Leitsatz
1. Setzt das FA die Investitionszulage im Hinblick auf den noch nicht feststehenden Abschlusszeitpunkt der Investition vorläufig fest, hat es bei der endgültigen Festsetzung zwischenzeitliche, die vorläufige Festsetzung betreffende Gesetzesänderungen (Verkürzung des Investitionszeitraums) zu berücksichtigen.
2. Wird der gesetzliche Investitionszeitraum verlängert, nachdem der Investor die Investitionsentscheidung getroffen und den Antrag auf Investitionszulage gestellt hat, die Verlängerung aber vor der endgültigen Festsetzung der Investitionszulage aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen wieder rückgängig gemacht, verletzt diese rückwirkende Gesetzesänderung jedenfalls dann kein von Verfassungs wegen geschütztes Vertrauen des Investors, wenn er im Hinblick auf die ursprüngliche Verlängerung des Investitionszeitraums seine Disposition nicht geändert hat.
Normenkette
§ 3 Satz 1 Nr. 3a InvZulG 1991/1993 , § 3 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1996
Sachverhalt
Der Kläger hatte im September 1994 eine Inves-titionszulage von 8 % für die Herstellung eines Wasserwerks beantragt. Die Anlagen sollten vor dem 1.1.1997 abgeschlossen sein. Zur Zeit der Antragstellung galt eine Investitionsfrist bis Ende 1996. Durch das JStG wurde der Investitionszeitraum bis Ende 1998 verlängert. Aufgrund einer Beanstandung durch die EU-Kommission wurde der Investitionszeitraum durch das 3. Finanzmarktförderungsgesetz (3. FinMFöG) wieder auf Ende 1996 verkürzt.
Das FA hatte die Zulage wegen der Ungewissheit der Fertigstellung bis Ende 1996 vorläufig festgesetzt. Da das Wasserwerk erst nach 1996 fertig gestellt wurde, forderte das FA die Zulage zurück. Der Kläger sah in der Verkürzung des Investitionszeitraums durch das 3. FinMFöG eine unzulässige Rückwirkung.
Entscheidung
Die Vorläufigkeitsfestsetzung sei zulässig gewesen, da es sich bei dem Zeitpunkt der Fertigstellung des Wasserwerks um ein tatsächlich ungewisses Tatbestandsmerkmal handele.
Für den Kläger bestehe auch kein geschütztes Vertrauen gegen die Rückgängigmachung der Verlängerung des Investitionszeitraums. Er habe bei Beginn der Investition nicht damit rechnen können, der Investitionszeitraum werde nachträglich verlängert. Er habe auch nicht vorgetragen, dass er seine Planungen im Hinblick auf die – später wieder rückgängig gemachte – Verlängerung des Investitionszeitraums geändert habe. Im Übrigen müsste wegen des nur sehr kurzen Verlängerungszeitraums dieses Vertrauen zurückstehen.
Hinweis
1. Um einen möglichst unmittelbaren Investitionsanreiz zu schaffen, kann und soll die Investitionszulage zunächst vorläufig gewährt werden. Nur so ist gewährleistet, dass die Fördermittel umge-hend eingesetzt werden und die beabsichtigten wirtschaftlichen Impulse zeitnah auslösen.
Eine Vorläufigkeitsfestsetzung nach § 165 AO ist aber nur zulässig, wenn sich die subjektive Ungewissheit des FA auf Tatsachen bezieht, und zwar auf das Vorliegen solcher Tatsachen, die den Steuer- bzw. Zulagentatbestand oder einzelne Merkmale davon erfüllen. Unsicherheit in der steuerrechtlichen Beurteilung eines feststehenden Sachverhalts oder auch die Absicht, gesetzgeberische Maßnahmen bzw. höchstrichterliche Rechtsprechung abzuwarten, rechtfertigen daher keine vorläufige Festsetzung, sondern nur einen Vorbehalt nach § 164 AO.
Hängt die Anspruchsberechtigung des Investors von einem erst in der Zukunft eintretenden Tatbestandsmerkmal (hier: Fertigstellung innerhalb des Investitionszeitraums) ab, kann das FA die Zulage im Hinblick auf dieses Tatbestandsmerkmal vorläufig festsetzen. Denn es handelt sich nicht um eine Unsicherheit in der rechtlichen Beurteilung, sondern um eine Ungewissheit über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für das endgültige Entstehen des Zulagenanspruchs.
Ändert sich später rückwirkend die gesetzliche Grundlage für die im Vorläufigkeitsvermerk als ungewiss gekennzeichnete Besteuerungs- bzw. Zulagengrundlage, ist bei der endgültigen Entscheidung über den Zulagenanspruch die geänderte Vorschrift zugrunde zu legen. Denn der Bescheid ist insoweit nicht materiell bestandskräftig geworden.
2. Voraussetzung für die Bescheidänderung nach der geänderten Rechtslage ist jedoch, dass die rückwirkende Gesetzesänderung verfassungsrechtlich zulässig ist. Die Zulässigkeit rückwirkender Vorschriften ist im Zulagenrecht noch nicht abschließend geklärt, wenn die Anspruchsvoraussetzungen nach Investitionsabschluss aber vor Ablauf des Investitionsjahrs geändert werden.
Das Rückwirkungsverbot steht jedenfalls dann nicht entgegen, wenn Zulagen rückwirkend deshalb abgesenkt werden, weil die EU-Kommission die Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem gemeinsamen Markt festgestellt hat. Geschütztes Vertrauen entsteht schon dann nicht mehr, sobald der BMF die Einleitung eines Hauptprüfverfahrens durch die EU-Kommission mitgeteilt hat und deshalb angeordnet hat, die Zulagen (Beihilfen) abweichend vom Gesetz nicht (oder nur teilweise) zu gewähren.
Bei Investitionen, die vor der Veröffentlichung eines entsprechenden BMF-Schreibe...