Nach dem BMF-Schreiben v. 22.2.2022 kann für die nach § 7 Abs. 1 EStG anzusetzende Nutzungsdauer grundsätzlich ein Zeitraum von 1 Jahr unterstellt werden. Nach Rz. 1.2 des BMF-Schreibens kann der Bilanzierende von dieser Annahme auch abweichen und eine längere (im Einzelfall ggf. realistischere) Nutzungsdauer zugrunde legen.
Bei Anwendung der Regelung des BMF-Schreibens sind u. a. folgende Aspekte zu beachten:
- Da die Huber GmbH die Software unterjährig zum 22.10.01 erworben hat, stellt sich die Frage, ob die Anschaffungskosten im Jahr der Anschaffung (Jahr 01) komplett abgeschrieben werden dürfen oder ob die Abschreibung pro rata temporis auf die ersten beiden Jahre 01 und 02 zu verteilen ist. Die Huber GmbH hat das BMF-Schreiben vom 22.2.2022 sowie die Vorversion des Schreibens vom 26.2.2021 dahingehend analysiert. Nach der ersten Version des BMF-Schreibens vom 26.2.2021 war diese Frage offen. Erst das zweite, aktuell gültige BMF-Schreiben vom 22.2.2022 nimmt dazu in Rz. 1.4 wie folgt Stellung: "Es wird nicht beanstandet, wenn abweichend zu § 7 Absatz 1 Satz 4 EStG die Abschreibung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe vorgenommen wird". Dies interpretiert die Huber GmbH als Wahlrecht, entweder im Jahr der Anschaffung (Jahr 01) die vollen Anschaffungskosten abzuschreiben oder aber die Abschreibung pro rata temporis über die Jahre 01 und 02 monatsgenau zu verteilen. Sie beschließt in ihrer Modellrechnung die Vollabschreibung im Jahr 01 zu berücksichtigen.
- Für die Handelsbilanz ist die grundsätzliche Annahme einer Nutzungsdauer von 1 Jahr nicht anwendbar, da die Regelung des BMF-Schreibens nur für die steuerliche Gewinnermittlung angewendet werden darf. In der Handelsbilanz ist die zu schätzende betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer maßgebend. Sofern diese länger als 1 Jahr ist, muss diese in der Handelsbilanz der Bemessung der jährlichen Abschreibungsbeträge zugrunde gelegt werden. Daher belässt die Huber GmbH die Nutzungsdauer in der Handelsbilanz bei 3 Jahren.
Als Folge der Anwendung einer Nutzungsdauer von 1 Jahr für die Bemessung der Abschreibung in der Steuerbilanz (AfA) und der gleichzeitigen Anwendung der geschätzten betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 3 Jahren in der Handelsbilanz, ergeben sich Differenzen zwischen den Bilanzansätzen in der Handels- und der Steuerbilanz zu den verschiedenen Bilanzstichtagen. Daher berücksichtigt die Huber GmbH bei ihrer Modellrechnung auch die Auswirkungen auf die Bildung latenter Steuern, da sie § 274 HGB freiwillig anwendet.
Latente Steuern entstehen, wenn sich zwischen den handelsrechtlichen und steuerlichen Wertansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten Differenzen ergeben, die sich in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich abbauen. Dies ist bei der Inanspruchnahme erhöhter Abschreibungsmöglichkeiten in der Steuerbilanz (im Vergleich zur Handelsbilanz) regelmäßig der Fall, da das zur Verfügung stehende Abschreibungsvolumen i. H. d. Anschaffungs- und Herstellungskosten nur früher in Anspruch genommen wird. Die Differenz zwischen der Bewertung eines Vermögensgegenstands in der Handels- und Steuerbilanz verringert sich im Zeitablauf auf Null.
Vor diesem Hintergrund erstellt die Huber GmbH folgende Modellrechnungen für die Steuerbilanz, wobei sie von einer Vollabschreibung im Jahr der Anschaffung ausgeht:
Anschaffungskosten |
3.600 EUR |
Steuerliche AfA im Jahr der Anschaffung |
– 3.600 EUR |
Steuerlicher Buchwert zum 31.12.01 |
0 EUR |
Die Huber GmbH weist in der Steuerbilanz zum 31.12.01 die Software mit einem Wert von Null aus. Damit einhergehend mindern die Anschaffungskosten i. H. v. 3.600 EUR in voller Höhe den steuerlichen Gewinn. In den folgenden Jahren ergibt sich keine Gewinnminderung mehr:
Jahr |
Abschreibung in der Handelsbilanz |
Abschreibung in der Steuerbilanz |
Differenz |
1 |
300 |
3.600 |
– 3.300 |
2 |
1.200 |
0 |
+ 1.200 |
3 |
1.200 |
0 |
+ 1.200 |
4 |
900 |
0 |
+ 900 |
In der Handelsbilanz verteilt sich die Gewinnminderung i. H. d. Anschaffungskosten auf die gesamte Nutzungsdauer von 3 Jahren.
Vergleicht man die Buchwerte jeweils zum Jahresende zwischen Handels- und Steuerbilanz, so ergeben sich Differenzen über die gesamte handelsrechtliche Nutzungsdauer von 3 Jahren. Über die gesamte Nutzungsdauer ist der handelsbilanzielle Buchwert der Software höher als der Wertansatz in der Steuerbilanz. Dadurch kommt es zum Ausweis passiv latenter Steuern, denn das handelsrechtliche Vermögen ist höher als der maßgebliche Steuerwert, sodass zukünftig mit steuerlichen Mehrbelastungen zu rechnen ist.
Jahr |
Buchwert 31.12. Handelsbilanz |
Buchwert 31.12. Steuerbilanz |
Differenz |
Zu versteuernde zeitliche Differenz (Passivische Latenz) |
Passiv latente Steuern |
Veränderung passiv latente Steuern |
(a) |
(b) |
(c) |
(d) = b – c |
(e) = d, wenn HB-Wert > SB-Wert |
(f) = e * Steuersatz (30 %) |
(g) = f – f(t–1) |
1 |
3.300 |
0 |
3.300 |
3.300 |
990 |
990 |
2 |
2.100 |
0 |
2.100 |
2.100 |
630 |
– 360 |
3 |
900 |
0 |
900 |
900 |
270 |
– 360 |
4 |
0 |
0 |
0 |
0 |
0 |
– 270 |
Die Werte der Spalte b entsprechen den Werten der Handelsbilanz. Die Werte ...