Leitsatz
Die Klagerücknahme, die ein Kläger aufgrund eines fehlerhaften Hinweises des Gerichts erklärt, ist unwirksam. Das Verfahren ist fortzusetzen. In diesem Verfahren ist auch darüber zu entscheiden, ob die Klagerücknahme wirksam war oder nicht. Eine außerordentliche Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluss ist nicht zulässig und auch nicht notwendig. Es bedarf auch keiner außerordentlichen Gegenvorstellung gegen diesen Beschluss.
Sachverhalt
Mit seiner Klage focht der Kläger u.a. die Einkommensteuerbescheide 1996 bis 1998 sowie Verlustfeststellungsbescheide zur Einkommensteuer für 1995 bis 1998 an. Durch den Vorsitzenden wurde er darauf hingewiesen, dass die Verlustfeststellungsbescheide in der Regel Folgebescheide zu den Einkommensteuerbescheiden seien und dass deshalb gegen die Zulässigkeit ihrer gesonderten Anfechtung Bedenken bestünden. Sofern der Kläger hierzu keine Stellungnahme abgibt, werde die Klage insoweit durch Gerichtsbescheid als unzulässig verworfen werden. Der anschließend bestellte Prozessvertreter des Klägers nahm durch Schreiben vom 20.9.2002 die Klage wegen der Verlustfeststellung 1995 bis 1998 zurück. Daraufhin stellte der Vorsitzende durch Beschluss vom 25.9.2002 das Verfahren ein (§ 72 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Mit Schreiben vom 8.10.2002 teilte das beklagte Finanzamt mit, dass zwischenzeitlich die Einkommensteuererklärungen 1996 bis 1998 vorlägen, die Bescheide für 1996 und 1997 jedoch nicht mehr geändert werden könnten, weil die Klage mangels Beschwer unzulässig sei. Es handelte sich offenbar um sog. "Nullbescheide". Eine Änderung der Verlustfeststellungsbescheide 1996 und 1997 wiederum scheitere daran, dass insoweit die Klage zurückgenommen worden sei.
Daraufhin legte der Kläger am 5.12.2002 auf Anregung des Vorsitzenden gegen den Einstellungsbeschluss vom 25.9.2002 eine außerordentliche Beschwerde wegen offenbaren Rechtsirrtums ein. Der Einstellungsbeschluss wurde am 16.12.2002 aufgehoben, soweit er die Verlustfeststellungsbescheide 1996 und 1997 betraf. Das Verfahren wurde fortgesetzt.
Das Verfahren bezüglich der Verlustfeststellung 1996 erledigte sich, nachdem der Einkommensteuerbescheid 1996 gem. § 10 d Abs. 3 EStG geändert worden war, was auch eine Änderung des entsprechenden Verlustfeststellungsbescheides für 1996 zur Folge hatte. Bezüglich des Verlustfeststellungsbescheides 1997 vertrat das Finanzamt jedoch die Auffassung, die Klagerücknahme vom 20.9.2002 sei rechtswirksam und der Bescheid damit bestandskräftig. Die Voraussetzungen einer außerordentlichen Beschwerde seien nicht gegeben, zumal eine solche seit Inkrafttreten des § 321 a ZPO generell nicht mehr statthaft sei. Die Rüge sei zudem nicht innerhalb der Notfrist des § 321 a Abs. 2 Satz 2 ZPO (2 Wochen) erhoben worden.
Entscheidung
Das Gericht hat entschieden, dass eine Klagerücknahme regelmäßig unwirksam sei, wenn der Kläger bei Abgabe der Erklärung in unzulässiger Weise zur Abgabe einer solchen Erklärung veranlasst worden ist. Eine solche unzulässige Veranlassung könne auch im Falle einer fehlerhaften Belehrung durch das Finanzgericht vorliegen. Dies folge daraus, dass das Gericht gegenüber den Beteiligten eine Fürsorgepflicht und eine Art prozessuale Garantenstellung einnehme.
Im vorliegenden Fall habe der Vorsitzende übersehen, dass ein Einkommensteuerbescheid, der auf "Null" laute und der positive Einkünfte enthalte, nicht als Grundlagenbescheid gilt. Die Höhe des verbleibenden Verlustabzugs konnte daher nur im Verfahren bezüglich dieses Bescheides geklärt werden. Der Klägervertreter, ein Rechtsanwalt, habe darauf vertrauen dürfen, dass seinem Mandanten durch die Befolgung des gerichtlichen Hinweises keine Verfahrensnachteile entstünden. Er habe von der Richtigkeit des gerichtlichen Hinweises ausgehen dürfen.
Zwar sei der vom Gericht erteilte weitere Hinweis auf eine außerordentliche Beschwerde deswegen nicht zielführend, weil eine solche außerordentliche Beschwerde seit Inkrafttreten des § 321 a ZPO nicht mehr statthaft sei. Der BFH hat entschieden, dass in entsprechender Anwendung des § 321 a ZPO die Beseitigung schweren Verfahrensunrechts mit einer fristgebundenen Gegenvorstellung entsprechend § 321 a ZPO beseitigt werden könne. Hierauf und darauf, ob diese außerordentliche Gegenvorstellung innerhalb der Notfrist des § 321 a Abs. 1 Satz 2 ZPO erhoben werden müsse, komme es im vorliegenden Fall jedoch aufgrund der spezielleren Vorschrift des § 72 Abs. 2 Satz 3 FGO nicht an. Allerdings vertrete der Senat die Auffassung, dass die Verfahrensfortsetzung wegen einer möglichen Unwirksamkeit der Klagerücknahme grundsätzlich kein Fall der außerordentlichen Gegenvorstellung ist.
Hinweis
Zu Recht hat das Finanzgericht entschieden, dass die Unwirksamkeit einer Klagerücknahme nicht im Rahmen einer fristgebundenen Gegenvorstellung analog § 321 a ZPO geltend gemacht werden muss. Abgesehen davon, dass der Einstellungsbeschluss gem. § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO nach der Rechtsprechung nur deklaratorische Bedeutung hat, entspricht es ständige...