Leitsatz
1. Tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit ist jede zu den begünstigten Zeiten tatsächlich im Arbeitgeberinteresse ausgeübte Tätigkeit des Arbeitnehmers, für die er einen Anspruch auf Grundlohn hat.
2. Die arbeitszeitrechtliche Einordnung der Tätigkeit nach dem Arbeitszeitgesetz ist für die Auslegung des Begriffs der tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit i.S. von § 3b Abs. 1 EStG ohne Bedeutung.
3. Eine konkret (individuell) belastende Tätigkeit des Arbeitnehmers verlangt § 3b EStG für die Steuerfreiheit von Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschlägen nicht. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer eine grundlohnbewehrte Tätigkeit tatsächlich zu den begünstigten Zeiten ausübt.
Normenkette
§ 3b EStG, § 611 BGB
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, nimmt mit einer Mannschaft am Spielbetrieb einer deutschen Profiliga teil. Die bei ihr angestellten Spieler und Betreuer sind verpflichtet, zu Auswärtsspielen im Mannschaftsbus anzureisen. Erfolgte die Anreise an Sonn- oder Feiertagen oder in der Nacht, erhielten Spieler und Betreuer hierfür neben ihrem Grundgehalt steuerfreie Zuschläge.
Nach einer LSt-Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass für die Beförderungszeiten zu Auswärtsspielen, soweit diese nicht mit belastenden Tätigkeiten verbunden seien (bloßer Zeitaufwand im Mannschaftsbus), keine steuerfreien Zuschläge geleistet werden könnten. Der hierauf entfallende Teil der Zuschläge sei daher von der Klägerin nachzuversteuern. Im Einvernehmen mit der Klägerin bemaß das FA den Anteil der nachzuversteuernden Beträge mit 15 % der steuerfrei geleisteten Zuschläge und erließ einen entsprechenden LSt-Nachforderungsbescheid. Der hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das FG statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 11.7.2019, 14 K 1653/17 L, Haufe-Index 13540164, EFG 2019, 1662).
Entscheidung
Die Revision des FA hat der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen zurückgewiesen.
Hinweis
1. Nach § 3b Abs. 1 EStG sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei, soweit sie bestimmte Prozentsätze des Grundlohns nicht übersteigen.
2. Danach genügt es für die Inanspruchnahme dieser Steuerbefreiungsvorschrift, wenn der Arbeitnehmer – wie hier – zu den in § 3b EStG genannten Zeiten im Interesse seines Arbeitgebers tatsächlich tätig wird, für diese Tätigkeit – hier die Fahrzeiten zu den Auswärtspielen – ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Grundlohn besteht und die Zuschläge aufgrund der Arbeit am Sonntag, Feiertag oder zur Nachtzeit zusätzlich gewährt werden.
3. Unerheblich für die Vergütungspflicht von Reisezeiten ist deren arbeitszeitrechtliche Einordnung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG. Denn die Qualifikation einer bestimmten Zeitspanne als Arbeitszeit i.S.d. gesetzlichen Arbeitszeitschutzrechts führt nicht zwingend zu einer Vergütungspflicht, wie umgekehrt die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit nicht die Vergütungspflicht ausschließen muss.
4. Ob sich die Reisezeiten im Mannschaftsbus für Spieler und Betreuer vorliegend als individuell belastende Tätigkeit darstellen, ist ebenfalls ohne Bedeutung.
a) Eine konkret (individuell) belastende Tätigkeit verlangt das Gesetz für die Steuerfreiheit von Sonntags‐, Feiertags‐ oder Nachtarbeitszuschlägen in § 3b EStG – entgegen der Auffassung des FA – nicht. Vielmehr schöpft es den steuerlichen Entlastungsgrund – den Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen (Störung des biologischen und kulturellen Lebensrhythmus) der mit Sonntags‐, Feiertags‐ oder Nachtarbeit verbundenen Arbeitszeiten – abstrakt-generell und typisierend aus dem Umstand, dass der Dienst zu den dort genannten Zeiten geleistet und dies als in besonderer Weise belastend erachtet wird. Erforderlich, aber auch ausreichend ist daher, dass eine grundlohnbewehrte Tätigkeit – hier die gesamte Fahrtätigkeit – zu den begünstigten Zeiten tatsächlich ausgeübt wird. Ob die zu diesen Zeiten verrichtete Tätigkeit den einzelnen Arbeitnehmer in besonderer Weise fordert oder ihm "leicht von der Hand" geht, ist nicht entscheidend.
b) Eine dahin gehende Unterscheidung wäre im Übrigen auch nicht praktikabel. Denn die Abgrenzung von individuell belastenden (steuerbegünstigten) und nicht belastenden (nicht begünstigten) Tätigkeiten des Arbeitnehmers während der nach § 3b EStG zuschlagsfähigen Zeiten ist nicht objektivierbar und deshalb weder von den Finanzbehörden verlässlich und belastbar zu handhaben noch justiziabel.
5. Eine Beschränkung der Steuerbefreiung für Sonntags‐, Feiertags‐ oder Nachtarbeitszuschläge auf tatsächlich belastende Tätigkeiten während der Sonntags‐, Feiertags‐ oder Nachtarbeit ist – anders als das FA meint – im Gesetz nicht angelegt. Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck der Vorschrift lassen dahin Gehendes erkennen. Diese Auffassung liegt auch den LStR zugrunde. Denn nach R 3b Abs. 6 Satz 2 LStR gelt...