Leitsatz
1. Zum Arbeitslohn gehören auch irrtümliche Überweisungen des Arbeitgebers. Die Rückzahlung von Arbeitslohn ist erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Abflusses einkünftemindernd zu berücksichtigen (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
2. Auch bei beherrschenden Gesellschaftern ist der Abfluss einer Arbeitslohnrückzahlung erst im Zeitpunkt der Leistung und nicht bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Rückforderung anzunehmen.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 11 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 2 Satz 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, § 25 EStG, § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO
Sachverhalt
Der Kläger erzielte in den Streitjahren (2008 bis 2010) als Geschäftsführer einer GmbH, deren Alleingesellschafter er war, Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit. Eine bei der GmbH im Jahr 2011 durchgeführte Außenprüfung ergab, dass die GmbH die dem Kläger zustehenden Tantiemen und Urlaubsgeldansprüche in den Streitjahren irrtümlich abweichend vom Arbeitsvertrag berechnet und ausgezahlt hatte. Die GmbH forderte die überzahlten Beträge daraufhin vom Kläger zurück. Es handelte sich für den Veranlagungszeitraum 2008 um Tantiemen i.H.v. 6.978,52 EUR und um Urlaubsgeld i.H.v. 1.273,75 EUR, für 2009 um Tantiemen i.H.v. 5.062,78 EUR und um Urlaubsgeld i.H.v. 1.592,87 EUR sowie für 2010 um Urlaubsgeld i.H.v. 1.592,87 EUR. Der Prüfer aktivierte in seinen Prüferbilanzen für die Streitjahre entsprechende Forderungen der GmbH gegen den Kläger. Im Anschluss an die bei der GmbH durchgeführte Außenprüfung änderte das FA die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide des Klägers für die Streitjahre gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und erhöhte dessen Arbeitslohn aus hier nicht im Streit stehenden Gründen um Sachbezüge aus einer Pkw-Überlassung. Der Kläger legte gegen die Änderungsbescheide Einspruch ein. Er brachte u.a. vor, dass seine Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit um die zu viel gezahlten Tantiemen und Urlaubsgelder zu kürzen seien. Das FG wies die Klage nach erfolglosem Vorverfahren ab (Niedersächsisches FG, Urteil vom 19.2.2014, 9 K 217/12, Haufe-Index 6670865, EFG 2014, 903).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück. Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen seien die die von der GmbH an den Kläger versehentlich überhöht ausgezahlten Tantiemen und Urlaubsgelder Lohnzahlungen, aber keine vGA. Denn die GmbH als Arbeitgeberin des Klägers habe diese Leistungen, um ihrer vermeintlichen arbeitsvertraglichen Verpflichtung zu genügen, erbracht. Die überhöhten Zahlungen an den Kläger gründeten dagegen nicht im Gesellschaftsverhältnis. Unerheblich sei insoweit, dass die GmbH die Beträge unrichtig ermittelte und dementsprechend überhöhte Tantieme- und Urlaubsgeldzahlungen geleistet habe. Denn es entspreche der langjährigen Rechtsprechung des BFH, dass zum Arbeitslohn auch versehentliche Überweisungen des Arbeitgebers gehörten, die er zurückfordern könne (BFH, Urteile vom 22.5.2002, VIII R 74/99, BFH/NV 2002, 1430 und vom 4.5.2006, VI R 17/03, BFH/NV 2006, 1744, m.w.N.). Auch sind im Streitfall keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die GmbH dem Kläger die Überzahlungen aufgrund seiner Stellung als Gesellschafter zugewandt habe.
Das FG habe ferner zu Recht entschieden, dass die Rückzahlung der von der GmbH zurückgeforderten Tantiemen und Urlaubsgelder erst im Veranlagungszeitraum des tatsächlichen Abflusses einkünftemindernd zu berücksichtigen sei und den Abfluss in den Streitjahren zutreffend verneint. Denn nach den nicht angegriffenen und daher bindenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (§ 118 Abs. 2 FGO) habe der Kläger die Rückforderung der GmbH nicht bedient. Auch habe der Umstand, dass der Prüfer in seinen Prüferbilanzen für die Streitjahre entsprechende Forderungen der GmbH gegen den Kläger aktiviert habe, in den Streitjahren noch nicht zum Abfluss der von der GmbH erst im Jahr 2011 zurückgeforderten Beträge geführt. Denn die Buchungen erfolgten ebenfalls erst nach Ablauf der Streitjahre im Jahr 2011. Eine für abgelaufene Jahre (rückwirkend) vorgenommene Buchung könne den tatsächlichen Abfluss in den Vorjahren nicht herbeiführen.
Hinweis
1. Zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG alle Bezüge und Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht oder ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag de...