1.1.2.2.1 Inhalt und Form
Rz. 5
Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind planmäßig auf die Geschäftsjahre, in denen der Vermögensgegenstand voraussichtlich genutzt werden kann, zu verteilen.
Für jeden einzelnen Vermögensgegenstand ist nach dem Grundsatz der Einzelbewertung ein Abschreibungsplan aufzustellen.
Spätestens bei Vornahme der ersten Abschreibung werden hierbei festgelegt:
- die Nutzungsdauer und
- die Abschreibungsmethode.
Der Abschreibungsplan muss nicht ausdrücklich schriftlich fixiert sein. In der Praxis werden die Merkmale der planmäßigen Abschreibung in der Anlagenkartei oder in der Abschreibungstabelle festgehalten, was ausreicht. Die Anlagenkartei wird i. d. R. per EDV geführt.
1.1.2.2.2 Zweck
Rz. 6
Bei der planmäßigen Abschreibung kommt es nicht in erster Linie darauf an, die Vermögensgegenstände zu den Bilanzstichtagen mit den "richtigen Werten" i. S. d. jeweiligen Zeitwerte auszuweisen, sondern die Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die Jahre der voraussichtlichen Nutzung zu verteilen. Primäres Ziel ist daher im Sinne der dynamichen Bilanzauffassung die Periodisierung des Aufwands. Die planmäßige Abschreibung bezweckt somit, die einzelnen Geschäftsjahre erfolgsmäßig gegeneinander abzugrenzen und nicht den genauen Wertverlauf des Vermögensgegenstands am Markt widerzuspiegeln. Im Sinne der Unternehmensfortführungsprämisse kommt es somit stärker auf die Betrachtung des unternehmerischen Nutzens eines Vermögensgegenstands an, als auf eine mögliche Veräußerung. Damit übernehmen Abschreibungen eine Finanzierungsfunktion: Die erhöhten Aufwendungen, die aber in der jeweiligen Periode nicht zu Auszahlungen führten, vermindern den Gewinn, die Steuerzahlung und die Ausschüttung. Somit verbleiben Finanzmittel im Unternehmen, die – so sie angespart werden – für die Reinvestition zur Verfügung stehen.
Art- und funktionsgleiche Anlagen, die vergleichbaren Nutzungs- und Risikobedingungen unterliegen, müssen nach dem Stetigkeitsgebot nach gleichen Abschreibungsplänen abgeschrieben werden.
Diese Regelung unterbindet damit die Möglichkeit, in der Handelsbilanz die einzig von dem Zeitpunkt der Anschaffung abhängende Anwendung der linearen oder degressiven Abschreibung gem. Steuerrecht zu übernehmen. Eine Änderung steuerrechtlicher Vorschriften würde zwar eine Durchbrechung der Stetigkeit nach HGB grundsätzlich rechtfertigen, allerdings vor dem Hintergrund der Generalnorm nicht derart speziell nur für bestimmte Vermögensgegenstände, die z. B. in den Jahren 2021 und 2022 angeschafft wurden.
1.1.2.2.3 Nutzungsdauer
Rz. 7
Handelsrechtlich sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten abnutzbarer Anlagegegenstände bei der planmäßigen Abschreibung auf die Geschäftsjahre zu verteilen, in denen der jeweilige Vermögensgegenstand voraussichtlich genutzt werden kann (§ 253 Abs. 3 Satz 2 HGB).
Die Nutzungsdauer hängt ab von der technischen Leistungsfähigkeit oder/und von wirtschaftlichen Umständen. Die technische Leistungsfähigkeit eines Anlagegegenstands hängt von der Ausbringungsmenge, dem Energieverbrauch und von anderen technischen Daten ab. Lässt die Leistungsfähigkeit nach, muss nicht unbedingt auch die Nutzbarkeit im Unternehmen enden. U. U. kann der Gegenstand für andere betriebliche Zwecke genutzt werden, die eine geringere Leistungsfähigkeit erfordern. Aber die wirtschaftliche Nutzungsdauer eines Anlagegegenstands ist nur so lange gegeben, wie sein Beitrag im Produktionsprozess nicht auf andere Weise vorteilhafter geleistet werden kann.
Bei der voraussichtlichen Nutzungsdauer ist auf die theoretische Nutzungsmöglichkeit in dem konkreten Betrieb, die betriebsindividuelle Nutzungsdauer, bis zur vollständigen Abnutzung abzustellen. Das technische Nutzungsende gibt die längst mögliche Nutzungsdauer vor. Ist die Nutzungsdauer aus rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen kürzer, hat das Vorrang vor der technischen Nutzungsdauer.
Die voraussichtliche Nutzungsdauer ist die Anzahl von Jahren, in denen gleiche oder ähnliche Anlagen nach den bisherigen Erfahrungen in dem betreffenden Betrieb genutzt worden sind. Fehlen solche betriebsindividuellen Erfahrungen, können die Erfahrungen zugrunde gelegt werden, die mit gleichen oder ähnlichen Wirtschaftsgütern in Betrieben des gleichen Geschäftszweigs gemacht worden sind. Die allgemeinen AfA-Tabellen können nicht generell für die Bestimmung der handelsbilanziell relevanten wirtschaftlichen Nutzungsdauer herangezogen werden, da diese lediglich die technischen Aspekte betrachtet.
Letztlich kann die voraussichtliche Nutzungsdauer nur geschätzt werden. Wird sie zu hoch geschätzt, macht sich der Kaufmann reicher, als er ist. Da die Nutzungsdauer höchst unsicher ist, muss sie nach dem Vorsichtsgrundsatz des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB eher niedriger als zu hoch geschätzt werden. ...