Leitsatz
1. Änderung und Richtigstellung des Senatsbeschlusses vom 28.07.2010, I B 27/10 (BFH/NV 2010, 1948, BFH/PR 2010, 433).
2. Der BFH kann als Beschwerdegericht zuständiges Gericht der Hauptsache für die amtswegige Änderung oder Aufhebung eines AdV-Beschlusses nach Maßgabe von § 69 Abs. 6 S. 1 FGO sein (Abgrenzung vom Senatsbeschluss vom 25.03.1993 I S 5/93, BStBl II 1993, 515).
Normenkette
§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2 KStG, § 69 Abs. 3, Abs. 6 S. 1 FGO
Sachverhalt
Der zugrunde liegende Sachverhalt und die vorangegangene Entscheidung des BFH ergeben sich aus BFH/PR 2010, 433 zum Beschluss vom 28.07.2010, I B 27/10 …
Entscheidung
…, welchen der BFH nunmehr gem. § 69 Abs. 6 S. 1 FGO ändert und im Ergebnis wie in den Praxis-Hinweisen wiedergegeben richtigstellt.
Hinweis
1. Der Senat hat durch Beschluss vom 28.07.2010, I B 27/10 (BFH/NV 2010, 1948, BFH/PR 2010, 433) über die Beschwerde gegen den vorangegangenen ablehnenden AdV-Beschluss des FG entschieden. In der Sache ging es um die AdV eines Bescheids über die Festsetzung von Steuervorauszahlungen. Die Beschwerde hatte Erfolg in Bezug auf die Vorauszahlungen zur KSt für die Wirtschaftsjahre ab 2010/2011, sie blieb im Ergebnis jedoch erfolglos hinsichtlich der Vorauszahlungen zur KSt für das Wirtschaftsjahr 2009/2010.
2. Letzteres – die Erfolglosigkeit der Beschwerde hinsichtlich der Vorauszahlungen zur KSt für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 – erweckte auf Anhieb Bedenken:
Der BFH baut darauf auf, dass irgendwelche ergänzenden und "heilenden" Vertragsvereinbarungen zu einem steuerlich zunächst "verunglückten" Gewinnabführungsvertrag an derselben Elle zu messen sind, wie der Gewinnabführungsvertrag selbst. Insbesondere muss also auch die Ergänzung gem. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 S. 1 KStG auf mindestens 5 Jahre abgeschlossen und während ihrer gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden. Die gesetzlichen Zeitbedingungen sind hier wie dort uneingeschränkt zu beachten. Gleichermaßen bedarf die Ergänzung, um rechtswirksam zu sein, ebenso wie der Gewinnabführungsvertrag der Eintragung in das Handelsregister.
3. Was die Rechtswirkungen und den Beginn des Organschaftsverhältnisses anbelangt, war dem BFH im Ausgangsbeschluss aber ersichtlich einLapsus unterlaufen: Er geht fälschlicherweise davon aus, der "geheilte" Ergebnisabführungsvertrag müsse vom Beginn des betreffenden Wirtschaftsjahrs an wirksam sein. Richtig ist, dass die Zivilrechtswirksamkeit innerhalb des Wirtschaftsjahrs genügt. Der neue Vertrag ersetzt den alten Vertrag also ad hoc, nicht anders so, als wäre erstmals ein Ergebnisabführungsvertrag geschlossen worden.
Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen damit erfüllt, greifen die organschaftlichen Folgen der Ergebnisabführung erstmals für jenes Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahrder Organgesellschaft endet, in dem der Gewinnabführungsvertrag wirksam wird, § 14 Abs. 1 S. 2 KStG. Bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr 01/02 der Organgesellschaft und einem Wirksamwerden des Vertrags in diesem Jahr ist das also das (Kalender-)Jahr 02.
4. Der Lapsus, der dem BFH unterlaufen ist, ist bedauerlich und eigentlich "unentschuldbar", der BFH ist aber offensiv damit umgegangen und sah sich als ermächtigt an, ihn zu korrigieren.
Grundlage dieser Korrekturermächtigung ist dabei § 69 Abs. 6 S. 1 FGO. Zwar räumt diese Vorschrift eine solche Änderungsbefugnis nur dem "Gericht der Hauptsache" ein, und Gericht der Hauptsache in diesem Sinn ist nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens nicht mehr der BFH, sondern das FG (vgl. BFH, Beschluss vom 25.03.1993, I S 5/93, BStBl II 1993, 515). Doch ist zwischen § 69 Abs. 6 S. 1 und S. 2 FGO zu unterscheiden: S. 1 der Vorschrift ermöglicht die Selbstkorrektur des vorangegangenen Beschlusses durch amtswegige Entscheidung des Gerichts, S. 2 der Vorschrift räumt hingegen den Verfahrensbeteiligten ein entsprechendes Antragsrecht ein und macht dieses Recht von der einschränkenden Voraussetzung zwischenzeitlich veränderter Umstände abhängig. Für einen solchen Antrag wird die Korrekturmöglichkeit auf das FG als "Gericht der Hauptsache" verlagert und ist dieses auch dann zuständig, wenn im Beschwerdeverfahren der BFH entschieden hat. Für die Selbstkorrektur behält hingegen der BFH die alleinige Verantwortung.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 15.09.2010, I B 27/10BFH, Beschluss vom 15.09.2010 – I B 27/10