Leitsatz
1. Die Erhebung der Gewerbesteuer führt weder zu einem übermäßigen Eingriff in Freiheitsrechte des Gewerbetreibenden noch stellt sie eine Verletzung des Gleichheitssatzes dar.
2. Die Erhebung der Gewerbesteuer verstößt auch nicht gegen eine der Grundfreiheiten des EGVtr. Insbesondere stellt die Beschränkung der Erhebung der Gewerbesteuer auf Gewerbebetriebe, soweit sie im Inland betrieben werden, keine Diskriminierung im Sinn des Gemeinschaftsrechts dar.
Normenkette
§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG , Art. 2 Abs. 1 GG , Art. 3 Abs. 1 GG , Art. 12 Abs. 1 GG , Art. 14 Abs. 1 GG , Art. 106 Abs. 6 GG , Art. 30 EGVtr 1993 , Art. 52 EGVtr 1993 , Art. 59 EGVtr 1993 , Art. 95 EGVtr 1993 , Art. 100 EGVtr 1993
Sachverhalt
Der Kläger betreibt eine Schreinerei und erzielte daraus in den Streitjahren (1994 und 1995) gewerbliche Einkünfte i.H.v. ca. 128.000 DM und 113.000 DM. Das FG wies die Klage gegen die vom FA erlassenen GewSt-Messbescheide, mit der der Kläger verfassungs- und europarechtliche Bedenken gegen die GewSt erhob, ab (EFG 2000, 184). Die Revision des Klägers blieb erfolglos.
Entscheidung
1. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Erhebung der GewSt zu einem übermäßigen Eingriff in die Freiheitsrechte (Art. 2 Abs. 1, 12Abs. 1 und 14Abs. 1 GG) des Klägers führe, habe er nicht vorgetragen. Solche Anhaltspunkte seien angesichts des Verhältnisses zwischen der Höhe der für die Streitjahre festgesetzten GewSt-Messbeträge (1994: 1.804 DM, 1995: 1.272 DM) und der nach dem Abzug der GewSt als Betriebsausgabe verbleibenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb auch nicht ersichtlich. Auch der vom Kläger gerügte Verstoß gegen den "Halbteilungsgrundsatz" liege nicht vor. Ferner sei auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht deshalb verletzt, weil Bezieher von anderen betrieblichen Einkunftsarten (§ 13 und § 18 EStG) nicht mit GewSt belastet würden.
2. Die Erhebung der GewSt verstoße im Fall des Klägers auch nicht gegen Europarecht, und zwar weder gegen den auf die GewSt als direkter Steuer nicht anwendbaren Art. 95 EGVtr 1993 noch gegen eine der Grundfreiheiten des Art. 30 (Freiheit des Warenverkehrs), Art. 52 (Niederlassungsfreiheit) und Art. 59 EGVtr 1993 (Dienstleistungsfreiheit). Zwar seien die Grundfreiheiten auch im Bereich der nicht harmonisierten direkten Steuern anwendbar. Die Erhebung der GewSt nur von inländischen Gewerbebetrieben stelle aber keine Diskriminierung i.S.d. Gemeinschaftsrechts dar, das auf rein interne Sachverhalte eines Mitgliedstaats ohnehin nicht anwendbar sei.
Hinweis
1. Soweit das Besprechungsurteil die Vereinbarkeit der GewSt mit dem GG bejaht, folgt es der bisherigen ständigen Rechtsprechung des BFH. Auch das BVerfG hegte in der Vergangenheit gegen die Verfassungsmäßigkeit der GewSt keine Bedenken (siehe z.B. Urteil vom 24.1.1962, 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331; Beschluss vom 13.5.1969, 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1).
2. Entgegen der Ansicht des Klägers hielt das Besprechungsurteil die GewSt auch in europarechtlicher Hinsicht für unbedenklich. Der Kläger vermochte nicht darzulegen, dass er mit seinem über 100 km von der nächsten deutschen Grenze gelegenen Handwerksbetrieb mit ausländischen Konkurrenten in Wettbewerb getreten sei. Seiner Behauptung, dass die GewSt im europäischen Vergleich eine auf Deutschland beschränkte Sonderbelastung sei, ist der BFH mit Recht entgegengetreten, weil auch andere EU-Mitgliedstaaten vergleichbare Steuern erheben, so etwa Luxemburg ("impot commercial"), Österreich (kommunale Lohnsummensteuer), Frankreich ("taxe professionelle") und Italien ("imposta locale sui redditi", ab 1997: "imposta regionale sulle attivita produttive"). Abgesehen davon ist die GewSt nicht anders zu behandeln als eine im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten höhere oder niedrigere Einkommen- oder Körperschaftsteuer, die grundsätzlich europarechtlich unbedenklich sind.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.9.2003, X R 2/00