gemäß § 125 Abs. 2 Nr. 1 AktG. Die Beklagte weigerte sich, die Aktie zur Hinterlegung entgegenzunehmen, weil sie keine Depot-Bank sei, und sandte die Aktie zurück. Der Kläger ließ die Aktie erneut durch seinen Anwalt zur Hinterlegung übersenden und erhielt sie im März 1990 wieder zurück (Anlagen K 10-K 15 = Bl. 36-42 Anlagenhefter). Daraufhin erwirkte der Kläger im Mai 1990 vor dem Amtsgericht Düsseldorf eine einstweilige Verfügung, wonach die Beklagte verpflichtet wurde, die Aktie als hinterlegt entgegenzunehmen. Durch – rechtskräftiges – Urteil vom 31.10.1990 (23 S 325/90 LG Düsseldorf – 43 C 50264/90 AG Düsseldorf) wies das Landgericht Düsseldorf die Berufung der Verfügungsbeklagten (= der Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits) zurück (64-69 GA).
Im Jahre 1990 wollte der Kläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H., an der auf den 31.08.1990 einberufenen, rechtzeitig im Bundesanzeiger bekannt gemachten Hauptversammlung der Beklagten im P. S. in D. teilnehmen. In der Tagesordn...