Die Künstlersozialversicherung soll die soziale Absicherung der freien Künstler und Publizisten verbessern. Deren Auftraggeber werden deshalb als Quasi-Arbeitgeber an der Finanzierung dieser Absicherung beteiligt. Zu den Auftraggebern gehören aber, wie Sie bereits erfahren haben, nicht nur die klassischen Verwerter wie Verlage oder Bühnen. Auch viele andere Unternehmen nutzen künstlerische Leistungen, ohne dabei als typischer Verwerter oder als Eigenwerber aufzutreten.
Beispiel
Eine Kneipe veranstaltet einen monatlichen Frühschoppen mit Livemusik. Sie verwertet die künstlerische Leistung der Musiker, um mittels der Livemusik den Getränkeumsatz zu erhöhen, um also Einnahmen zu erzielen.
Durch die Generalklausel des § 24 Abs. 2 S. 1 KSVG werden auch diese Verwerter in die Abgabepflicht mit einbezogen. Drei Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein:
- das Unternehmen erteilt Aufträge zur Nutzung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen,
- diese Nutzung erfolgt "nicht nur gelegentlich",
- es sollen im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden.
Die Absicht, durch die künstlerischen Leistungen (mittelbar) Einnahmen zu erzielen, unterscheidet die Generalklausel-Verwerter von den typischen Verwertern und den Eigenwerbern, bei denen weder eine Gewinnerzielungsabsicht noch eine Einnahmeerzielungsabsicht vorliegen muss.
2.4.1 Aufträge zur Nutzung von Werken
Das Wort "Auftrag" im Tatbestand des § 24 Abs. 2 S. 1 KSVG darf nicht in einem technischen Sinn verstanden werden. Die Abgabeplicht besteht nicht nur, wenn ein konkretes künstlerisches oder publizistisches Werk aktiv beauftragt wird. Gemeint sind auch hier, wie bei den typischen Verwertern und den Eigenwerbern, alle Arten von Verwertungen und Nutzungen künstlerischer und publizistischer Werke und Leistungen.
Das BSG hatte dies in einem Fall über die Abgabepflicht eines Industriedesign-Unternehmens entschieden (BSG Urteil vom 30.1.2001, Az. B 3 KR 1/00 R). Das Unternehmen fertigte Beschläge für Türen und Fenster nach Entwürfen namhafter Designer und Architekten. Dabei wurden erst nach einer Erprobungsphase Lizenzverträge mit den Designern und Architekten geschlossen – also zu einem Zeitpunkt, als die Entwürfe bereits gefertigt waren. Das BSG stellte in seinem Urteil klar, dass auch diese – nachträgliche – Lizenzierung als "Auftrag" i. S. d. § 24 Abs. 2 S. 1 KSVG zu verstehen sei:
Zitat
Der Wortlaut [des § 24 Abs. 2 KSVG] ist ungenau und untechnisch zu verstehen. (...) Wenn § 24 KSVG den Zweck hat, alle Unternehmen der Abgabepflicht zu unterwerfen, die aus wirtschaftlichen Gründen künstlerische Werke oder Leistungen zu eigenen Zwecken verwerten, kann es allein darauf ankommen, ob ein Vertrag über die ‘Verwertung’ eines künstlerischen Werkes geschlossen wird, und zwar unabhängig davon, ob das Werk – wie hier – schon erstellt worden ist oder erst noch geschaffen werden muss.
Beispiel
Eine Steuerberaterkanzlei möchte sich mit künstlerischen Werken schmücken und lädt freie Künstler ein, ihre Werke für einen Zeitraum von 2 Monaten in den Räumen der Kanzlei zu präsentieren. Hierfür zahlt sie, was leider noch nicht üblich ist, ein kleines Ausstellungshonorar von 400 EUR. Bei sechs Ausstellungen pro Jahr ergibt sich eine Gesamt-Nettosumme von 2.400 EUR. Die Ausstellungen werden nicht im Rechtssinne "beauftragt", aber die Kanzlei möchte hiermit Eigenwerbung betreiben (§ 24 Abs. 1 S. 2 KSVG) und nutzt die künstlerischen Werke, um über die Mandantenbindung weitere Einnahmen zu erzielen (§ 24 Abs. 2 S. 1 KSVG).
Zu den abgabepflichtigen Unternehmen, die unter die Generalklausel nach § 24 Abs. 2 fallen, können nach der Rechtsprechung des BSG beispielsweise auch Karnevalsvereine gehören (BSG Urteil vom 20.3.1997, Az. 3 RK 17/96):
Zitat
Die Klägerin veranstaltet u. a. karnevalistische Sitzungen, auf denen von ihr engagierte Tänzer, Sänger, Musiker, Büttenredner usw. auftreten. Hierbei handelt es sich um künstlerische Leistungen i. S. d. § 24 Abs. 1 S 1 Nr. 3 KSVG 1989. (...) Den Anforderungen des KSVG genügt bereits ein relativ niedriges Niveau an freier schöpferischer Gestaltung. Dies wird bei den Veranstaltungen des Kölner Karnevals ohne weiteres erreicht.
Das BSG hat auch die Abgabepflicht eines Redaktionsbüros nach der Generalklausel festgestellt (Urteil vom 10.10.2000, Az. B 3 KR 31/99). Das Redaktionsbüro hatte für einen Verlag die Funktion einer Chefredaktion ausgeübt und mehrere Zeitschriften redaktionell, einschließlich Satz und Gestaltung, betreut. Entsprechend wurden Aufträge an freie Autoren und Publizisten vergeben. Dabei sah das BSG das Redaktionsbüro nicht als Verlag an, aber durch die regelmäßige Beauftragung freier Journalisten die Generalklausel als erfüllt.
2.4.2 Regelmäßigkeit der Verwertung
Die Verwertung darf nicht "nur gelegentlich" erfolgen, damit die Abgabepflicht eintritt. Dabei muss unterschieden werden zwischen dem Regelfall der Bagatellgrenze von 450 EUR an Netto-Gesamtentgelten pro Kalenderjahr einerseits und dem speziellen Fall von Veranstaltungen.
Für den Zeitraum bis einschließlich 2014 ließ das KSVG – wie sch...