Prof. Dr. Michael Preißer
Rz. 1939
Wie das Körperschaftsteuerrecht, kennt auch das Gewerbesteuerrecht die Sonderform der Besteuerung zweier rechtlich unabhängiger, aber in besonderer Beziehung zueinander stehender Gesellschaften durch Begründung einer (gewerbe-) steuerrechtlichen Organschaft. Das GewStG enthält zwar keine eigenen Vorschriften zu den Voraussetzungen bzw. zu der Definition der gewerbesteuerrechtlichen Organschaft, sondern verweist diesbezüglich auf das KStG (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG); an verschiedenen Gesetzesstellen werden an das Vorliegen einer (körperschaft-) steuerrechtlichen Organschaft aber auch bestimmte gewerbesteuerliche Rechtsfolgen geknüpft (z. B. §§ 2 Abs. 2 Satz 2, 10a Satz 3 GewStG).
Rz. 1940
Aus dem Verweis auf die Organschaftsvorschriften des KStG (§§ 14, 17, 18 KStG) in § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG folgt, dass die Voraussetzungen der gewerbesteuerrechtlichen Organschaft (seit UntStFG für Erhebungszeiträume ab 2002) mit denen der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft identisch sind. Zuvor war für die gewerbesteuerrechtliche Organschaft insbesondere der Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrages (EAV) zwischen dem Organträger (OT) und der Organgesellschaft (OG) nicht erforderlich. Weder die körperschaft- noch die gewerbesteuerrechtliche Organschaft verlangen heute noch eine wirtschaftliche oder organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers. Ebenfalls abgeschafft wurde die sog. Mehrmütterorganschaft, derzufolge sich mehrere gewerbliche Unternehmen zwecks einheitlicher Willensbildung gegenüber einer Kapitalgesellschaft zu einer Willensbildungs-GbR zusammenschließen konnten, um gemeinsam als Organträger der Kapitalgesellschaft zu handeln.
2.2.1 Organschaftsvoraussetzungen
Rz. 1941
Eine GmbH, die sowohl ihre Geschäftsleitung (§ 10 AO) als auch ihren Sitz (§ 11 AO) im Inland hat (sog. doppelter Inlandsbezug), kann als gewerbesteuerrechtliche Organgesellschaft, aber auch als gewerbesteuerrechtlicher Organträger fungieren (so der Wortlaut des§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG, § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Auf Grund europarechtlicher Bedenken verzichtet jedoch die Finanzverwaltung neuerdings über den Wortlaut der Regelung hinaus auf das Vorliegen des doppelten Inlandsbezugs in den Fällen, in denen es sich bei der OG um eine im EU/EWR-Ausland gegründete GmbH handelt. Bereits das Vorliegen einer Geschäftsleitung im Inland reicht demnach aus. Für die Übernahme der Position des Organträgers war und ist lediglich die Geschäftsleitung der GmbH im Inland erforderlich (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG, § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG).
Rz. 1942
Die Organgesellschaft muss zudem vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ununterbrochen in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sein (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KStG, § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Die finanzielle Eingliederung liegt vor, wenn dem Organträger aufgrund seiner Beteiligung an der Organgesellschaft mehr als die Hälfte der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht. Schließlich ist (seit dem Erhebungszeitraum 2002) für die gewerbesteuerrechtliche Organschaft auch Voraussetzung, dass Organträger und Organgesellschaft einen Gewinnabführungsvertrag (GAV) (besser: EAV = Ergebnisabführungsvertrag) über mindestens fünf Jahre abgeschlossen haben, der während dieser Zeit auch tatsächlich durchgeführt wird. Hierbei gilt es zu beachten, dass die Rechtsfolgen der Organschaft erst in dem Wirtschaftsjahr eintreten, in dem der EAV wirksam wird. Dies ist erst dann der Fall, wenn sein Bestehen in das Handelsregister der Organgesellschaft eingetragen ist (vgl. § 294 Abs. 2 AktG analog).
2.2.2 Rechtsfolgen
Rz. 1943
Für Zwecke der Gewerbesteuer folgt aus dem Vorliegen einer Organschaft, dass die Organgesellschaft als Betriebsstätte des Organträgers anzusehen ist (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Die persönliche Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaft endet aber nicht während des Bestehens der Organschaft, sondern ist für deren Dauer dem Organträger zuzurechnen. Trotz der Betriebsstättenfiktion ist die Organgesellschaft weiterhin als eigenständiges gewerbliches Unternehmen anzusehen, sodass eine getrennte Bilanzierung vorzunehmen ist. Es erfolgt auch weiterhin eine getrennte Ermittlung des Gewerbeertrages, zum einen durch die Organgesellschaft und zum anderen durch den Organträger (sog. gebrochene oder eingeschränkte Einheitstheorie). Der gesondert ermittelte Gewerbeertrag der Organgesellschaft ist dem Organträger erst für die Berechnung des Gewerbesteuer-Messbetrages zuzurechnen. Der gemeinsame Gewerbeertrag ist vor der Berechnung des einheitlichen Steuermessbetrages um steuerliche Doppelbe- oder -entlastungen zu korrigieren, die sich aus dieser Zusammenrechnung ergeben (vgl. R 7.1 Abs. 5 GewStR). Anschließend wird der einheitliche Gewerbesteuer-Messbetrag allein gegenüber dem Organträger fes...