Vinzenz Fundel, Joachim Müller
Rz. 28
Nachhaltigkeit sollte in der Unternehmensstrategie systematisch verankert sein und in einem rollierenden Überprüfungsprozess kontinuierlich weiterentwickelt werden.
In den Gesprächen mit Unternehmen stellen wir als Kapitalmarkt-Stakeholder immer wieder fest, dass bei nicht berichtspflichtigen Unternehmen die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts als zentrale Zielsetzung der Organisation ausgerufen wurde. Berichtsverantwortliche Funktionen gehen dann für die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts i. d. R. auf die Suche nach vorhandenen Themen und Daten innerhalb der Organisation. Das Ergebnis ist meist ein mit ausschl. qualitativen Informationen wild zusammengewürfelter Bericht mit wenig Struktur und einem fehlenden roten Faden.
Rz. 29
Der Kapitalmarkt kann mit dieser Art von Berichten allerdings nur sehr wenig anfangen, da diese den Vorgaben der CSRD mit den European Sustainability Reporting Standards (ESRS; § 9A) nicht entsprechen. Deshalb wird vom Kapitalmarkt nur ein strukturierter und belastbarer Prozess für die Ableitung von Inhalten der Nachhaltigkeitsberichterstattung gewürdigt.
Rz. 30
Doch wie läuft so ein Prozess idealerweise ab? Unternehmen müssen unter Einbindung aller relevanten Stakeholder-Gruppen zuerst verstehen, welche Handlungsfelder wesentlich sind und mit welchen sich eine Organisation deshalb schwerpunktmäßig auseinandersetzen sollte (Materialitätsanalyse; § 10C). Die Gefahr, sich bei der Vielzahl von möglichen Nachhaltigkeitsthemen zu verzetteln und zu viele Themen gleichzeitig als wichtig zu empfinden, ist sehr groß. Wenn von einer Organisation verstanden wurde, auf welche Inhalte es in der jeweiligen Wertschöpfungskette ankommt, muss das Management dafür Sorge tragen, dass für diese Themen Strategien, Ziele, Maßnahmen und KPIs in Form eines funktionalen Nachhaltigkeitsmanagements implementiert werden (§ 3 Rz 3). Nachdem also auch die richtigen operativen Maßnahmen für die Zielerreichung eingeleitet wurden, kann ein Unternehmen anfangen, die Ergebnisse zu interpretieren und daraus Rückschlüsse für die kontinuierliche Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung zu ziehen. Nachhaltigkeit ist nach dem Plan-Do-Check-Act-Zyklus (PDCA) als systematischer Prozess zu verstehen, der grds. nie zu Ende geht, da immer weitere Verbesserungen angestrebt werden müssen.
Durch diesen Ansatz entsteht ein roter Faden, der die Schwerpunktsetzung der Themen mit der Strategie, dem operativen Nachhaltigkeitsmanagement und der dazugehörigen Steuerung wirksam verbindet. Die Ergebnisse und Erkenntnisse dieser Prozesse kann ein Unternehmen dann glaubhaft in seiner Nachhaltigkeitsberichterstattung darstellen, die entwickelten Managementansätze und erhobenen Daten für externe Ratings einsetzen oder ab einem bestimmten Reifegrad diese auch für Sustainable-Finance-Instrumente nutzen.
Rz. 31
Wer dem obigen Ansatz folgt bzw. zuerst eine solide Grundlage durch das Setzen der richtigen Schwerpunkte inkl. dem Aufsetzen der richtigen Management-Prozesse schafft, läuft deutlich geringere Gefahr, mit einem unwirksamen Nachhaltigkeitsansatz und damit den Kriterien für Greenwashing in Verbindung gebracht zu werden.
Abb. 3: Nachhaltigkeit als kontinuierlicher Verbesserungsprozess
Rz. 32
Eine Möglichkeit, den ganzheitlichen Ansatz im ESG-Management offenzulegen, bietet ein Sustainable Finance Framework. Dies ist ein Mittel, welches in Sustainable Bond Finanzierungen verwendet wird, um die Verbindung der Nachhaltigkeitselemente (ESG-KPIs und -Ziele) mit den Finanzierungen darzustellen. Dieses Framework bietet darüber hinaus die Möglichkeit, ganzheitlich die Nachhaltigkeitsbemühungen wie den Purpose einer Unternehmung oder auch die Sustainability Story oder die Transformationspläne und -erfolge sowie den Reifegrad einer Unternehmung darzustellen. Der Mehrwert einer ganzheitlichen Darstellung der Nachhaltigkeit von der Strategie über die Operationalisierung bis hin zu nachhaltigen Finanzierungen geht weit über einzelne Maßnahmen hinaus.