Leitsatz
1. Ist die private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs nach der 1 %-Regelung zu bewerten, ist der inländische Bruttolistenpreis zu schätzen, wenn das Fahrzeug ein Importfahrzeug ist und weder ein inländischer Bruttolistenpreis vorhanden ist noch eine Vergleichbarkeit mit einem bau- und typengleichen inländischen Fahrzeug besteht.
2. Der inländische Bruttolistenpreis ist jedenfalls dann nicht zu hoch geschätzt, wenn die Schätzung sich an den typischen Bruttoabgabepreisen orientiert, die Importfahrzeughändler, welche das betreffende Fahrzeug selbst importieren, von ihren Endkunden verlangen.
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 1, 2 und 3 EStG, § 162 Abs. 1 Satz 1 AO, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO
Sachverhalt
Im Betriebsvermögen des Klägers befand sich ein Ford Mustang Shelby GT 500 Coupé, das er am 12.7.2013 zu einem Bruttopreis von 78.900 EUR von der Autohaus GmbH erworben hatte. Das Fahrzeug war am 2.7.2013 erstmals zugelassen worden und verfügte über zahlreiche Sonderausstattungen. Die Autohaus GmbH hatte das Fahrzeug am 29.6.2013 zum Bruttopreis von 75.999 EUR vom Importeur gekauft. Es war zulassungsfertig und mit 24 Monaten Garantie, einem von den USA auf Europa umgestellten Navigationssystem sowie Hohlraum- und Unterbodenschutz ausgestattet.
Die private Nutzung des Fahrzeugs ermittelte der Kläger mittels der 1 %-Regelung. Als Bemessungsgrundlage zog er mangels eines inländischen Listenpreises den amerikanischen Listenpreis von umgerechnet 53.977 EUR heran. Nach einer Außenprüfung setzte das FA als Bemessungsgrundlage die tatsächlichen Anschaffungskosten des Fahrzeugs i.H.v. 78.900 EUR an.
Die Klage hatte teilweise Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 16.11.2016, 9 K 264/15, Haufe-Index 10128363, EFG 2017, 122); das FG schätzte einen inländischen Bruttolistenpreises von 75.999 EUR.
Entscheidung
Die Revision des Klägers wurde vom BFH als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Das auf den ersten Blick banale Problem "1 %-Regelung bei einem Importfahrzeug ohne inländischen Listenpreis" wirft eine interessante Frage auf.
Entnahmen werden mit dem Teilwert angesetzt. Dies gilt jedoch nicht für die Nutzungsentnahme: Insofern besteht eine Gesetzeslücke, die der BFH mit dem Ansatz der tatsächlichen Selbstkosten geschlossen hat.
Die private Nutzung eines zu mehr als 50 % betrieblich genutzten Kfz ist stattdessen je Kalendermonat mit 1 % des Listenpreises anzusetzen, wenn kein Fahrtenbuch geführt wird.
Was aber hat zu geschehen, wenn es keinen inländischen Bruttolistenpreis gibt – ist dann auf die allgemeine Regelung für Nutzungsentnahmen zurückzugreifen, also den Ansatz der Selbstkosten?
Der BFH lehnt das ab: Die (spezielle) 1 %-Regelung ist nicht wegen "Fehlens eines Tatbestandsmerkmals" unanwendbar, sondern der Listenpreis muss geschätzt werden. Der Gesetzgeber habe mit der Spezialregelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG zum Ausdruck gebracht, dass die Selbstkosten nur bei der Fahrtenbuchmethode angesetzt werden sollten, d.h. wenn der Steuerpflichtige ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch führt und von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht hat.
2. Eine Schätzung ist unabhängig von den in § 162 Abs. 2 AO genannten Fällen einer Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Steuerpflichtigen zulässig, hier wegen Beweisnotstand hinsichtlich des inländischen Bruttolistenpreises. Die Schätzung durch das FG gehört zu den tatsächlichen Feststellungen i.S.d. § 118 Abs. 2 FGO und ist daher vom BFH nur eingeschränkt überprüfbar. Ausreichend ist im Wesentlichen, dass das FG anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze nicht außer Acht lässt.
3. Der BFH billigt, dass das FG den Bruttolistenpreis des Importfahrzeugs auf der Grundlage verschiedener inländischer Endverkaufspreise freier Importeure ermittelt hat. Es brauchte nicht den Aufwand eines Eigenimportes durch den Steuerpflichtigen anzusetzen (ausländischer Kaufpreis, Fracht, Zoll, technische Anpassung), der die Handelsstufe des Neuwagenhändlers und dessen Verkaufsmarge nicht einschließt. Die Orientierung an den einzelfallabhängigen Anschaffungskosten und anhand der Abgabepreise anderer Importeure für gleiche oder ähnlichen Fahrzeugen statt an einer generalisierten Bemessungsgrundlage widerspricht nicht dem allgemeinen Gleichheitssatz.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 09.11.2017, III R 20/16BFH, Urteil vom 9.11.2017 – III R 20/16