Im Gegensatz zum Festsetzungs- oder Rechtsbehelfsverfahren ist die Finanzverwaltung im Steuerstrafverfahren grundsätzlich nicht mehr als Herrin des Verfahrens anzusehen, sondern dieses liegt in den Händen der zuständigen Staatsanwaltschaft.[1] Dies gilt zumindest dann, wenn das Verfahren bereits an die Staatsanwaltschaft angegeben wurde. Aber auch wenn wie in den meisten Fällen das Verfahren noch durch die Strafsachenstelle des Finanzamts geleitet wird, ergeben sich die Rechte und Pflichten der Beteiligten bereits aus den Bestimmungen der Strafprozessordnung und nicht mehr der AO. Dieses ergibt sich aus § 385 AO, der auf die Anwendung der strafprozessualen Bestimmungen hinweist sowie § 399 AO. In der Strafprozessordnung findet sich in § 147 Strafprozessordnung dabei eine ausdrückliche Regelung des Akteneinsichtsrechts. Ergänzt wird diese Norm durch Abschnitt 35 der Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren.[2]

Nach § 147 Strafprozessordnung steht dem Beschuldigten selber ein Recht auf Akteneinsicht nicht zu, sondern lediglich seinem Verteidiger. Aus dieser Bestimmung kann gleichwohl nicht geschlossen werden, dass der Beschuldigte keinerlei Möglichkeit auf Einsicht in die Akten hat. Vielmehr ist nur geregelt, dass kein Anspruch auf Einsicht besteht. In der Praxis wird das Akteneinsichtsrecht gleichwohl regelmäßig über den Verteidiger erfolgen, da dieser Akteneinsicht einnehmen darf.[3] Etwaige Kopien kann dann auch der Beschuldigte einsehen.

Das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers ist nach dem Abschluss der Ermittlungen vollständig gegeben. Der Abschluss der Ermittlungen ergibt sich dabei nach § 169a Strafprozessordnung. Vorher darf die Akteneinsicht versagt werden, wenn hierdurch der Ermittlungserfolg gefährdet ist. Einsicht in die Niederschrift von Vernehmungen, über richterliche Untersuchungshandlungen oder Sachverständigengutachten ist aber stets zu gewähren.

Die Akten, in die Einsicht genommen werden dürfen, umfassen im Steuerstrafverfahren auch die Akten der Steuerfahndung und sonstige Beiakten. Eine Grenze hinsichtlich der Steuerakten bildet jedoch auch im Strafverfahren das Steuergeheimnis. Geschützt werden deshalb vom Steuergeheimnis die steuerlichen Belange Dritter. Dies ist nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich auch der Anzeigenerstatter, es sei denn, er hat vorsätzlich falsche Angaben gemacht.[4] Nicht vom Akteneinsichtsrecht erfasst sind hingegen die Handakten der Staatsanwaltschaft oder Strafsachenstelle.[5] Wurden allerdings Schriftstücke aus den allgemeinen Ermittlungsakten in die Handakten ausgegliedert, um sie auf diese Weise der Einsicht zu entziehen, folgt aus diesem widerrechtlichen Verhaltens ein Verwertungsverbot. Umstritten ist, ob auch ein Einsichtsrecht in das Fallheft der Steuerfahndung besteht. Dies ist abhängig von der Frage, ob das Fallheft den Handakten der Staatsanwaltschaft gleichzustellen ist oder nicht.[6]

Nach Abschluss des Steuerstrafverfahrens geht das Verfahren wieder in das Festsetzungsverfahren über. Es besteht dann nach § 91 AO erneut kein allgemeines Einsichtsrecht.[7] Eröffnet ist für eine Klage auf Akteneinsicht dann wieder der Finanzrechtsweg nach § 33 FGO, da es sich wieder um eine Abgabenangelegenheit handelt.[8]

[1] Zum Verhältnis von Besteuerungs- und Strafverfahren siehe Tormöhlen, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO und FGO, § 393 AO Rz. 32ff.; Karstens, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2022, § 393 AO Rz. 12 ff.
[2] Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (AStBV-Steuer 2023), BStBl 2023 I S. 103 ff.; kritisch zu deren Rechtmäßigkeit Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2022, § 385 AO Rz. 15ff.
[3] Vgl. im Einzelnen Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2022, § 392 AO Rz. 78ff.
[5] Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2022, § 392 AO Rz. 86; so auch Abschnitt 35 Abs. 4 RiStBV 2023.
[6] Siehe hierzu ausführlich Müller, StBp 2004 S. 79.
[7] FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 23.6.1994, I 174/93, EFG 1995 S. 50.
[8] Niedersächsisches FG, Urteil v. 8.12.1992, I 368/89, EFG 1993 S. 531; FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 23.6.1994, I 174/93, EFG 1995 S. 50; Schuhmann, wistra 1995, 181f; kritisch Rößler, DStZ 1994,192.

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