Leitsatz
1. Soweit sich von den historischen Anschaffungskosten des Grund und Bodens oder von dem zum 1.7.1970 nach § 55 EStG anzusetzenden Wert Anschaffungskosten von Milchlieferrechten abgespalten haben, sind diese im Rahmen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung im Zeitpunkt der Veräußerung eines Teils der Lieferrechte anteilig als Betriebsausgabe abzuziehen.
2. Ist der Betriebsausgabenabzug im Wirtschaftsjahr der Veräußerung unterblieben, kommt eine spätere Berücksichtigung der anteiligen Anschaffungskosten als Betriebsausgabe nicht mehr in Betracht.
Normenkette
§ 4 Abs. 3, § 7 Abs. 1, § 55 EStG
Sachverhalt
Ein Landwirt, auf den der Betrieb von den Eltern übergegangen war, hatte im Wj. 2001/02 eine kleine Restmenge Milchlieferrechte (291 kg) veräußert. Den größten Teil der Lieferrechte (93.500 kg) hatten die Eltern schon 1995/96 veräußert. Die bewirtschafteten Flächen stammten überwiegend aus Anschaffungen vor dem 1.7.1970 und zu einem kleinen Teil aus einer Anschaffung im Jahr 1976.
Im Zusammenhang mit der Veräußerung von Milchlieferrechten waren in der Vergangenheit keine Betriebsausgaben geltend gemacht worden. Erst in seiner Einnahmen-Überschuss-Rechnung für das Wj. 2001/02 zog der Landwirt Betriebsausgaben in Höhe eines vom Grund und Boden abgespaltenen Buchwerts von ca. 60.000 DM für die Milchlieferrechte ab. Das FA berücksichtigte im Einspruchsverfahren schließlich 289 DM als anteiligen Buchwert der im Wj. 2001/02 veräußerten Milchlieferrechte.
Mit seiner Klage hatte der Landwirt vor dem FG zunächst Erfolg (FG München, Außensenate Augsburg, Urteil vom 20.5.2009, 10 K 1139/07, Haufe-Index 2191225, EFG 2009, 1444).
Entscheidung
Der BFH gab der Revision des FA statt und wies die Klage ab. Die Anschaffungskosten eines Lieferrechts seien den Liefermengen zuzuordnen und bei einem Verkauf anteilig abzuziehen. Das sei für die hier verkauften Lieferrechte zutreffend gehandhabt worden. Eine Nachholung des Betriebsausgabenabzugs für früher verkaufte Lieferrechte komme bei einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung nicht in Betracht.
Hinweis
1. Die im Wesentlichen eine landwirtschaftliche Spezialfrage betreffende Entscheidung enthält auch allgemein bedeutsame Aussagen:
a) |
Anschaffungskosten von Lieferrechten für mengenmäßig bestimmte Güter werden den Lieferrechten anteilig bezogen auf die jeweilige Mengeneinheit zugeordnet. Wird ein Teil der Lieferrechte veräußert, ist deshalb ein der veräußerten Menge entsprechender Teil des Buchwerts auszubuchen bzw. im Fall der Einnahmen-Überschussrechnung als Betriebsausgabe abzuziehen. |
b) |
Bei der Einnahmen-Überschuss-Rechnung gibt es keine Nachholung eines in einem früheren Jahr fehlerhaft unterbliebenen Betriebsausgabenabzugs im Zusammenhang mit der Veräußerung eines Anlageguts. Während im Fall der Bilanzierung die Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs bewirken, dass der Buchwertabgang des Wirtschaftsguts auch noch in einem späteren Jahr – ggf. auch gewinnmindernd – berücksichtigt werden kann, fehlt eine solche Möglichkeit bei der Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Die ehemaligen und ggf. noch nicht abgeschriebenen Anschaffungs- und Herstellungskosten des Wirtschaftsguts können nur im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses als Betriebsausgabe abgezogen werden (§ 4 Abs. 3 Satz 4 EStG). |
2. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Milchlieferrechte mit Einführung der Kontingentierung am 2.4.1984 als eigenständiges Wirtschaftsgut entstanden. Für Lieferrechte, die mit vorher angeschafften Grundstücken zusammenhängen, wird angenommen, dass sich ein Teil der Anschaffungskosten des Grund und Bodens auf sie erstreckt; der Buchwert wird dann vom Buchwert des Grund und Bodens abgespalten.
Diese Annahme gilt im Grundsatz auch für Grund und Boden, der vor dem 1.7.1970 angeschafft worden und mit dem pauschalen Wert nach § 55 Abs. 1 EStG bewertet ist. Ist im Zusammenhang mit der Veräußerung eines Milchlieferrechts kein anteiliger Buchwert eines solchen Grundstücks ausgebucht worden, kann dies nach dem BFH-Urteil vom 10.6.2010, IV R 32/08 (BStBl II 2012, 551) allerdings nicht im Wege einer Bilanzberichtigung nachgeholt werden (näher dazu BFH/PR 2011, 1). Insofern kommt es bei einer "vergessenen" Ausbuchung ebenso wie bei der Einnahmen-Überschuss-Rechnung nicht zu einer Nachholung der Gewinnminderung.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.11.2013 – IV R 58/10