Leitsatz
Dem EuGH werden die folgenden Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist es mit Art. 56 und Art. 58 EG vereinbar, wenn ein deutsches Unternehmen mit Einkünften aus Gewerbebetrieb Verluste aus einer Betriebsstätte in einem Drittstaat (hier: die Vereinigten Staaten von Amerika) bei der Gewinnermittlung nicht abziehen kann, weil nach dem maßgeblichen DBA entsprechende Betriebsstätteneinkünfte nicht der deutschen Besteuerung unterliegen?
2. Ist eine abkommensrechtliche Regelung mit dem vorgenannten Inhalt im Hinblick auf die Vorbehaltsklausel in Art. 57 Abs. 1 Satz 1 EG dann mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, wenn die maßgeblichen Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens schon am 31.12.1993 bestanden haben, der sich aus ihnen ergebende Ausschluss der Berücksichtigung von Verlusten aber bis zum Jahr 1998 durch das innerstaatliche deutsche Recht aufgehoben wurde?
Normenkette
Art. 56, Art. 57 Abs. 1, Art. 58 EG, Art. 7 Abs. 1 Satz 2, Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-USA 1989, § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG 1997 a.F.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, war im Streitjahr 1999 an zwei Personengesellschaften US-amerikanischen Rechts beteiligt und erwirtschaftete hieraus einen Verlust, den sie nach Maßgabe von § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG 1997 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abzog.
Das FA lehnte den Verlustabzug ab. Zur Begründung verwies es auf die Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte gem. Art. 7 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-USA 1989 sowie auf die Abschaffung von § 2a Abs. 3 EStG 1997 durch das StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) mit erstmaliger Wirkung vom VZ 1999 an (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des StBereinG 1999 vom 22.12.1999, BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13).
Die dagegen gerichtete Klage blieb dementsprechend erfolglos (EFG 2005, 538).
Entscheidung
Der BFH setzte das Revisionsverfahren aus und entschied, gem. Art. 234 Abs. 3 EG den EuGH anzurufen. Einzelheiten finden sich in den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
1. Eigentlich genügt es, auf das Parallel-Vorabentscheidungsersuchen des BFH an den EuGH vom 28.6.2006, I R 84/04 zu verweisen, das Ihnen auf S. 508 vorgestellt wurde. Alles, was dort und dazu gesagt wurde, betrifft auch den Besprechungsbeschluss und gilt auch hier.
2. Allerdings: Es gibt einen Unterschied. Die dortigen Verluste der Auslandsbetriebsstätte resultieren aus Luxemburg, einem Mitgliedstaat der EU. Die hiesigen Verluste wurden indes von einer US-amerikanischen Auslandsbetriebsstätte erwirtschaftet.
Bei Letzteren kommt es folglich nur dann auf die Frage nach der Europarechtsverträglichkeit an, wenn man den Zwang zu einem innerstaatlichen Abzug aus einer Verletzung der EG-Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EG ableiten könnte. Denn nur diese Grundfreiheit strahlt auch auf sog. Drittstatten im Außer-EU-Ausland aus. Eine Verletzung (nur) der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG) könnte dies nicht ermöglichen.
Der BFH deutet aber auch die Gefahren für die nationalen Haushalte an, sollte man sich auf diese Weise Auslandsverluste "all over the world" ins Haus holen. Er appelliert deswegen an den EuGH, jene drohenden Steuerausfälle und auch die (beibehaltenen) Ertragshoheiten der Nationalstaaten als denkbare Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung zwischen Inlands- und Auslandssachverhalten in besonderem Maß zu gewichten und jedenfalls nicht über die Rechtsgrundsätze, die der EuGH in seinem Urteil vom 13.12.2006, Rs. C-446/03 (BFH-PR 2006, 112) "Marks & Spencer" aufgestellt hat, hinauszugehen: Zu berücksichtigen sind danach allenfalls "finale" Betriebsstättenverluste.
3. Eine Besonderheit kam im Besprechungsbeschluss hinzu:
Die Gewährleistung der hier in Rede stehenden Kapitalverkehrsfreiheit steht unter dem Regelungsvorbehalt der sog. Stand-still-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EG. Die Grundfreiheit ist danach im Verhältnis zu Drittstaaten beschränkt, nämlich insoweit, als die Anwendung derjenigen Beschränkungen des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern betrifft, die am 31.12.1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen. Siehe dazu zuletzt auch die BFH-Urteile vom 22.2.2006, I R 120/04 (BFH-PR 2006, 361) sowie vom 21.12.2005, I R 4/05 (BFH-PR 2006, 290).
Da der BFH die Nichtberücksichtung der Verluste letztlich auf die abkommensrechtliche Freistellungsmethode und die daraus abgeleitete Symmetriethese stützt (s. Praxis-Hinweise zum Beschluss vom 28.6.2006, I R 84/04, BFH-PR 2006, 508), resultiert daraus eben auch die Beschränkung und wurde hierdurch die Sperre der Freiheitsbeschränkung ausgelöst. Und da das vorliegend einschlägige DBA-USA aus dem Jahr 1989 stammt, wurde das in Art. 57 Abs. 1 EG bestimmte "Grenzdatum...