Leitsatz

1. Aus einer sogenannten umgekehrten Betriebsaufspaltung kann wegen des Durchgriffsverbots eine originär gewerbliche Tätigkeit der Besitzkapitalgesellschaft nicht abgeleitet werden.

2. Das Durchgriffsverbot gilt bei der Besteuerung einer Besitzkapitalgesellschaft auch im Fall der mittelbaren Beteiligung der Betriebspersonengesellschaft an der Besitzkapitalgesellschaft über eine Kapitalgesellschaft (Abgrenzung zu Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16.09.2021 ‐ IV R 7/18, BFHE 274, 218, BStBl II 2022, 767).

 

Normenkette

§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG i.d.F. vom 25.7.2014

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Immobilienverwaltungsgesellschaft mbH. An ihrem Stammkapital waren im Streitjahr 2015 bis zum 4.11.2015 zu 47,62 % F und zu 52,38 % die Beteiligungsgesellschaft mbH (EB-GmbH) beteiligt. Alleinige Gesellschafterin der EB-GmbH war die F-GmbH & Co. KG (F-KG), deren Kommanditkapital vollständig von der F-Holding GmbH (FH-GmbH) gehalten wird. Alleingesellschafter der FH-GmbH war bis zum 4.11.2015 F. Komplementär der F-KG war die F-Beteiligungsgesellschaft mbH. Die F-KG hält außerdem 100 % der Anteile an der A-GmbH. Mit Wirkung zum 5.11.2015 übertrug F seine Anteile an der Klägerin sowie an der FH-GmbH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf A. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Erwerb, das Halten und das Verwalten sowie das Veräußern von Immobilien. Die Klägerin erbringt ihre Leistungen fast ausschließlich für verbundene Gesellschaften. In den Jahren 2013 und 2014 überließ sie der F-KG mietweise Grundstückteilflächen, die von der Geschäftsführung und von zentralen Verwaltungseinheiten der F-KG genutzt werden. Ab 2015 wurden die Flächen über ein Zwischenmietverhältnis mit der A-GmbH an die F-KG überlassen. Das FA versagte die erweiterte Kürzung. Das FG gab der Klage statt (FG München, Urteil vom 17.4.2023, 7 K 434/19, Haufe-Index 15747493).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA zurück. Die Voraussetzungen für die erweiterte Kürzung hätten vorgelegen. Die Klägerin sei nicht gewerblich tätig gewesen. Es habe keine normale Betriebsaufspaltung vorgelegen, da die Klägerin selbst nicht zu mehr als 50 % an der Besitzpersonengesellschaft beteiligt gewesen sei. Eine umgekehrte Betriebsaufspaltung tauge nicht zur Begründung einer originär gewerblichen Tätigkeit der Klägerin als Besitzkapitalgesellschaft.

 

Hinweis

1.§ 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG sieht eine Kürzung der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmens und nicht von der GrSt befreiten Grundbesitzes vor (einfache Kürzung). Zweck der Regelung ist eine Vermeidung der Doppelbelastung mit Realsteuern (GrSt und GewSt). Anstelle der einfachen Kürzung tritt auf Antrag die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt, wenn das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt oder daneben eigenes Kapitalvermögen verwaltet und nutzt oder bestimmten wohnungswirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht (erweiterte Kürzung). Zweck dieser Regelung ist über die Vermeidung der Doppelbelastung hinaus, dass Unternehmen, die allein aufgrund ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtig sind, nicht gegenüber Personenunternehmen benachteiligt werden, die in vergleichbarer Weise nur vermögensverwaltend tätig sind.

2. An der für die erweiterte Kürzung vorausgesetzten ausschließlichen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes fehlt es, wenn das Unternehmen daneben einer nicht erlaubten originär gewerblichen Tätigkeit nachgeht. Eine solche kann sich auch aus einer Betriebsaufspaltung ergeben, wenn das Unternehmen als Besitzgesellschaft mit der Überlassung seines Grundbesitzes an der gewerblichen Tätigkeit der Betriebsgesellschaft partizipiert.

3. Eine Betriebsaufspaltung setzt voraus, dass zwischen Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen eine sachliche und personelle Verflechtung besteht. Eine personelle Verflechtung erfordert einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen sowohl im Besitz- als auch im Betriebsunternehmen. Insoweit ist bei Besitzunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft zu beachten, dass die Kapitalgesellschaft selbst in der Lage sein muss, ihren geschäftlichen Betätigungswillen in der Betriebsgesellschaft durchzusetzen. Nicht maßgeblich ist dagegen, ob die hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Anteilseigner ihren geschäftlichen Betätigungswillen auch in der Betriebsgesellschaft durchsetzen können. Die Kapitalgesellschaft entfaltet Abschirmwirkung und führt daher zu einem Durchgriffsverbot auf die an ihr beteiligten Personen. Folge ist, dass eine Betriebsaufspaltung zwischen einer Kapitalgesellschaft als Besitzgesellschaft und einem anderen Unternehmen als Betriebsgesellschaft nicht vorliegt, wenn die Kapitalgesellschaft nicht zu mehr als 50 % an dem anderen Unternehmen beteiligt ist.

4. Anerkannt wird von Verwaltung und Rechtsprechung auch eine sog. umgekehrte Betriebsaufspaltung, bei der nicht die Besitzg...

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