Entscheidungsstichwort (Thema)
Lieferungen an nur einen einzigen Abnehmer jeweils auf dessen Anforderung begründet keine gewerbliche Tätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Der Handel (im Streitfall: mit Teufelskrallenwurzel) stellt mangels Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr keinen Gewerbebetrieb dar, wenn die Lieferungen jeweils auf Anforderung an nur einen einzigen Abnehmer erfolgen, der Steuerpflichtige über den Verkauf an diesen einzigen Abnehmer hinaus nicht am Markt in Erscheinung getreten ist und insbesondere keine Eigeninitiative für den Handel entwickelt hat.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2 S. 1; GewStG § 2 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid 2002 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 16. September 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 2009 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vo r der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist bei dem Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2002, ob die Tätigkeiten des Klägers aus einem Handel mit der Teufelskrallenwurzel sowie Fleischverarbeitung mit dem nachgelagerten Betrieb von Bratwurstständen einen einheitlichen oder zwei selbstständige Gewerbebetriebe i.S.d. Gewerbsteuergesetzes dargestellt haben.
Der Kläger ist Fleischermeister. Er betrieb im Streitjahr 2002 Verkaufsstellen in Märkten Dritter und belieferte Dritte mit Bratwürsten, die er im Eigenbetrieb aus zugekauftem Fleisch hergestellt hatte.
Der Kläger hatte mit seiner Familie zuvor in Namibia gewohnt und dort persönliche Beziehungen aufgebaut. Er importierte seit 1997 die Wurzel der Teufelskralle, um sie zur Herstellung von Medikamenten an einen einzigen Abnehmer (Chemie GmbH & Co. in X-Stadt) zu verkaufen. Währenddessen seine Handelstätigkeit mit Tee und Kräutern im Laufe der Zeit unrentabel wurde, konnte er über die Jahre den Handel mit der Teufelskrallen-Wurzel aufrechterhalten. Einkauf, Verschiffung und Abnahme der Teufelskrallen-Lieferungen waren jeweils vom Abruf des einzigen Käufers abhängig. Die Lieferungen erfolgten am Freihafen Hamburg. Der Abnehmer übernahm die Abfertigung der Einfuhr, die Überprüfung der Ware und den Abtransport der Container. Die Anzahl der Lieferungen schwankte über die Jahre stark. Während im Streitjahr ca. 14 Lieferungen stattfanden, lieferte der Kläger in späteren Jahren keine oder nur vereinzelt Container.
Der Kläger schloss mit seinen Geschwistern am 6. Juni 2001 einen Vertrag über die Errichtung einer typisch stillen Gesellschaft, mit dem er seine Geschwister am Erfolg des Geschäfts mit der Teufelskrallen-Wurzel beteiligte (Blatt 2 der Einkommensteuerakte 2001). Im Rahmen des Klageverfahrens hat der Kläger eine Zusatzvereinbarung vom 1. Dezember 2001 zum Vertrag über die Errichtung einer typisch stillen Gesellschaft vom 6. Juni 2001 vorgelegt, auf die inhaltlich verwiesen wird (Bl. 39 der Gerichtsakte). Im Ergebnis besteht zwischen den Parteien jedoch insoweit Einigkeit, dass der Kläger den ursprünglichen Vertrag sowie die „Zusatzvereinbarung” nicht in der vereinbarten Form durchführte. Vielmehr nutze er in 2002 die aus dem Teufelskrallenhandel erwirtschafteten Gewinne, um mit ihnen Verluste aus dem Fleischereigeschäft auszugleichen und sich einen „Unternehmerlohn” zu gewähren. Den dann verbleibenden Überschuss schüttete er anteilig an seine Geschwister aus.
Der Kläger erstellte Rechnungen (in roter Schrift) im Fleischereibereich unter der Firmierung „XXX Fleischermeister Thüringer Wurst- und Feinkostspezialitäten, gegründet zu Thüringen”. Im Handelsbereich (mit Teufelskralle-Wurzeln) erstellte er Rechnungen (blaue Schrift) unter der Bezeichnung „XXX Import-Export”.
In der Bilanz des Kalenderjahres 2002 erfasste er die Anteile der stillen Gesellschafter (Geschwister) sowie die stillen Beteiligten unter dem Bilanzposten „Sonstige Verbindlichkeiten”. Wegen der Berechnung der Gewinnanteile wird auf die Bilanz des Kalenderjahres 2002 verwiesen. Der Kläger meldete für den Anteil der stillen Gesellschafter i.H.v. 44.177 EUR im Januar 2003 die Kapitalertragsteuer an.
Von August 2004 bis März 2005 führte der Beklagte bei dem Kläger eine Betriebsprüfung durch. Nach Ansicht des Prüfers bildeten die geschäftlichen Aktivitäten des Klägers – Fleischereibetrieb/Imbiss sowie Großhandel mit Teufelskralle – jeweils gesonderte Gewerbebetriebe im Sinne des Gewerbesteuergesetzes. Der Prüfer ermittelte die Einkünfte aus dem Handel mit den Teufelskrallen-Wurzeln daher gesondert (vgl. Betriebsprüfungsakte I, Bl. 102 bis 103).
Auf der Grundlage der Betriebsprüfung erließ der Beklagte am 16. September 2009 erstmals für die Tätigkeitsbereiche des Klägers selb...