Entscheidungsstichwort (Thema)
Fachliche Beaufsichtigung von Schülern in einem Übungsfriseursalon - keine Umsatzsteuerbefreiung
Leitsatz (amtlich)
Friseurleistungen, die der Inhaber einer Friseurfachschule dadurch ausführt, daß die Schüler in einem Übungsfriseursalon Kunden unter fachlicher Anleitung bedienen, sind nicht gemäß § 4 Nr.21 UStG steuerfrei.
Orientierungssatz
Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung darf ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang umsatzsteuerrechtlich nicht aufgespalten werden.
Normenkette
UStG 1967 § 4 Nr. 21; UStG 1973 § 4 Nr. 21; UStG 1980 § 4 Nr. 21; UStG 1967 § 1 Abs. 1 Nr. 1; UStG 1973 § 1 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt eine Friseurfachschule, in der er Friseure gegen Zahlung von Kursgebühren unterrichtet. Innerhalb der Schulungsräume unterhält der Kläger einen Übungsfriseursalon. Dort werden Frisuren und Haarschnitte ausgeführt, die der Kläger im Rahmen des Ausbildungsprogramms festlegt. Kunden, die an solchen Frisuren und Haarschnitten interessiert sind, können sich dort zu einem unter den marktüblichen Preisen liegenden Preis bedienen lassen.
Der Kläger behandelte in seinen Steuererklärungen die im Übungsfriseursalon ausgeführten Leistungen als umsatzsteuerfrei gemäß § 4 Nr.21 Buchst.b des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967). Die nach dieser Vorschrift erforderliche Bescheinigung lag vor. Nach einer Betriebsprüfung verneinte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Steuerfreiheit dieser Leistungen und unterwarf in den Änderungsbescheiden für die Jahre 1970 bis 1973 und in den erstmaligen Bescheiden für die Jahre 1974 und 1975 die im Übungsfriseursalon bewirkten Umsätze der Umsatzsteuer. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) setzte mit seinem in Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 1984, 163 abgedruckten Urteil die Umsatzsteuer antragsgemäß herab und führte zur Begründung aus: Der Wortlaut des § 4 Nr.21 UStG 1967 stelle nur darauf ab, ob die vom Unternehmer erbrachten Leistungen dem Schulzweck dienen. Dies sei bei den im Übungssalon vom Kläger an die Kunden erbrachten Friseurleistungen der Fall, da sie die für die Aus- oder Fortbildung erforderlichen praktischen Übungen darstellten. Für die Steuerbefreiung sei nicht erforderlich, daß die Leistungen gegenüber Schülern oder einem ausgesuchten Personenkreis erbracht würden. Sinn und Zweck des § 4 Nr.21 UStG 1967 sei die Gleichstellung privater Bildungseinrichtungen mit öffentlichen Schulen. Diesem Zweck trage die Steuerbefreiung der Friseurleistungen des Klägers Rechnung, da der Übungsfriseursalon einer vergleichbaren Schule in öffentlicher Hand keinen Betrieb gewerblicher Art darstellen und daher auch nicht der Umsatzsteuer unterliegen würde.
Mit der Revision trägt das FA vor: § 4 Nr.21 UStG 1967 befreie nur die Leistungen des Schulinhabers an die Schüler, nicht jedoch die an Dritte ausgeführten Leistungen. Die steuerliche Entlastung Dritter widerspreche dem Willen des Gesetzgebers. Die Auffassung des FG führe nicht zur Gleichstellung öffentlicher und privater Schulen, sondern habe Wettbewerbsverzerrungen zur Folge, da entsprechende Schulen in öffentlicher Hand beim Betrieb eines Übungsfriseursalons einen Betrieb gewerblicher Art unterhalten und mit diesen Umsätzen der Umsatzsteuer unterliegen würden. Derartige öffentliche Schulen träten mit dem Betrieb eines Übungsfriseursalons in Wettbewerb zu anderen Friseuren. Das FG, das diesbezüglich einen Wettbewerb verneint habe, sei der Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung nicht ausreichend nachgekommen. Hilfsweise vertritt das FA die Auffassung, die an die Kunden des Übungsfriseursalons erbrachten Leistungen dienten nicht "unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck". Denn während die Leistung der Schule gegenüber den Schülern darin bestehe, diesen die Möglichkeit der Übung am lebenden Modell einzuräumen, handele es sich bei den Leistungen an die Kunden um übliche Friseurleistungen. Nur die den Schülern gegenüber erbrachten Leistungen dienten unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck.
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise,
die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Kläger ist der Auffassung, das zwischen ihm und den Kunden des Übungsfriseursalons bestehende Leistungsverhältnis werde von dem zwischen ihm und den Schülern bestehenden Leistungsverhältnis mitumfaßt. Denn das Übungsfrisieren in dem Übungsfriseursalon sei fester Bestandteil des Ausbildungsprogramms der Schule.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet.
Das FG hat zu Unrecht die Steuerbefreiung der im Übungsfriseursalon ausgeführten Leistungen des Klägers bejaht.
1. Gemäß § 4 Nr.21 UStG 1967 sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen unter bestimmten weiteren Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit. Der Kläger erbringt derartige Leistungen an die Schüler seiner Fachschule u.a. dadurch, daß er ihnen im Rahmen des Ausbildungsprogramms die Möglichkeit verschafft, Kunden in seinem Übungsfriseursalon zu bedienen, d.h. sich in der Bedienung von Friseurkunden unter Anleitung und Kontrolle von Lehrern praktisch zu erproben.
Neben diesen unmittelbar dem Schulzweck dienenden Leistungen führt der Kläger weitere Leistungen an die Kunden des Übungsfriseursalons aus. Diese Leistungen beruhen auf einem vom Schulvertrag rechtlich selbständigen Dienst- bzw. Werkvertrag, der zwischen dem Kläger und seinen Kunden geschlossen wird. Diese Leistungen an die Kunden führt der Kläger gegen Entgelt und damit als steuerbare Umsätze i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 UStG 1967 aus. Denn die Kunden zahlen ein vertraglich vereinbartes Entgelt an den Kläger. Daß dieses ggf. nur den Aufwand an jeweils eingesetzten Hilfsmitteln abdecken soll, ist umsatzsteuerrechtlich unerheblich.
Die Leistungen des Klägers an seine Kunden sind weder (notwendiger) Teil einer anderen Hauptleistung (d.h. der an die Schüler bewirkten Ausbildungsleistung) noch unselbständige Nebenleistung hierzu (vgl. zu diesen Begriffen z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4.Dezember 1980 V R 60/79, BFHE 132, 124, BStBl II 1981, 231). Es mag hier dahinstehen, ob überhaupt --in Ausnahmefällen-- Leistungen (notwendiger) Teil einer anderen Leistungsbeziehung mit einem anderen Leistungsempfänger sein können oder einer an einen anderen Leistungsempfänger zu erbringenden Leistung als unselbständige Nebenleistung zugeordnet werden können. Jedenfalls sind --entgegen der Ansicht des FG-- die Friseurleistungen, die der Kläger an die Kunden seines Übungsfriseursalons ausführte, umsatzsteuerrechtlich gesondert zu beurteilen. Der Kläger hat mit diesen Leistungen einen wirtschaftlichen Erfolg gerade gegenüber seinen Kunden bezweckt. Diesen sollte der Nutzen seiner Leistungshandlungen zukommen. Wenn auch die an die Schüler und die Kunden ausgeführten Leistungen dadurch verbunden sind, daß einzelne Leistungshandlungen sich decken oder überschneiden, so ändert dies doch nichts an der wirtschaftlichen Selbständigkeit der jeweiligen Leistungen. Keine der Leistungen ist im Verhältnis zu anderen nebensächlich.
2. Unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Leistung ergibt sich nichts anderes (a.A. vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 10.September 1959 VII 72/59 U, Entscheidungen der Finanzgerichte 1960, 84 --Zahnheilkundeschule--; Eckhardt/Weiß, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr.21 Anm.40). Nach diesem Grundsatz darf ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang umsatzsteuerrechtlich nicht aufgespalten werden. Dies kann selbst dann gelten, wenn --etwa auf seiten des Lieferers-- ein weiterer Vertragspartner eingeschaltet und eine (einheitliche) Werklieferung zivilrechtlich in einen Kaufvertrag und einen Werkvertrag aufgespalten wird (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17.Oktober 1958 V 5/58 U, BFHE 67, 529, BStBl III 1958, 475; vom 20.Oktober 1966 V 169/63, BFHE 87, 283, BStBl III 1967, 159). Ein solcher wirtschaftlich einheitlicher Gesamtvorgang ist im Streitfall nicht gegeben. Zwar sind die Leistungen, die der Kläger an die Schüler bzw. an die Kunden ausführt, durch einzelne Leistungshandlungen miteinander verknüpft; auch ist --wie der Kläger zu Recht betont hat-- die Leistungsausführung gegenüber den Kunden den Ausbildungszwecken dienlich. Dies reicht jedoch für die Annahme einer einheitlichen Leistung nicht aus. Denn der Kläger bezweckte --wie oben unter 1. dargelegt-- gegenüber zwei verschiedenen Gruppen von Leistungsempfängern voneinander unabhängige wirtschaftliche Erfolge.
3. Die vom Kläger an die Kunden ausgeführten Friseurleistungen dienen dem Schulzweck nicht unmittelbar i.S. des § 4 Nr.21 UStG 1967. Unmittelbarkeit setzt eine Leistung voraus, durch die der Zweck gefördert oder erfüllt wird, ohne daß eine weitere Leistung dazwischengeschaltet ist. Der Schul- und Bildungszweck muß gerade durch die in Frage stehende Leistung erfüllt werden. Aus diesem Grunde hat es der BFH verneint, daß die Unterbringung und Verpflegung von Schülern bzw. die Lieferung von Lehr- und Lernmaterial durch den Schulträger unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienen (Urteile vom 17.März 1981 VIII R 149/76, BFHE 133, 557, BStBl II 1981, 746; vom 12.Dezember 1985 V R 15/80, BFHE 146, 181, BStBl II 1986, 499). Auch der Reichsfinanzhof (Urteil vom 10.Februar 1939 V 170/38, RFHE 46, 122, RStBl 1939, 485) hat dahin erkannt, daß die Umsätze aus der Abgabe von Essen an die Schüler einer gemeindlichen Kochschule nicht unmittelbar der Ausübung öffentlicher Gewalt bei dem Betrieb der hausgewerblichen Berufsschule durch die Gemeinde dienen.
Die vorgenannten Entscheidungen befassen sich mit verschiedenartigen Leistungen, die der Schulträger an die Schüler ausführt. Im Unterschied zu den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten geht es im Streitfall nicht nur um die Befreiung von Teilen der Schulungsleistungen des Klägers, die an die Schüler erbracht werden (etwa Überlassung von "Modellen" als Lernmaterial), sondern darüber hinaus um Leistungen, die der Kläger an Dritte ausführt. Diese Leistungen dienen deshalb nicht unmittelbar dem Schulzweck, weil sie unmittelbar nur den (nach den vom FG festgestellten Entgelten nicht unerheblichen) Leistungsaustausch zwischen dem Kläger und den Kunden des Übungsfriseursalons verwirklichen. Da das Gesetz auf die Zweckdienlichkeit der Leistungen abstellt, ist für die Beurteilung der Unmittelbarkeit des Dienens die Herbeiführung des wirtschaftlichen Erfolgs (Leistung) maßgebend. Diesen wirtschaftlichen Erfolg bezweckte der Kläger gerade gegenüber seinen Kunden. Es kommt nicht darauf an, ob einzelne Leistungshandlungen zugleich im Rahmen eines anderen Leistungsverhältnisses einem anderen Zweck (hier dem Schulzweck) dienen.
Fundstellen
Haufe-Index 62815 |
BFH/NV 1990, 6 |
BStBl II 1990, 98 |
BFHE 158, 488 |
BFHE 1990, 488 |
BB 1990, 55-56 (L1) |
DB 1990, 160 (S) |
DStR 1990, 39 (KT) |
HFR 1990, 146 (LT) |
StE 1990, 20 (K) |