Leitsatz
1. Übernimmt ein Arbeitgeber nicht aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse die Zahlung einer Geldbuße und einer Geldauflage, die gegen einen bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer wegen Verstößen gegen das Lebensmittelrecht verhängt worden sind, so handelt es sich hierbei um Arbeitslohn.
2. Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck im Vordergrund steht (Bestätigung der Rechtsprechung).
3. Geldbußen i.S.v. § 17 OWiG können nicht als Werbungskosten abgezogen werden (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 1 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG).
4. Der Werbungskostenabzug von Geldauflagen i.S.d. § 153a StPO scheidet nach § 12 Nr. 4 EStG aus, soweit die Auflagen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen.
Normenkette
§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8, § 9 Abs. 5, § 12 Nr. 4, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, § 17 OWiG, § 153a StPO
Sachverhalt
Der Kläger war im Streitjahr Gesellschafter und einer der Geschäftsführer der B GmbH (GmbH). Die Kreisverwaltung legte dem Kläger zur Last, als Verantwortlicher der GmbH unter Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen Produkte in Verkehr gebracht zu haben. Sie setzte deshalb gegen den Kläger eine Geldbuße nach § 17 OWiG fest. Im Zug eines Strafverfahrens (gleichfalls wegen Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen) stellte das AG ein Verfahren gegen den Kläger nach § 153a StPO vorläufig ein und erteilte ihm die Auflage, eine Geldbuße in Raten an die Staatskasse zu zahlen.
Die GmbH übernahm die Geldbuße und die Geldauflage zugunsten des Klägers, ohne die Zahlungen als steuerpflichtigen Arbeitslohn des Klägers zu behandeln. Nach Kenntnis dieses Vorgangs erließ das FA einen geänderten ESt-Bescheid 1997, in welchem die Zahlungen der GmbH den Einkünften des Klägers aus nicht selbstständiger Arbeit hinzugerechnet wurden.
Das FG wies die Klage ab (FG Bremen, Urteil vom 06.10.2005, 1 K 55/03 [3], Haufe-Index 1461915, EFG 2006, 202).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des Klägers zurück. Die Übernahme von Geldbuße und -auflage stelle einen geldwerten Vorteil des Klägers dar. Zwar seien die Taten in Ausübung der Geschäftsführertätigkeit begangen worden. Das FG habe indessen die Interessen der GmbH und des Klägers zutreffend abgewogen und ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse der GmbH verneint. Gegen die Abzugsfähigkeit der Geldbuße und der Geldauflage bestünden gesetzliche Abzugsverbote.
Hinweis
1. Mit der vorliegenden Entscheidung hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung zu folgenden Fragen fortgeführt: Wann liegt Arbeitslohn vor? Wann ist ein – Arbeitslohn ausschließendes – eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers zu bejahen? Wann sind Geldbußen bzw. Geldauflagen als Erwerbsaufwand (Werbungskosten) abzugsfähig?
2. Übernimmt der Arbeitgeber Bußgelder oder strafrechtliche Geldauflagen, die gegen seinen Arbeitnehmer verhängt wurden, so hat diese Vorteilszuwendung Entlohnungscharakter; dies trifft nicht zu, wenn der Arbeitgeber aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse handelt. Letzteres liegt nach ständiger Rechtsprechung aber nur vor, wenn nach einer Gesamtwürdigung der Begleitumstände der jeweils verfolgte betriebliche Zweck im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers an der Übernahme von Geldbuße bzw. -auflage durch den Arbeitgeber überlagert wird.
3. Im Streitfall hatte eine GmbH die Zahlung eines Bußgelds und einer Geldauflage übernommen, die gegen ihren Geschäftsführer verhängt worden waren. Dem Geschäftsführer war vorgeworfen worden, gegen Vorschriften des Lebensmittelrechts durch Umetikettieren von Waren verstoßen zu haben. Ihm war deshalb ein Bußgeld von insgesamt ca. 17 000 DM auferlegt worden. Außerdem war ein Strafverfahren gegen ihn gegen Auflage einer Zahlung von 62 000 DM eingestellt worden. Die von der GmbH übernommenen Beträge hat der BFH nach den vorerwähnten Grundsätzen – ebenso wie das FG – als Arbeitslohn beurteilt.
4. Zu einem anderen Ergebnis war der BFH im Urteil vom 07.07.2004, VI R 29/00, BFH/PR 2005, 161, BFH/NV 2005, 596 gekommen. Aufgrund der dort vorliegenden besonderen Umstände hatte er damals entschieden, dass kein Arbeitslohn vorliegt, wenn ein Arbeitgeber, ein Paketzustelldienst, aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse die Zahlung von Verwarnungsgeldern übernimmt, die gegen die bei ihm angestellten Fahrer wegen Verletzung des Halteverbots verhängt worden sind.
5. In der Besprechungsentscheidung hat der BFH ferner darauf hingewiesen, dass die als Arbeitslohn zu erfassende Übernahme der Geldbuße und -auflage im Rahmen der ESt-Veranlagung des Arbeitnehmers nur dann zu einer Steuererhöhung führt, wenn und soweit die Begleichung der dem Arbeitnehmer auferlegten Geldbuße bzw. -auflage nicht zum Werbungskostenabzug berechtigt hätte. Ein derartiger "fiktiver" Werbungskostenabzug kam jedoch im Str...