Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung verdeckt eingelegter wesentlicher Anteile an Kapitalgesellschaften vor und nach der Ergänzung des § 17 Abs. 1 EStG durch das StÄndG 1992
Leitsatz (amtlich)
Die verdeckte Einlage des Anteils an einer Kapitalgesellschaft i.S. des § 17 Abs.1 EStG i.d.F. bis zur Änderung durch das StÄndG 1992 in das Betriebsvermögen einer anderen Kapitalgesellschaft ist gemäß § 6 Abs.1 Nr.5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. b EStG mit den Anschaffungskosten zu bewerten.
Orientierungssatz
1. Eine Erfassung der stillen Reserven auf der Ebene des einlegenden Gesellschafters kommt nicht in Betracht, weil es sich bei einer verdeckten Einlage bis zur Gesetzesergänzung durch das Steueränderungsgesetz 1992 nicht um eine Anteilsveräußerung i.S. des § 17 Abs. 1 EStG gehandelt hat.
2. Das tatbestandliche Erfordernis des § 6 Abs.1 Nr.5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. b EStG --Einlage eines Wirtschaftsgutes aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen desselben Steuersubjekts-- ist infolge der Regelung in § 8 Abs. 1 KStG und der dadurch bedingten grundsätzlichen Anwendbarkeit der Einlagevorschriften für die Ermittlung des Gewinns von Kapitalgesellschaften unbeachtlich. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ist insoweit anwendbar, obwohl der Einlegende und die Kapitalgesellschaft verschiedene Rechtsträger sind; für die Bewertungsregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. b EStG gilt nichts anderes.
3. Der erkennende Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, ob bei verdeckten Einlagen i.S. des § 17 Abs.1 EStG § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG, der vor wie nach der Ergänzung des § 17 Abs. 1 EStG durch das StÄndG 1992 gleichlautet, vom Veranlagungszeitraum 1992 an im Wege der teleologischen Reduktion einschränkend zu verstehen und deshalb dessen Satz 1 Halbsatz 1 anzuwenden ist, die verdeckt eingelegten Anteile sonach mit ihrem Teilwert anzusetzen sind.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Hs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Hs. 2 Buchst. b; KStG 1977 § 8 Abs. 1; StÄndG 1992
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die im Oktober 1991 gegründete Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH mit einem Stammkapital von 50 000 DM, deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin M ist. M übertrug durch notariellen Vertrag vom 4. November 1991 die von ihr ebenfalls allein gehaltenen Anteile an einer anderen GmbH, der T-GmbH, ohne Vereinbarung einer Gegenleistung auf die Klägerin. Diese behandelte die Übertragung als verdeckte Einlage und stellte in ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1991 der aktiven Beteiligung, deren gemeiner Wert --wie zwischenzeitlich unter den Beteiligten unstreitig ist-- 671 500 DM beträgt, eine Kapitalrücklage in entsprechender Höhe gegenüber.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht. Er bewertete die verdeckt eingelegte Beteiligung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung bis zu dessen Änderung durch das Gesetz zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze (Steueränderungsgesetz 1992 --StÄndG 1992--) vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) mit den ursprünglichen Anschaffungskosten von 50 000 DM und erließ hiernach betreffend die Körperschaftsteuer für 1991 sowie das verwendbare Eigenkapital zum 31. Dezember 1991 entsprechende Bescheide.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 132 abgedruckt.
Die Klägerin stützt ihre Revision auf Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben, die Einlage der Anteile an der T-GmbH mit 671 500 DM zu bewerten und den Körperschaftsteuerbescheid 1991 sowie den Feststellungsbescheid gemäß § 47 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum 31. Dezember 1991 entsprechend zu ändern.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, mit welchem Wert die zuvor im Privatvermögen der M gehaltenen und sodann in das Betriebsvermögen der Klägerin verdeckt eingelegten (vgl. Senatsurteile vom 27. Juli 1988 I R 147/83, BFHE 155, 52, BStBl II 1989, 271; vom 28. Februar 1990 I R 43/86, BFHE 160, 180, BStBl II 1990, 615) Anteile an der T-GmbH anzusetzen sind, ob mit dem Teilwert, wie die Klägerin annimmt, oder aber mit den Anschaffungskosten, wie das FA meint. Mit der Vorinstanz ist dem FA Recht zu geben.
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG sind Einlagen mit dem Teilwert für den Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen, nach Halbsatz 2 Buchst. b davon abweichend jedoch höchstens mit den Anschaffungskosten, wenn ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft zugeführt wird, an der der Steuerpflichtige i.S. des § 17 Abs. 1 EStG beteiligt ist. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist dies der Fall, wenn der betreffende Steuerpflichtige innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich, d.h. zu mehr als einem Viertel (§ 17 Abs. 1 Satz 3, nunmehr Satz 4 EStG), beteiligt ist.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall --zweifelsfrei-- erfüllt; M war Alleingesellschafterin der T-GmbH, deren Anteile in die Klägerin verdeckt eingelegt worden sind. Folglich ist diese als die aufnehmende Kapitalgesellschaft gehalten, die ursprünglichen Anschaffungskosten, die M für die Beteiligung an der T-GmbH aufgewendet hat, anzusetzen. Diese Bewertung entspricht nicht nur dem Wortlaut der Vorschrift, sie steht auch im Einklang mit der gesetzgeberischen Intention, andernfalls drohende Besteuerungsausfälle zu vermeiden: Bliebe es bei dem in § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG grundsätzlich bestimmten Ansatz der Teilwerte der verdeckt eingelegten Anteile, könnte sich der Gesellschafter im Ergebnis von seiner wesentlichen Beteiligung steuerfrei trennen, indem er diese zunächst verdeckt zum Teilwert in eine andere Kapitalgesellschaft einlegt, die die Anteile anschließend ggf. --ohne Realisierung stiller Reserven-- veräußert. Durch das Zusammenwirken von § 17 Abs. 1 EStG einerseits und § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b EStG andererseits soll indes gerade verhindert werden, daß die Besteuerung stiller Reserven, die in der wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gespeichert sind, im Wege der Einlage umgangen wird (zum Verhältnis der beiden Vorschriften siehe auch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juli 1995 VIII R 25/94, BFHE 178, 418, BStBl II 1996, 684). Es bleibt deshalb beim Ansatz der Anschaffungskosten (überwiegende Auffassung, vgl. z.B. Seibold, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1990, 719, 722; Wassermeyer, DStR 1990, 158, 163, und Der Betrieb --DB-- 1990, 855, 859; Groh, Finanz-Rundschau --FR-- 1990, 528, 531; Wismeth, FR 1990, 275; Schmidt, Einkommensteuergesetz, bis 15. Aufl., § 17 Rz. 90, sowie FR 1989, 113, und DStR 1989, 141; Hörger in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 17 EStG Rz. 57; insoweit auch Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 8. Aufl., § 24 I 4, S. 828 ff., und in Betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Steuerberatung, 1991, 153 ff.).
2. Die dagegen von der Klägerin geltend gemachten Einwendungen überzeugen nicht.
a) Zwar fehlt es, wie nach Wortlaut und Teleologie von § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b EStG erforderlich, an der Einlage eines Wirtschaftsgutes aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen desselben Steuersubjekts. Die wesentliche Beteiligung wird in das Betriebsvermögen der aufnehmenden Kapitalgesellschaft eingelegt und nicht in ein eigenes Betriebsvermögen des wesentlich Beteiligten. Dieses tatbestandliche Erfordernis ist jedoch infolge der Regelung in § 8 Abs. 1 KStG und der dadurch bedingten grundsätzlichen Anwendbarkeit der Einlagevorschriften auch für die Ermittlung des Gewinns von Kapitalgesellschaften unbeachtlich. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ist insoweit anwendbar, obwohl der Einlegende und die Kapitalgesellschaft verschiedene Rechtsträger sind; für die Bewertungsregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b EStG gilt nichts anderes (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348, 354; vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, unter C. I. 3. der Entscheidungsgründe; anders Dötsch in Dötsch/ Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 8 KStG Rz. 53 a; Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rz. 102 ff.; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 UmwStG Rz. 6812; Budde/Müller in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 3. Aufl., § 272 Rz. 207).
b) Daß verdeckte Einlagen infolge der Ergänzung des § 17 Abs. 1 EStG durch das Steueränderungsgesetz 1992 einem Veräußerungsvorgang gleichgestellt und dadurch gewinnrealisierend behandelt werden, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Der Gesetzgeber hat damit lediglich auf die veränderte Rechtsprechung des BFH aufgrund des Senatsurteils in BFHE 155, 52, BStBl II 1989, 271 reagiert und den davor, dann jedoch zunächst nicht mehr geltenden Rechtszustand wiederhergestellt.
Es entspricht allerdings der Verwaltungspraxis ebenso wie einhelliger Auffassung im Schrifttum (z.B. Widmann in Widmann/ Mayer, a.a.O.; Thiel, DStR 1992, 1, 6; Hörger in Littmann/ Bitz/Hellwig, a.a.O., § 17 Rz. 57; Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., § 6 Rz. 440 Stichwort Verdeckte Einlagen), daß § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG vom Veranlagungszeitraum 1992 an im Wege der teleologischen Reduktion einschränkend zu verstehen und deshalb dessen Satz 1 Halbsatz 1 anzuwenden sei, die verdeckt eingelegten Anteile sonach mit ihrem Teilwert anzusetzen seien. Eine derartige Bewertung mag --auch wenn sie dem Wortlaut in § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b EStG widerspricht-- sachgerecht sein, weil andernfalls die Gefahr einer doppelten Besteuerung droht: Die in den eingelegten Anteilen ruhenden stillen Reserven sind --wegen § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG n.F.-- beim Einlegenden zu erfassen. Müßte die aufnehmende Gesellschaft die Anteile dennoch mit den Anschaffungskosten ansetzen, käme es zu einer --erneuten-- Besteuerung.
Der erkennende Senat braucht indes nicht abschließend hierüber zu entscheiden. Eine derartige Bewertung läßt jedenfalls keine Rückschlüsse auch für die Rechtslage in der Vergangenheit zu. Zwar ist § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG unverändert geblieben, die Vorschrift lautet vor wie nach der Ergänzung des § 17 Abs. 1 EStG gleich. Es ist jedoch nicht ungewöhnlich, daß eine Vorschrift unter veränderten gesetzlichen Umständen anders als zuvor auszulegen ist. Für die im Streitfall maßgebliche Rechtslage ist insofern allein ausschlaggebend, daß hiernach keine Veranlassung bestand, § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG einschränkend zu verstehen und vom Wortlaut in dessen Satz 1 Buchst. b abzurücken. Eine Doppelbesteuerung, wie möglicherweise nach § 17 EStG n.F., drohte nicht. Daß es entgegen der Regelung in § 17 EStG a.F. auf der Ebene des einlegenden Gesellschafters (hier der M) zu einer Realisierung stiller Reserven kommen könnte, ist nicht zu befürchten und wird auch von der Klägerin nicht geltend gemacht. Soweit im Schrifttum dergleichen erwogen worden ist (zum Meinungsstand und zu den Nachweisen vgl. BFH-Beschluß vom 20. Mai 1997 VIII B 108/96, BFHE 183, 174 unter II. 2. b der Entscheidungsgründe), folgt der Senat dem --mit dem FA-- nicht. Eine Erfassung der stillen Reserven kommt nicht in Betracht, weil es sich bei einer verdeckten Einlage bis zur Gesetzesergänzung durch das Steueränderungsgesetz 1992 eben nicht um eine Anteilsveräußerung i.S. des § 17 Abs. 1 EStG gehandelt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 67166 |
BFH/NV 1998, 1295 |
BFH/NV 1998, 1295-1296 (Leitsatz und Gründe) |
BStBl II 1998, 691 |
BFHE 186, 25 |
BFHE 1999, 25 |
BB 1998, 1574 (Leitsatz) |
BB 1998, 1631 |
DB 1998, 1544 |
DB 1998, 1544-1545 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1998, 1170 |
DStRE 1998, 577 |
DStRE 1998, 577 (Leitsatz) |
DStZ 1998, 724 |
HFR 1998, 827 |
StE 1998, 466 |