Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer. Rückerwerb von während der Bodenreform enteignetem Grundbesitz
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Flächenerwerb durch Wiedereinrichter nach dem Flächenerwerbsprogramm (§§ 3 ff AusglLeistG) ist kein Grundstückserwerb im Sinne des § 1 Abs. 1 GrEStG, sondern Teil des verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleichs für die Opfer der sogenannten demokratischen Bodenreform.
2. Die Vorschrift des § 34 Abs. 3 VermG ist auch auf Erwerbsvorgänge nach dem AusglLeistG anwendbar.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1; VermG § 34 Abs. 4; AusglLeistG §§ 3, 6 Abs. 2; GG Art. 20, 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 19.9.1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.1.2002 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Grunderwerbsteuerfreiheit des Rückerwerbs während der Bodenreform enteigneter Grundstücke.
Der Kläger wendet sich gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 19.9.1997, bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 14.1.2002, mit dem der Beklagte die Grunderwerbsteuer aus einer Bemessungsgrundlage von 747.764,– DM auf 26.171,– DM festsetzte. Der Festsetzung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Mit Vertrag vom 16.12.1996 (Bl. 4 d. Steuerakte) kaufte der Kläger nach dem Flächenerwerbsprogramm der §§ 3 ff. AusglLeistG als Wiedereinrichter von der BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH bzw. der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (Verkäuferin) die im Vertrag genannten Wald- bzw. landwirtschaftlichen Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 422,0239 ha zu einem Kaufpreis von 747.464,45 DM. Die Grundstücke stammen im wesentlichen aus dem 1945 während der sogenannten „Bodenreform” enteigneten Familienbesitz der Adoptivmutter des Klägers, deren Alleinerbe er ist. Zu den erworbenen Flächen gehören nach § 2 Abs. 2 d „sonstige Flächen außerhalb des AusglLeistG von 1,4200 ha” mit einem Kaufpreisanteil von 13.120,80 DM. Dabei handelt es sich um das Waldflurstück Nr. 81 (91,2 ha), zu dem bereits vor der Enteignung von 1945 eine landwirtschaftliche Teilfläche gehörte.
Der Kläger ist der Ansicht, der Erwerbsvorgang sei sowohl nach § 34 Abs. 3 Vermögensgesetz – VermG – als auch nach § 11 Eigentumsübertragungsgesetz vom 22.7.1990 – EigentÜbertrG – von der Grunderwerbsteuer befreit. § 11 Satz 2 der Flächenerwerbsverordnung – FlErwV – stehe dem nicht entgegen. Dem Verordnungsgeber stehe keine steuerrechtliche Gesetzgebungskompetenz zu, aufgrund derer er die Regelung des § 11 EigentÜbertrG habe ändern oder außer Kraft setzen können. Nicht einmal der Wortlaut von § 11 FlErwV – „Der Erwerber soll zur Übernahme der … Grunderwerbsteuer verpflichtet werden” – lasse erkennen, daß der Verordnungsgeber mehr als eine Zuweisung, wenn Grunderwerbsteuer denn anfallen würde, habe in die Kaufverträge aufnehmen lassen wollen. Der Verweis in § 6 Abs. 2 AusglLeistG auf das VermG sei nicht beschränkt, sondern gelte für alle Ausgleichsleistungen. Mit der ursprünglichen Zweckbindung des Rückerwerbs als Wiedergutmachungsprogramm vor allem für Alteigentümer sei die Erhebung von Grunderwerbsteuer schon per se unvereinbar.
Der Kläger beantragt,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 19.9.1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.1.2002 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, eine gesetzliche Grundlage für die Befreiung von Grunderwerbsteuer sei nicht ersichtlich. Die Befreiung nach § 11 EigentÜbertrG sei nicht gegeben, weil das EigentÜbertrG einen vom AusglLeistG verschiedenen Anwendungsbereich habe. Das AusglLeistG regele die Ausgleichsleistungen für Vermögenswerte, die in der Zeit von 1945 bis 1949 entschädigungslos enteignet worden seien und die nach Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Staaten vom 15.6.1990 nicht mehr hätten rückgängig gemacht werden können. Übertragungen nach dem AusglLeistG unterlägen der Grunderwerbsteuer. Eine Steuerbefreiung sei für diese Vorgänge nicht vorgesehen. Aus § 11 Abs. 2 FlErwV ergebe sich, daß der Erwerber bei allen derartigen Kaufverträgen zur Übernahme der Grunderwerbsteuer verpflichtet sei. Das AusglLeistG gehe somit von der Grunderwerbsteuerbarkeit der Grundstücksübertragungen aus. Eine Auslegung des AusglLeistG dahingehend, daß die in § 11 EigentÜbertrG genannte Steuerfreiheit auch dort gelte, sei nicht möglich. Die Grunderwerbsteuerbefreiung ergebe sich auch nicht aus § 6 Abs. 2 AusglLeistG a.F. i.V.m. § 34 Abs. 3 VermG. Auch bei § 6 Abs. 2 AusglLeistG a.F. seien die anzuwendenden Regelungen jeweils nach dem Gesichtspunkt der Spezialität zu ermitteln. Treffe ...