Prof. Dr. Michael Preißer
Rz. 1726
Die subjektive unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht einer GmbH mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland beginnt mit deren zivilrechtlich wirksamer Gründung, d. h. mit der Erlangung der Rechtsfähigkeit, die die GmbH mit Eintragung in das Handelsregister erwirkt (§§ 11, 13 GmbHG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG). Zivilrechtlich sind bei der Gründung einer GmbH die Vorgründungsgesellschaft, die Vorgesellschaft und die "Voll"-GmbH (mit Eintragung in das Handelsregister) zu unterscheiden. Wird eine im Werden begriffene GmbH bereits vor ihrer juristischen Entstehung tätig, so ist für die steuerliche Behandlung die zivilrechtliche Qualifikation der Gesellschaft in den drei Gründungsphasen maßgebend (vgl. im Einzelnen Rn. 173 bis 189).
1.2.1.1 Vorgründungsgesellschaft
Rz. 1727
Mit dem Entschluss der künftigen Gesellschafter, eine GmbH gründen zu wollen, entsteht eine sog. Vorgründungsgesellschaft. Rechtlich handelt es sich in der Regel um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR, §§ 705ff. BGB) in der Form einer Innengesellschaft mit dem Zweck, eine GmbH zu errichten. Nimmt die Vorgründungsgesellschaft bereits einen Geschäftsbetrieb auf und betreibt somit ein Handelsgewerbe, liegt eine offene Handelsgesellschaft (OHG) vor (§§ 105ff. HGB; vgl. im Einzelnen Rn. 174 ff.). Aufgrund der zivilrechtlichen Qualifikation als Personengesellschaft unterliegt die Vorgründungsgesellschaft nicht der Körperschaftsteuer (vgl. § 3 Abs. 1 KStG). Es handelt sich vielmehr um eine Mitunternehmerschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Die im Rahmen der Vorgründungsgesellschaft (Gewinnermittlungssubjekt) erzielten Einkünfte werden – durch einheitliche und gesonderte Feststellung gem. §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 2 AO – somit bei den künftigen Gesellschaftern steuerlich erfasst. Aufgrund der fehlenden Identität der Vorgründungsgesellschaft mit der Vorgesellschaft oder der GmbH ist es unzulässig, etwaige Gewinne oder Verluste der Vorgründungsgesellschaft mit späteren Gewinnen oder Verlusten der nachfolgenden Gesellschaften steuerlich zu verrechnen. Das Vermögen der Vorgründungsgesellschaft geht nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Vorgesellschaft oder GmbH über, sondern muss durch Einlage oder Veräußerung einzeln übertragen werden. Mit der notariellen Beurkundung der Satzung (siehe unten Rn. 1775) erlischt die GbR (wegen Zweckerreichung).
1.2.1.2 Vorgesellschaft
Rz. 1728
Mit notarieller Beurkundung der Satzung nach § 2 GmbHG entsteht die sog. Vorgesellschaft. Diese besteht solange, bis die GmbH in das Handelsregister (§ 11 Abs. 1 GmbHG) eingetragen ist und somit zivilrechtlich wirksam gegründet wurde. Die Vorgesellschaft (oder Vor-GmbH) wird zivilrechtlich als Gesellschaft sui generis angesehen, die überwiegend nach dem Recht der GmbH behandelt wird, soweit die jeweilige Bestimmung nicht bereits die Eintragung ins Handelsregister voraussetzt (vgl. im Einzelnen Rn. 177 ff.). Steuerrechtlich werden auf die Vorgesellschaft die Vorschriften angewendet, die auch für die später entstehende Kapitalgesellschaft gelten, da beide Gesellschaften als wirtschaftlich und rechtlich identisch beurteilt werden. Folglich ist die Vorgesellschaft ab dem Zeitpunkt ihrer Entstehung körperschaftsteuerpflichtig (vgl. H 1.1 KStH 2015). Dabei ist es unerheblich, ob die Vorgesellschaft bereits nach außen geschäftlich tätig geworden ist oder nicht.
Rz. 1729
Voraussetzung für die Einstufung der Vorgesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt i. S. v. § 1 Abs. 1 KStG ist, dass die Gesellschaft später auch als GmbH in das Handelsregister eingetragen wird (BFH v. 18.3.2010, BStBl 2010 II S. 991. Kommt es letztlich – aufgrund von Eintragungshindernissen oder anderen Gründen – nicht zur Registereintragung, so entfällt rückwirkend auch die Körperschaftsteuerpflicht. Bei Aufgabe der Eintragungsabsicht bzw. bei Fehlschlagen der Eintragung muss die h. M. bestandskräftige Veranlagungen bei der Vor-Gesellschaft und den Gesellschaftern nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis) ändern. In diesem Fall handelt es sich um eine unechte Vorgesellschaft, auf die das Recht der Personengesellschaften anzuwenden ist. Folglich werden die Einkünfte der unechten Vorgesellschaft nach Maßgabe des § 180 AO einheitlich und gesondert festgestellt und bei den jeweiligen Gesellschaftern der Besteuerung zugrunde gelegt (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG).