Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Wandelt sich das von einer Kapitalgesellschaft betriebene und wegen Insolvenzeröffnung zunächst unterbrochene Klageverfahren betreffend KSt durch Aufnahme des Rechtsstreits durch das FA in ein Insolvenz-Feststellungsverfahren und einigen sich die Beteiligten jenes Verfahrens über eine Verminderung der ursprünglich angesetzten vGA mit der Folge, dass das FA seine Anmeldungen zur Insolvenztabelle entsprechend vermindert und der Rechtsstreit in der KSt-Sache in der Hauptsache für erledigt erklärt wird, so ist bei summarischer Betrachtung in sinngemäßer Anwendung des § 32a Abs. 1 KStG die Vollziehung des ESt-Bescheids des Gesellschafters dementsprechend auszusetzen.
Normenkette
§ 32a Abs. 1 KStG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 69 FGO
Sachverhalt
Anlässlich einer Außenprüfung bei einer GmbH, die mehrere Gaststätten betrieb, gelangte die Prüferin zu der Auffassung, die Buchführung sei wegen erheblicher Mängel nicht ordnungsgemäß. Es kam zu erheblichen Hinzuschätzungen bei der GmbH, die als vGA beurteilt wurden. Beim Anteilseigner setzte das FA die vGA als Einnahmen aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG an. Über seine dagegen erhobene Klage ist noch nicht entschieden.
Die von der GmbH gegen den Ansatz der vGA erhobene Klage war zunächst wegen der Insolvenzeröffnung über ihr Vermögen unterbrochen worden. Das für die GmbH zuständige FA nahm das Verfahren aber wieder auf und verständigte sich mit dem Insolvenzverwalter, dass die Hinzuschätzungsbeträge bei der KSt nur noch zu einem Drittel als vGA zu behandeln sind. Demgemäß verminderte das FA seine Anmeldung der KSt-Forderung zur Insolvenztabelle entsprechend. Die Beteiligten haben daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Der Anteilseigner machte im AdV-Verfahren erfolglos geltend, aufgrund der Tatsache, dass im KSt-Verfahren nur noch ein Drittel der bisher angesetzten vGA bei der GmbH zugrunde gelegt worden sei, müsse auch die ESt-Festsetzung für ihn nach § 32a Abs. 1 KStG entsprechend geändert werden.
Das FG (Niedersächsisches FG, Beschluss vom 28.08.2008, 15 V 200/08, Haufe-Index 2048868, EFG 2008, 1824) lehnte den Aussetzungsantrag ab. Es könne nicht selbst gestaltend oder korrigierend tätig werden, weil § 32a Abs. 1 KStG eine Ermessensentscheidung des FA erfordere.
Entscheidung
Auf die -- vom FG zugelassene -- Beschwerde des Anteilseigners hob der BFH den Beschluss des FG auf und setzte die Vollziehung der strittigen ESt-Bescheide antragsgemäß aus. Die Vorschrift des § 32a Abs. 1 KStG sei im Streitfall bei summarischer Prüfung sinngemäß anzuwenden.
Hinweis
In diesem Fall berühren sich zwei Normenkomplexe, die beide noch ungeklärte Rechtsfragen aufwerfen: Es handelt sich zum einen um die noch relativ junge Vorschrift des § 32a KStG, die für das Gebiet der vGA eine verfahrensrechtliche Verknüpfung zwischen der Ebene der Gesellschaft und der des Anteilseigners herstellt, und zum anderen um das Verhältnis von Insolvenzrecht und Steuerrecht. Im Einzelnen:
1. Auch nach der Einführung des § 32a KStG stehen der KSt-Bescheid der Gesellschaft und der ESt-Bescheid des Anteilseigners nicht im Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid (§ 171 Abs. 10 AO).
Jedoch ist § 32a KStG (zusammen mit den damit korrespondierenden Änderungen des § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. d EStG und des § 8b KStG) vom Gesetzgeber im Ergebnis – unter Durchbrechung des Trennungsprinzips – auf die Kongruenz der Besteuerung der Ebenen der Gesellschaft und des Anteilseigners angelegt. Dieser Gesetzeszweck ist bei der Auslegung der Vorschrift als Richtschnur zu berücksichtigen.
2. Die Formulierung "kann" in § 32a KStG legt ein Entschließungs- und Auswahlermessen der FÄ nahe. Der BFH ist bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Betrachtung indes davon ausgegangen, dass das dem FA eingeräumte Ermessen in den Fällen des § 32a KStGregelmäßig auf null reduziert wird, wenn die Steuerfestsetzung für den Gesellschafter ohne die Änderung sachlich unrichtig wäre. Dies entspricht dem Normzweck.
3. Die Vorschrift des § 32a KStG setzt voraus, dass gegenüber einer Körperschaft ein Steuerbescheid hinsichtlich der Berücksichtigung einer vGA erlassen, aufgehoben oder geändert wird.
Diese Voraussetzung ist bei wortlautgetreuer Auslegung der Vorschrift nicht erfüllt, wenn das von der Körperschaft wegen des Ansatzes einer vGA angestrengte Klageverfahren wegen Insolvenz unterbrochen war (§ 240 ZPO), das FA dieses Klageverfahren wieder aufnimmt (§ 180 Abs. 2 InsO), sich mit dem Insolvenzverwalter auf einen niedrigeren Betrag der vGA einigt, seine Anmeldungen zur Insolvenztabelle entsprechend vermindert und die Beteiligten den Rechtsstreit in der KSt-Sache dann in der Hauptsache für erledigt erklären.
Jedoch ist nach Auffassung des BFH bei summarischer Betrachtung in derartigen Fällen die Vorschrift des § 32a KStG sinngemäß anzuwenden. Denn das wegen Insolvenzeröffnung zunächst unterbrochene Klageverfahren betreffend KSt hat sich durch Aufnahme des Rechtsstreits durch das zuständige FA kraft Gesetze...