Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abgrenzung einer entgeltlichen Anschaffung gegenüber einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen
Leitsatz (amtlich)
1. Erwirbt die Tochter vom Vater durch notariellen „Kaufvertrag“ eine existenzsichernde Wirtschaftseinheit (hier: vermietetes Mehrfamilienhaus) zu einem am Wert der Wirtschaftseinheit orientierten Kaufpreis und verpflichtet sie sich parallel dazu gegenüber dem Vater zur Zahlung einer Rente aus den Erträgnissen der Wirtschaftseinheit, liegt eine entgeltliche Anschaffung und keine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen vor. Dies gilt auch dann, wenn die Tochter den Kaufpreis für die Wirtschaftseinheit aus Vermögen erbringt, welches ihr unmittelbar zuvor von der Großmutter unentgeltlich übertragen wurde und sodann in Bargeld umgeschichtet wird.
2. Auch wenn bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung aller Verträge die Tochter die Wirtschaftseinheit bis auf die zu erbringende Rentenverpflichtung unentgeltlich erhalten hätte, ist die Rentenverpflichtung nicht als dauernde Last anzuerkennen, wenn sie ausdrücklich mit Rücksicht auf den Erbverzicht des Vaters gegenüber der Großmutter begründet wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das von der Großmutter generationsübergreifend übertragene unternehmerische Vermögen liquidiert wird.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1 a
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Anerkennung von Zahlungen der Klägerin an ihren Vater als dauernde Last im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1a Einkommensteuergesetz (EStG).
Die Klägerin ist die Enkelin der Witwe ... (AM) und die Tochter des Bäckermeisters ... (BM). AM und ihr Sohn BM waren Gesellschafter der ... OHG (nachfolgend OHG), welche Brot- und Backwaren erstellte. Der Kapitalanteil der AM belief sich auf 20%, der Anteil des BM auf 80%. Zum Betriebs- und Gesamthandsvermögen der OHG gehörte auch das mit einem Mehrfamilienhaus bebaute Grundstück X, welches an diverse Parteien vermietet ist. AM, BM und die Klägerin beschlossen, den Geschäftsbetrieb der OHG nebst deren Geschäftsgrundstück unter Zwischenschaltung der Klägerin an einen Investor zu veräußern, wobei das vorgenannte Mehrfamilienhaus X im Familienbesitz bleiben sollte.
Mit Vertrag vom 14. Dezember 1995 überließ AM ihren 20%igen Anteil an der OHG sowie das in ihrem Alleineigentum stehende Betriebsgrundstück der OHG, belegen im Y, der Klägerin im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Der Wert des übertragenen Vermögens wurde mit 1.180.000,-- DM angegeben. Mit Rücksicht auf die erhaltene Zuwendung verpflichtete sich die Klägerin gegenüber AM zur Zahlung einer preisindexierten lebenslangen Rente in Höhe von monatlich 2.000,-- DM zuzüglich der darauf entfallenden Ertragssteuern. Diese Verpflichtung soll jedoch ruhen, solange BM „gemäß einem noch besonders abzuschließenden Vertrag 80% der Netto-Kaltmiete des Hausgrundstücks X zustehen, aus denen er der [AM] die ... beschriebene Rente zu zahlen haben wird“. Die Klägerin und der am Übergabevertrag mitwirkende BM verständigten sich in gleicher Urkunde auf einen Verkauf des Unternehmens der OHG nebst dem Geschäftsgrundstück Y. Sie bestimmten, dass für das Innenverhältnis von dem Kaufpreis für den Unternehmensverkauf auf das Grundstück Y 900.000,-- DM entfallen sollten. BM verzichtete zugleich auf etwaige aus der Vermögensübertragung resultierende Pflichtteilsergänzungsansprüche.
Ebenfalls mit Vertrag vom 14. Dezember 1995 veräußerten die Klägerin und BM den Geschäftsbetrieb der OHG mit näher bezeichneten Aktiva und Passiva sowie das Betriebsgrundstück Y an einen Investor zum Preis von 4,7 Mio DM. Dabei wurden die übernommenen Verbindlichkeiten der OHG bis zur Höhe von 3,7 Mio DM zuzüglich Kontokorrentverbindlichkeiten auf den Kaufpreis angerechnet. Nach Verrechnung einzelner Sonderpositionen wurde an die Verkäufer ein Nettokaufpreis in Höhe von 1.044 TDM ausgezahlt. Das im Eigentum der OHG stehende Mehrfamilienhaus X war nicht Gegenstand des Kaufvertrags mit dem Investor. Hinsichtlich des vorgenannten Mehrfamilienhauses schlossen die Klägerin und BM ebenfalls am 14. Dezember 1995 einen Vorvertrag, wonach die Klägerin das Grundstück von der als Gesellschaft bürgerlichen Rechts fortzuführenden OHG zum Kaufpreis von 712.000,-- DM (890.000,-- DM abzüglich des 20%igen OHG-Anteils der Klägerin) „käuflich erwerben“ sollte. Unter der aufschiebenden Bedingung des Zustandekommens des Vorvertrags trafen die Klägerin und BM unter Ziffer 10 der Vertragsurkunde die folgende Rentenvereinbarung:
„Mit Rücksicht darauf, dass Frau ... (Klägerin) von ihrer Großmutter ... (AM) deren Gesellschaftsanteil und das Betriebsgrundstück Y gegen Gewährung einer den Wert unterschreitenden Leibrente und unter Umgehung von Herrn ... (BM) als des gesetzlichen Erben erhalten hat, verpflichtet sich Frau ... (Klägerin), an ihren Vater auf dessen Lebenszeit eine Rente in Höhe von 80% der Netto-Kalt...