Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3b StromStG bei fehlender Identität zwischen dem gegenüber dem Letztverbraucher Leistenden und dem Anlagenbetreiber bzw. dem die Stromerzeugung Veranlassenden. Bindungswirkung einer aufgrund formaler Antragsmängel rechtswidrigen verbindlichen Auskunft
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3b StromStG i.d. Fassung ab 1.8.2006 erfasst keine Leistungsbeziehungen, in denen der Erzeuger den Strom aufgrund eines Abnahmevertrags an einen Versorger liefert, der ihn schließlich an die Letztverbraucher leistet. Insoweit wird der Strom nicht durch denjenigen, der die Anlage betreiben lässt, an den Letztverbraucher geleistet.
2. Danach scheidet eine Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 b StromStG aus, wenn die Leistung des Stroms gegenüber dem Letztverbraucher durch eine GmbH weder als die Person, die die Anlage betreibt noch als Person, die die Anlage betreiben lässt erfolgt, nach dem die Anlage von den Stadtwerken und nicht von der GmbH betrieben wird. Dass durch die gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsverhältnisse zwischen der GmbH und den stromerzeugenden Stadtwerken stattfindende abgestimmte Zusammenwirken bewirkt nicht, dass die leistende GmbH die Anlage auf ihre Veranlassung von den Stadtwerken beitreiben lässt (entgegen FG Hamburg v. 26.1.2010, 4 K 53/09).
3. Der Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft steht nicht entgegen, dass das Antragsschreiben den in § 1 Abs. 2 Nr. 1 – 7 StAuskV näher bestimmten formalen und inhaltlichen Voraussetzungen für einen Antrag auf verbindliche Auskunft nicht entspricht, was die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts zur Folge hat.
4. Verneint das HZA im Gegensatz zu einer rechtswidrigen verbindlichen Auskunft erstmals die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 3b StromStG, wird keine wirksame Rücknahme der rechtswidrigen verbindlichen Auskunft für die Zukunft nach § 130 AO bewirkt.
Normenkette
StromStG n.F. § 9 Abs. 1 Nr. 3b; StromStG a.F. § 9 Abs. 1 Nr. 3; AO § 89 Abs. 2 S. 4, §§ 118, 130; StAuskV § 1 Abs. 2 Nrn. 1-7
Tenor
1. Unter Änderung des Steuerbescheids vom 20.06.2007 – V 4260 B – 2712 – B 15, in Form des Steueränderungsbescheids vom 05.02.2008 – V 4225 B – 2712 - B16, in Gestalt der Einspruchsentscheidung 17.09.2009, wird die Stromsteuer um 239.869,46 EUR auf 1.144.986,36 EUR herabgesetzt.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Im Streit steht die Bewertung eines Schreibens als verbindliche Auskunft sowie die Auslegung des Tatbestandsmerkmals des „Betreiben oder Betreiben lassen” nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Stromsteuergesetzes (StromStG) in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 3 b StromStG in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). An ihrem Stammkapital sind die S-Stadt zu 60 v. H. und die B-AG zu 40 v. H. beteiligt. Sie beliefert die S-Stadt und Umgebung mit Elektrizität und unterhält die hierfür erforderlichen Versorgungsanlagen.
Gegenstand des Streits ist Strom, der in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) in Form einer Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage mit einer maximalen Wirkleistung von 1.840 kW erzeugt wurde. Bis zum Verkauf an die Klägerin im März 2008 waren die Stadtwerke Sonneberg Eigentümer des BHKW. Den in der Anlage erzeugten Strom speisten die Stadtwerke auf der Grundlage eines mit der Klägerin geschlossenen Einspeisevertrags ausschließlich in das örtliche Mittel- und Niederspannungsnetz der Klägerin ein. Die Klägerin war zur Abnahme der gesamten in der Anlage erzeugten elektrischen Arbeit und Leistung verpflichtet, den sie im räumlichen Zusammenhang zur Anlage vollständig an Letztve rbraucher leistete. Alleinige Anteilseignerin der Stadtwerke ist die S-Stadt. Zwischen der Klägerin und den Stadtwerken bestand ein Gewinnabführungsvertrag, nach dem die Klägerin ihren nach handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Gewinn an die Stadtwerke abführen musste. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag auf Blatt 149 bis 154 der Gerichtsakten Bezug genommen. Die mit der Anlage erzeugte Wärme lieferten die Stadtwerke unmittelbar an die Verbraucher. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertag für Einspeisungen aus KWK-Anlagen mit Leistungsmessung auf Blatt 77 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Klägerin hatte in den Vorjahren die in dem BHKW erzeugten Strommengen aus Unkenntnis nicht in den jeweiligen Stromsteueranmeldungen, sondern nur in ihren Aufstellungen über die eingespeisten Strommengen erfasst. Um Rechtssicherheit...