Leitsatz
Gehen infolge einer Kapitalerhöhung stille Reserven von einbringungsgeborenen Alt-Anteilen auf die neuen Anteile über, sind die neuen Anteile zu gleicher Quote steuerverhaftet. Dem Inhaber der neuen Anteile steht kein Wahlrecht zu, die Steuerverhaftung in anderer Weise auf diese zu verteilen (Bestätigung der BMF-Schreiben vom 25.03.1998, BStBl I 1998, 268, Tz. 21.14; vom 28.04.2003, BStBl I 2003, 292, Tz. 52).
Normenkette
§ 21 Abs. 1 UmwStG 1995
Sachverhalt
Zwei Brüder hielten jeweils die Hälfte der Geschäftsanteile an einer GmbH. Diese fungierte zunächst im Rahmen einer Betriebsaufspaltung als Betriebsgesellschaft. Besitzgesellschaft war eine GbR, deren Gesellschafter ebenfalls die Brüder waren.
Im Rahmen einer Neuordnung der Unternehmensstruktur wurde das Stammkapital der GmbH durch Bildung zweier neuer Stammeinlagen erhöht. Die Brüder, die jeweils einen der neuen Anteile übernahmen, leisteten ihre Einlagen durch Einbringung ihrer Beteiligungen an der GbR als Sacheinlagen. Sodann wurde die GmbH in eine AG umgewandelt. Das Grundkapital der AG war in 132 000 Inhaberaktien im Nennbetrag von 50 DM eingeteilt. Der gemeine Wert aller Anteile belief sich auf 35 772 000 DM.
Anschließend beschloss die Hauptversammlung der AG, deren Grundkapital zu erhöhen. Die Brüder übernahmen die neuen Aktien gegen Bareinlagen je zur Hälfte. Der hier klagende Bruder erfasste in der Folgezeit die Altaktien buchmäßig als Anteilsbesitz I – einbringungsgeborene Anteile – und die jungen Aktien als Anteilsbesitz II – nicht einbringungsgeborene Anteile. Hieraus ergab sich ein Verhältnis von 66/135 : 69/135, welches bei den künftigen Kapitalerhöhungen und Veräußerungen zugrunde gelegt wurde.
Später wurde das Kapital der AG aus Gesellschaftsmitteln weiter erhöht. Die neuen Aktien wurden den Brüdern nach dem eben erwähnten Verhältnis zugeordnet.
Im Zug des anschließenden Börsengangs der AG wurde das Grundkapital noch mehrfach aus Gesellschaftsmitteln erhöht, und die Brüder veräußerten ihre Anteile sukzessive.
Der Kläger behandelte die Veräußerung als nicht steuerbaren Vorgang der Privatsphäre. Das FA ermittelte demgegenüber einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn.
Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 02.03.2007, 9 K 227/98, Haufe-Index 1746075, EFG 2007, 1207).
Entscheidung
Auch der BFH gab dem FA recht:
Für eine Steuerenthaftung nach Maßgabe eines Verstrickungs-Wahlrechts der einbringungsgeborenen Anteile fehle die Rechtsgrundlage. Die von der AG wiederholt durchgeführten Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln, an denen zum Teil auch der Kläger im Rahmen seines Bezugsrechts teilgenommen hatte, hätten zur Folge, dass die daraus hervorgegangenen neuen Aktien wiederum zu 83,83 % steuerverhaftet waren. Bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln werde der Gesellschaft kein neues Vermögen zugeführt und bleibe der Gesamtwert der Beteiligungen gleich, sodass das Verhältnis zwischen den steuerverhafteten und den nicht verhafteten Anteilen sich nicht ändere.
Folglich seien die Veräußerungsgewinne quotal zu versteuern. Zum Trost blieb (wenn auch betraglich auf 30 Mio. DM "gedeckelt") der ermäßigte Steuersatz nach § 16, § 34 EStG 1990.
Hinweis
Streitpunkt waren sog. einbringungsgeborene Anteile und der Umfang deren sog. Steuerverhaftung.
Diese Steuerverhaftung ist mit den einbringungsgeborenen Anteilen in strenger Akzessorietät verbunden; die endliche Besteuerung der gespeicherten stillen Reserven soll gewährleistet bleiben.
Der BFH hat klargestellt (und zugleich die Verwaltungspraxis bestätigt, vgl. BMF-Schreiben vom 28.04.2003, BStBl I 2003, 292, Tz. 52), dass sich dem nicht mittels einer Kapitalerhöhung und einer Sacheinlage in Gestalt einbringungsgeborener Anteile entgehen lässt. Insbesondere lässt sich die Steuerverstrickung nicht dadurch "steuern", dass sie nach freiem Belieben auf neue Anteile, die anlässlich der Kapitalerhöhung begeben werden, verteilt wird – was zur Folge hätte, dass etliche Anteile ganz, andere aber gar nicht mehr steuerverhaftet wären. Ein solches Wahlrecht zur "Verstrickungs-Haufenbildung" einzelner Anteile ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die Steuerverhaftung bleibt vielmehr quotengleich allen neuen Anteilen "erhalten".
Dass sich ein "Steuerverstrickungs-Wahlrecht" prinzipiell durchaus mit dem Regelungsziel vereinbaren ließe, ändert daran nichts. Es bedürfte dazu einer Regelungsgrundlage, an welcher es (in § 21 UmwStG 1995) indes fehlt.
Konsequenz: Die entsprechende Gestaltungsmöglichkeit entfällt.
Das wirkt sich (auch) auf einbringungsgeborene Anteile aus, die auf einer Übertragung bis zum 12.12.2006 beruhen und die deswegen nach wie vor den Restriktionen des § 8b Abs. 4 KStG a.F. unterworfen sind (vgl. § 34 Abs. 7a KStG).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.11.2007, I R 34/07