Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine GrESt-Befreiung für Grundstücksübertragungen zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 4 GrEStG 1983 erfasst nur Grundstückserwerbe zwischen Partnern einer Ehe im Sinne des bürgerlichen Rechts. Grundstücksübertragungen zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind danach nicht von der Grunderwerbsteuer befreit.
2. Die Nichtgewährung einer Grunderwerbsteuerbefreiung für Grundstücksübertragungen zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ―auch wenn aus dieser gemeinsame Kinder hervorgegangen sind― verstößt nicht gegen das Grundgesetz.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; GrEStG 1983 § 3 Nr. 4
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (EFG 2000, 1200) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) lebte seit Jahren mit Frau A in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, aus der zwei gemeinsame Kinder hervorgegangen sind.
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 1. September 1994 erwarben der Kläger und Frau A von der Stadt B ein Grundstück als Miteigentümer je zur Hälfte. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 29. Dezember 1995 erwarb der Kläger von Frau A deren Miteigentumsanteil an dem Grundstück. Am 9. September 1999 heirateten der Kläger und Frau A.
Durch Bescheid vom 23. Januar 1996 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) für den Vertrag vom 29. Dezember 1995 gegen den Kläger Grunderwerbsteuer fest.
Mit der dagegen gerichteten Klage wurde geltend gemacht, dass der Erwerb des Miteigentumsanteils grunderwerbsteuerfrei gewesen sei. Für die Grunderwerbsteuerbefreiung sei beachtlich, dass zwischen dem Kläger, seiner Partnerin und den zwei gemeinsamen Kindern eine auf Dauer ausgerichtete familienähnliche Beziehung mit rechtlicher Relevanz bestehe. Der Staat setze Familien und familienähnliche Beziehungen, wie sie im Streitfall vorliegen, in vielen Bereichen (z.B. Sozialhilfe-, Arbeitslosenhilfe-, Wohngeldrecht) gleich. Wenn es um Ausgaben des Staates gehe, würden eheähnliche Lebensgemeinschaften den Familien gleichgesetzt. Dann dürften, wenn es um die Einnahmen des Staates geht, Teilnehmer familienähnlicher Beziehungen auch nicht wie fremde Dritte behandelt werden. Ihm sei daher Grunderwerbsteuerbefreiung wie bei einem Grundstückserwerb von einem Ehegatten zu gewähren. Unter den besonderen staatlichen Schutz nach Art. 6 des Grundgesetzes (GG) falle auch die nichteheliche Familie. Im Übrigen sei die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch erst nach der Eheschließung erfolgt.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Erwerb des Klägers sei nicht nach § 3 Nrn. 4 bis 7 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) von der Steuer befreit. Das FG teile die gegen die Nichtbegünstigung nichtehelicher Familien vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1200 veröffentlicht.
Mit der dagegen gerichteten Revision beantragt der Kläger, die Vorentscheidung, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 23. Januar 1996 sowie die Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 1996 aufzuheben, ggf. die Sache dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen.
Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts. Die personengebundenen Steuerbefreiungen des § 3 Nrn. 4 bis 6 GrEStG 1983 seien im Wege einer verfassungskonformen Auslegung auf die Familien nichtehelicher Lebensgemeinschaften mit Kindern auszudehnen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Der Wortlaut des § 3 Nr. 4 GrEStG 1983 erfasse nicht den Erwerb zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zutreffend hat das FG die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids bejaht.
Der notariell beurkundete Vertrag vom 29. Dezember 1995 unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer. Der Grundstückserwerb ist nicht von der Grunderwerbsteuer befreit.
Nach § 3 Nr. 4 GrEStG 1983 ist der Grundstückserwerb durch den Ehegatten des Veräußerers von der Besteuerung ausgenommen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall nicht gegeben.
1. Maßgebend für die Erfüllung eines Steuerbefreiungstatbestands sind bei der Grunderwerbsteuer grundsätzlich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 30. Juli 1980 II R 19/77, BFHE 131, 100, BStBl II 1980, 667, m.w.N.). Dies gilt auch für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 4 GrEStG 1983. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen dieser Steuerbefreiung erfüllt sind, ist daher im Streitfall der notariell beurkundete Vertrag vom 29. Dezember 1995 und ―entgegen der Auffassung des Klägers― nicht die nach der Eheschließung erfolgte Eigentumsumschreibung im Grundbuch.
2. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages lagen die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 4 GrEStG 1983 nicht vor, weil die Vertragsschließenden zu diesem Zeitpunkt nicht verheiratet waren. Die Vorschrift verlangt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt eine nach deutschem Recht wirksame ―nicht notwendigerweise nach deutschem Recht oder in Deutschland geschlossene― Ehe vorliegt (vgl. § 1310 des Bürgerlichen Gesetzbuches ―BGB―, Art. 13 f. des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch ―EGBGB―). Die Bedeutung der Worte "Ehe" bzw. "Ehegatten" sind eindeutig und keiner Auslegung zugänglich. Umgangssprachliches und juristisches Wortverständnis stimmen darin überein, dass mit "Ehegatten" nur die Partner einer Ehe im Sinne des bürgerlichen Rechts gemeint sind (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Oktober 1982 II B 77/81, BFHE 137, 76, BStBl II 1983, 114). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, darf der Richter diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen (BVerfG-Urteil vom 3. April 1990 1 BvR 1186/89, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1990, 1593). Die Vorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG 1983 kann daher nicht ―auch nicht durch verfassungskonforme Auslegung― auf Erwerbe von Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit Kindern ausgedehnt werden.
3. Die Nichtgewährung einer Grunderwerbsteuerbefreiung für Erwerbsvorgänge zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, aus der gemeinsame Kinder hervorgegangen sind, verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Art. 6 Abs. 1 GG stellt u.a. die Ehe unter den besonderen Schutz des Staates. Dies ermöglicht es dem Gesetzgeber, ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG Regelungen zu treffen, die zwischen Ehegatten und Nichtehegatten differenzieren und erstere begünstigen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist es danach auch zulässig, dass Ehegatten gegenüber Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft steuerrechtlich privilegiert werden (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 1997 X B 120/97, BFH/NV 1998, 699; vom 1. April 1997 X B 223/96, BFH/NV 1997, 652, und in BFHE 137, 76, BStBl II 1983, 114). Auch nach Auffassung des BVerfG verlangt das Grundgesetz keine übereinstimmenden steuerrechtlichen Folgerungen für die Ehe einerseits und die nichtehelichen Lebensgemeinschaften andererseits (vgl. Beschluss des BVerfG vom 1. Juni 1983 1 BvR 107/83, BStBl II 1984, 172). Die vom Kläger angeführte inzwischen eingetretene (annähernde) rechtliche Gleichstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften mit der bürgerlichen Ehe in einigen Rechtsgebieten stellt diese Betrachtungsweise nicht in Frage. Nichteheliche Gemeinschaften unterscheiden sich weiterhin wesentlich von der Ehe, bei der das Gemeinschaftsverhältnis durch Gesetz eine eingehende Ordnung erfahren hat. Dies gilt nicht nur für die gegenseitigen Pflichten der Partner während der Dauer der Gemeinschaft, sondern vor allem auch für die Aufhebung der Gemeinschaft und die sich daraus ergebenden vermögensmäßigen und wirtschaftlichen Folgen.
Auch wenn man die nichteheliche Lebensgemeinschaft des Klägers, aus der gemeinsame Kinder hervorgegangen sind, als Familie i.S. des Art. 6 Abs. 1 GG ansieht (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1999 XI R 120/96, BFHE 189, 357, BStBl II 1999, 764), führt dies zu keiner Verfassungswidrigkeit der grunderwerbsteuerrechtlichen Regelung. Zwar fiele der Kläger damit in den von Art. 6 Abs. 1 GG postulierten Schutz zugunsten der Familie; daraus lässt sich jedoch keine verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers ableiten, Erwerbsvorgänge zwischen Mitgliedern einer so verstandenen Familie von der Grunderwerbsteuer freizustellen. Der besondere Schutz, dem die Verfassung der Familie angedeihen lässt, lässt zwar steuerliche Begünstigungen zugunsten der Familie zu, gebietet diese aber nicht schlechthin. So sieht auch das geltende GrEStG 1983 ―worauf schon das FG zutreffend hinweist― keineswegs allgemein eine Steuerbefreiung für Erwerbsvorgänge zwischen Angehörigen einer (und sei es im engeren Sinne) Familie vor (z.B. sind Erwerbe zwischen Geschwistern nicht begünstigt). Die Nichtbegünstigung von Erwerbsvorgängen zwischen Mitgliedern einer als Familie anzusehenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft verstößt daher nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Fundstellen
Haufe-Index 594879 |
BFH/NV 2001, 1200 |
BStBl II 2001, 610 |
BFHE 194, 462 |
BFHE 2002, 462 |
BB 2001, 1516 |
DB 2001, 1865 |
DStR 2001, 1149 |
DStZ 2001, 604 |
HFR 2001, 881 |
StE 2001, 418 |